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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

die Sehnsucht nach einer sorgenfreien Existenz. Als nun Schwan’s Antwort eintraf, da war Schiller’s höchster Wunsch in Erfüllung gegangen: Körner’s Freundschaft gewährte ihm jene Freiheit von irdischer Noth und vom Druck der Verhältnisse, die das Feuer der jugendlichen Dichterseele so frühe gedämpft hatten. An die Rückkehr zur Medicin, die auch in keinem Falle so ernstlich gemeint war, mochte er jetzt nicht mehr denken, damit zerrann aber auch der schöne Traum einer Verbindung mit Margarethen vor seinen Augen. In der ländlichen Abgeschiedenheit des Dorfes Gohlis suchte er seinen Schmerz über gescheiterte Hoffnungen zu überwinden.

Aus den düsteren Betrachtungen jener Tage ging das vielbewunderte Gedicht „Resignation“ hervor, in welchem der Dichter mit aller Schärfe den Gedanken ausführt, daß die Hoffnung auf einen Lohn im andern Leben nur ein beglückendes Phantom sei, indem die Hoffnung ihren Lohn ebensowohl in sich trage wie der Genuß. Schiller selbst hat jede Andeutung über die Veranlassung dieses Gedichtes, das er übrigens nicht als sein eigenes Glaubensbekenntnis, sondern nur als eine Aufwallung der Leidenschaft betrachtet wissen wollte, geflissentlich vermieden; und wenn nun Schwan, sein vertrauter Freund, mit aller Bestimmtheit erklärt, daß sich dasselbe auf das Verhältniß zu seiner Tochter Margaretha beziehe, so haben wir um so weniger Grund, diese Angabe zu bezweifeln, als Nichts einer solchen Annahme entgegensteht, weder die Zeit der Entstehung der ergreifenden Dichtung, noch auch die leidenschaftliche Aufregung jener Tage, in denen Schiller mit dem Theater, mit Dalberg und den Schauspielern immer mehr zerfiel, in denen die Leidenschaft der Frau von Kalb ihn beängstigte, statt ihn zu erheben, während seine Schuldenlast immer drückender wurde und die Huldigungen, die man von allen Seiten dem Geist und der Schönheit Margarethens entgegenbrachte, mit allen Qualen der Eifersucht ihn erfüllten.

Dem Schwan’schen Haus hat übrigens Schiller stets ein freundliches Andenken bewahrt. Als im nächsten Jahre Schwan mit seinen beiden Töchtern nach Leipzig reiste, empfing sie Schiller zu Meißen und begleitete sie dort wie in Dresden auf die freundlichste Weise. Noch am 2. Mai 1788 schreibt er an Schwan: „Glauben Sie, daß Ihr Gedächtniß in meinem Gemüth unauslöschlich lebt und nicht nöthig hat, durch den Schlendrian des Umgangs, durch Versicherungsbriefe aufgefrischt zu werden … Im Wieland’schen Hause wird mir oft und viel von Ihrer ältesten Tochter erzählt, sie hat sich da in wenigen Tagen sehr lieb und werth gemacht. Also steh’ ich doch noch bei ihr in einigem Andenken? In der That, ich muß erröthen, daß ich es durch mein langes Stillschweigen so wenig verdiene.“ An Margaretha selbst hat Schiller nie geschrieben. Das Schweigen des Dichters, dem sie eine warme Zuneigung bewahrte, hat schwer auf Ihrer Seele gelastet. Noch einmal sah sie ihn 1793 zu Heidelberg, als er mit seiner jungen Frau nach Schwaben reiste, ein Wiedersehen, das beide auf das Tiefste bewegte; Lotte von Lengefeld fand die einstmalige Nebenbuhlerin höchst liebenswürdig. So weit reichen meine Quellen über Schiller’s Verhältniß zu Margaretha Schwan.

Die Biographen Schiller’s berichten übereinstimmend, Margaretha Schwan sei in ihrem sechsunddreißigsten Lebensjahr gestorben an den Folgen einer Niederkunft. Auch diese Angabe ist falsch. Margaretha ist unvermählt geblieben. Am 27. Januar 1796 ward sie neben ihrer Mutter zur Ruhe gebettet, erst neunundzwanzig Jahre alt.

„Schwalben ziehen, Blätter fallen,
So zerfließt der Liebe Traum.“


Reichsgräfin Gisela.

Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)

Der Portugiese trat dicht an die Bank heran und bog sich zu dem jungen Mädchen nieder.

„Sie machen es nicht besser als die Leute da drüben, Gräfin,“ sagte er mit gedämpfter Stimme. „Sie lassen sich durch die rauschende Musik betäuben und vergessen, daß der Gewittersturm in seinen Anfängen bereits durch die Wipfel fährt.“ … Er hielt inne. … „Wollen Sie wirklich abwarten, bis der Regen niederstürzt?“ fuhr er dringender fort, nachdem er vergeblich auf einen Laut von ihren Lippen gewartet.

„Ich kann nicht gehen, ohne wenigstens Frau von Herbeck zu benachrichtigen,“ entgegnete sie. „Sie würde mich jedenfalls auslachen, wollte ich ihr den Grund angeben – Sie sehen selbst, man glaubt allgemein nicht an einen Ausbruch des Gewitters.“

Sie wandte den Kopf nur ein wenig seitwärts nach ihm hin – ihre Augen blieben gesenkt. Fast ohne es selbst zu wissen, vermied sie jede Bewegung, welche die Aufmerksamkeit der lebhaft plaudernden Gouvernante auf sich ziehen konnte – mehr instinctmäßig suchte sie zu verhindern, daß das mißtrauische, gehässige Auge der kleinen, fetten Frau auf den Mann falle, der mit so tief beklommener Stimme zu ihr sprach.

Er streckte den Arm aus und deutete hinüber nach dem Fürsten, der in der Nähe des einen Büffets saß. Der Minister stand vor Serenissimus und hielt ein volles Glas in der Hand. Seine Excellenz war von einer so auffallend übersprudelnden Lebendigkeit, daß man in diesen Gesten, in dem lächelnden Mienenspiel vergebens nach der eisernen Maske des Diplomaten suchte. Er brachte wahrscheinlich einen Toast voll Witz und Laune aus, der nur für das Ohr Seiner Durchlaucht und einiger danebenstehenden Cavaliere berechnet war – der kleine, auserwählte Kreis lachte, und unter dem Austausch verständnißvoller Blicke stieß man die Gläser aneinander.

„Sie haben Recht, dort will man nicht an das Gewitter glauben, das in den Lüften hängt,“ sagte der Portugiese gepreßt; „aber es werden Blitze niederfahren –“ er unterbrach sich und bog sein Gesicht abermals so tief zu der jungen Dame nieder, daß sie seinen Athem leicht an ihre Wange hinstreifen fühlte. „Gräfin, kehren Sie nach Ihrem stillen Greinsfeld zurück!“ flüsterte er weich und bittend. „Ich weiß es, die schweren Wolken da oben haben auch einen Blitz für Sie!“

Das klang dunkel, wie eine Prophezeiung. … Welche Widersprüche enthielt das Benehmen des seltsamen Mannes! Er betonte fast bei jedem Begegnen die Feindseligkeit ihr gegenüber – und doch hatte er sie vor dem Sturz in die Steinbrüche bewahrt, und jetzt mochte er sie vor dem Ausbruch des Wetters unter das schützende Dach ihres Heim retten. … Und warum gerade sie? … Dort tauchte ja eben das rothe Käppchen auf. … Ah, der schöne, braune Lockenkopf brauchte nicht so viel Zeit zur Flucht – das Waldhaus wär so nahe, man rettete „sein Kleinod“ im Augenblick der Gefahr unter das Dach des eigenen Heim’s! … Eine unsägliche, niegefühlte Bitterkeit erfüllte ihr Herz!

„Ich werde es machen, wie die Anderen, und ruhig hier bleiben,“ versetzte sie finster, und fast harter Stimme. „Hat das Wetter da oben wirklich einen Blitz für mich, so habe ich auch den Muth, ihn zu erwarten.“

Sie fühlte, wie die Banklehne unter seiner Hand erzitterte.

„Ich glaubte, ich spräche zu der Dame, die gestern willig an meiner Hand geschritten ist,“ sagte er nach einem augenblicklichen Schweigen – Gisela meinte eine tiefe Gereiztheit aus diesen unsicheren Tönen heraus zu hören. „An sie wende ich mich, trotz der mir eben widerfahrenen entschiedenen Zurückweisung, noch, einmal. … Gräfin, es ist das letzte Mal, daß ich neben Ihnen stehe – binnen einer Stunde werden Sie wissen, daß ich ein grausamer Gegner bin –“

„Ich weiß es bereits.“

„Sie wissen es nicht, wenn Sie diese Anklage auch noch so bitter hinwerfen. … Ich bin ein schlechter Schauspieler gewesen – ich habe meine Rolle vergriffen, vergessen. … Und nun, wo die Hand den Dolchstoß ausführen muß, zittert sie. … Ich kann nur noch einmal sagen: ‚Fliehen Sie, Gräfin!’“

Jetzt wandte sie sich um, und die heißen Augen hefteten sich fest, aber mit einem herzzerreißenden Blick auf das Gesicht des unerbittlichen Warners.

„Nein, ich gehe nicht!“ stieß sie bebend hervor, während es wie ein irres Lächeln um ihren kleinen, fieberisch zuckenden Mund glitt. „Sie haben die Rolle des Verachtenden nicht schneidend genug durchgeführt, sagen Sie, mein Herr! … Ich kann Ihnen aber zu Ihrer Beruhigung versichern, daß diese Verachtung gefühlt worden ist. … Ich gehe nicht! … Stoßen Sie nur zu! …

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_430.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2022)