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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

und Wind im hölzernen Wagen, auf holperigem Wege und dann über den sandigen Strand des Wattmeeres hin zum „Bismarck“.

Das Schiff lag, da eben Ebbe war, fast ganz auf dem Trocknen; Kleyhauer und sein Matrose brachten unser Gepäck an Bord, erstaunt über dessen Menge, da sie nicht halb so viel brauchten, wenn sie nach Amerika führen. Alsdann zeigten sie uns das in der Kajüte zu unserem Empfange bereitete Gastbett: eine harte, schmale Bank, belegt mit einem Stück Segeltuch; als Kopfkissen diente ein zusammengerolltes Tau, als Zudecke unsere Kleider. Dicht über unseren Häuptern in den Schiffsbalken staken in traulichem Verein Messer, Gabeln, Kämme, Zangen, an den Planken links daneben hingen die geladenen Flinten, zur Rechten stand der scharfkantige Ofen – Alles so dicht gedrängt beisammen, daß man bei jeder stärkeren Bewegung Gefahr lief, sich erheblich zu verletzen. Trotzdem schliefen wir bald fest, wenig verwöhnt durch die harten Seegrasmatratzen auf der Insel und gehörig ermüdet durch die lange Wagenfahrt in der scharfen Seeluft. Erst am lichten Morgen erwachten wir durch den heiseren eigenthümlichen Gesang des Matrosen, den dieser beim Aufwinden des Ankers anstimmte.

Auf der Seehundsjagd.

Wir eilten auf’s Deck, wurden aber hier von einem heftigen Wind und kalten Regen so übel willkommen geheißen, daß wir sehr bald wieder in die Kajüte flüchteten, während der Capitän sich mit dem größten Gleichmuth dem Unwetter und den von Zeit zu Zeit über Bord stürzenden Wellen aussetzte und lächelnd meinte: „Der uns naß gemacht hat, macht uns auch wieder trocken.“ Allein auch in der Kajüte war der Aufenthalt durchaus kein angenehmer. Hier herrschte ein unausstehlicher Theergeruch, der Wind hatte ziemlich freien Zutritt und blies namentlich fortwährend den Qualm aus dem Ofen in das kleine Behältniß. In Folge des Unwetters, der schlechten Kajütenluft und des starken Schaukelns des Schiffes begannen bereits die Vorboten der Seekrankheit sich bei uns einzustellen, da belebte der Ruf des Capitäns „Dort!“ auf’s Neue unseren schon sinkenden Muth.

Wir befanden uns östlich von der Insel Wangeroog und sahen in der bezeichneten Richtung, kaum eine halbe Seemeile entfernt, fünf Seehunde beisammen, die eben im Begriff waren, auf einer Sandbank zu landen. Noch war die Platte auf ihrer ganzen Oberfläche mit Wasser bedeckt, doch bereits hatten sich Hunderte von großen Möven auf ihr niedergelassen, unbeweglich des Augenblicks harrend, wo die zurückweichende Fluth ihnen gestattete, ihre Beute zu ergreifen – dagegen plätscherten die Seehunde lustig in der Brandung am Rande der Sandbank, auch sie erwarteten sehnlichst das Trockenwerden der Platte, nicht beutegierig, wie die Raubmöven, sondern um den vom Fischen und Schwimmen ermüdeten Körper zu pflegen und auszuruhen. Das Boot ward ausgesetzt, doch mußte uns Kleyhauer noch eine große Strecke auf seinem Rücken durch das zu seichte Wasser tragen. Bei unserer Ankunft erhoben sich in dichten Wolken die Möven, die Seeschwalben flatterten uns um den Kopf, verwundert über so ungewöhnlichen Besuch, die Robben flüchteten scheu in’s Meer.

Nachdem das Wasser sich vollends verlaufen hatte, lagerten wir uns, je zwanzig Schritte von einander entfernt, an der zum Landen für die Seehunde bequemsten Stelle am Rande der Sandbank. Anfangs war hier die Lage auf Knieen und Ellenbogen nicht so schlecht, je mehr sich aber das Wasser aus dem Sande versickerte, um so lockerer ward dieser und um so tiefer sanken wir ein, ohne einen festen Halt zu gewinnen. Ein feiner kalter Regen durchnäßte uns, trotz der wollenen Schifferkleidung, bis auf die Haut; dicht vor uns brandeten die Wellen der noch immer unruhigen See, und so durchschauerten uns auf’s Neue Anwandelungen der Seekrankheit, namentlich schwankte Alles vor unseren Augen auf und nieder.

Dem Schiffer gegenüber ließen wir uns davon nichts merken, wir harrten geduldig aus, bis die Seehunde sich zeigten. Endlich erschien weit draußen im Meere ein Kopf, äugte einen Moment nach uns herüber und verschwand alsbald, ebenso ein zweiter, dritter. Bald darauf tauchten sie in größerer Nähe empor, doch

vergebens hofften wir, daß sie ganz herankommen würden, sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_460.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)