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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Uniform mit einem sehr wohllautenden Organ und einer freundlichen Betonung, die mit dem langen, ernsten Gesichte des noch jungen Mannes im Contraste stand, „Sie werden die Güte haben uns einige Auskunft zu geben; zuerst, ist das dort Haus Goschenwald?“

„Es heißt so!“ antwortete das junge Mädchen unter heftigem Herzklopfen und in einer Verwirrung, welche ihr unmöglich machte, sich zu besinnen, woher ihr das Gesicht mit der ungewöhnlich hohen Stirn, den gedehnten Zügen, der stark ausgebildeten Unterlippe und dem langen Kinn bekannt sei, wo sie es gesehen haben könne.

Der junge Mann nickte mit dem Kopfe und sagte:

„Ich danke Ihnen. Ist der Hof besetzt?“

„Nein, er ist ohne Vertheidiger.“

„Ich meine, ob Franzosen da sind, oder ob sie dort waren?“

„Franzosen? Nein!“

„Wie weit sind wir hier von der Heerstraße, über welche der Rückzug der Franzosen sich bewegt?“

„Etwa dreiviertel Stunde.“

„Führt von dem Hofe Goschenwald eine so breite Straße hinab nach dieser Heerstraße, daß eine geschlossene Colonne – Sie verstehen mich: ein Bataillon – ein Regiment darauf marschiren könnte? Würde man Artillerie dahin bringen können?“

„Es führt ein Weg, der befahren werden kann, von Haus Goschenwald nach der Heerstraße; er führt von Goschenwald links über eine Einsattelung, dann durch eine Schlucht an einer Mühle vorüber.“ …

„Und er kann befahren werden?“

„In der That, aber wohl nur mühsam; er ist sehr schlecht zu gehen, ich kann nicht darüber urtheilen, ob Geschütze …“

„Ich danke Ihnen,“ sagte der junge Stabsofficier noch einmal, und dann sich zu dem andern Officier in der hechtgrauen Uniform wendend, fuhr er leiser redend fort:

„Wir wollen Strassoldo mit seiner Batterie bis auf weiteren Befehl stehen bleiben lassen, aber die zwei Bataillone Abpfaltern und eine Compagnie Kaiserjäger sollen vorgehen – die Kaiserjäger als Tête natürlich; ich will auf dem Hofe da vor uns die Meldungen erwarten; wenn sie an der Heerstraße angekommen sind und da in die Verfolgung eingreifen, soll es mir sofort gemeldet werden, wir wollen dann sehen, wie viel Mannschaft wir nachrücken lassen können.“ …

„So sprengen Sie zurück, Muga,“ wandte sich der zweite Hechtgraue, ein schon älterer Herr mit ergrauendem Haar, an einen der beiden andern Officiere, „Sie haben die Befehle gehört?“

„Zu Befehl, Excellenz,“ sagte dieser, die Hand am Schirm der Feldmütze; dann warf er sein Pferd herum, spornte es und sprengte auf dem Wege, den er gekommen, zurück.

„Sie, Bubna, bleiben hier zurück,“ wandte sich der junge Mann mit dem langen Gesichte jetzt an den Dritten seiner Begleitung, „um den Marsch zu dirigiren, wenn die Truppen kommen … da links hinein, nicht wahr?“ richtete er wieder seine Fragen an Benedicte.

„Die Truppen müssen diesem Fahrweg in’s Thal hinein folgen; dann, wo drüben eine Allee von Eichen, die auf Haus Goschenwald zuläuft, endet, wirft sich der Weg linkshin über die Einsattelung und steigt an der andern Seite wieder durch die Mühlenschlucht bis zu der Heerstraße hinab, auf der jetzt gekämpft wird.“

„Haben Sie es gehört, Bubna? Halten Sie eine der Ordonnanzen hier bei sich, damit Sie mir die Meldung machen lassen können, wenn die Leute da sind; lassen Sie sie ihren Marsch beeilen, wie es nur immer möglich ist; untersuchen Sie dann, ob sich Geschütze daher führen lassen, und sorgen dafür, daß ich sofort Nachricht erhalte, falls es möglich ist, Artillerie fortzubringen.“

Der junge Mann nickte dem zurückbleibenden Officier einen Gruß zu und wandte sich dann wieder an Benedicte.

„Jetzt, Demoiselle,“ sagte er, „haben Sie die Güte, uns zu führen … wir wollen die Gastfreundschaft des Edelhofs da vor uns unterdeß in Anspruch nehmen … können wir auf diesem Fußpfade hingelangen … und,“ setzte er lächelnd hinzu, „werden sie da einen frischen Trunk Steinweins oder nur frischer Milch für ein paar müde, durstige Soldaten haben?“

„O gewiß, gewiß!“ rief Benedicte lebhaft aus, „ich bin sicher, daß Soldaten, welche diese Uniform tragen, mit Freuden da empfangen werden; folgen Sie nur, dieser Fußpfad führt in der geradesten Richtung dahin.“ …

„So kommen Sie, Sztarrai,“ rief der junge Mann seinem Cameraden zu.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Ein Beileidsschreiben. Vor einigen Wochen empfing ein österreichischer Schriftsteller von einem der Thüringischen Fürsten einen Orden und vierzehn Tage später das nachfolgende Condolenzschreiben, das wir mit Weglassung aller Namen unseren Lesern mittheilen. Es lautet:

„Wenn wir uns Ihnen heute in ernster Stunde nahen, verehrter Herr und Freund, so geschieht es nicht etwa allein, um Ihnen unser herzliches Mitgefühl und Beileid zu bezeigen, sondern auch zu versuchen, Ihnen in dem schweren und schmerzlichen Fall, der Sie betroffen, Trost einzusprechen.

Noch klammern wir uns allerdings an eine schwache Hoffnung: die Nachricht stand blos in einer Illustrirten Zeitung, und die Möglichkeit liegt vor, daß sie nur ein falsches Gerücht gewesen. Sie wissen ja selber am besten, daß sich im Glück Niemand um den Andern bekümmert, Unglücksfälle aber immer gleich und ausführlich gemeldet und verbreitet werden.

Sollte es aber doch wahr sein, sollten Sie wirklich, wie uns versichert wird, den

***orden ?ter Classe

erhalten haben, dann freilich ist Hülfe nicht mehr möglich, und nehmen Sie in dem Fall hier wenigstens den warmen Händedruck treuer, mitfühlender Freunde.

Wir waren so glücklich in W–, lebten so sorglos und vergnügt in den Tag hinein – Alle mit reinem Herzen und Knopfloch, und hofften auch, daß wir uns dereinst so wiederfinden sollten: – es hat nicht sein sollen! – Aber erinnern Sie sich, daß wir Sie gewarnt. Wir haben es Ihnen vorhergesagt: nach dem Toast war er unvermeidlich! – „Man sagt, er wollte sterben.“

Es ist freilich ein schlechter Trost, wenn ich nur den Arm breche und ein Freund nennt es noch ein Glück und erzählt mir einen Fall, wo ein Bekannter von ihm den Hals gebrochen hat – aber selbst ein schlechter Trost ist besser als gar keiner, und wir verweisen Sie deshalb auf B– A–, dem – schon vor längerer Zeit sogar – der Piepvogel letzter Classe versetzt wurde, ohne daß er körperlich darunter gelitten hätte.

Je kleiner der Vogel aber, desto kleiner auch das Leid, und mit Ihrer gesunden Constitution ist es ja doch möglich, daß Sie es überstehen werden – nur hüten Sie sich vor Hofluft und zu leichter Kleidung – wie Frack und Glacéhandschuhe, denn solche Anfälle wiederholen sich manchmal und sind dann um so gefährlicher. Ja, wir kennen Beispiele, wo Menschen einen solchen Ausschlag über die ganze Brust und selbst an den Hals bekommen haben.

Aber das Unglück ist einmal geschehen; so tragen Sie es denn männlich (mit oder ohne Stern, wie Sie wollen – mit sieht aber hübscher aus) und seien Sie versichert, daß Ihnen aller Orten Freunde leben, die sich zwar nicht in eine solche Lage hineindenken können, aber doch recht gut begreifen und mit Ihnen fühlen, wie Ihnen jetzt etwa zu Muthe ist.

Damit zeichnen wir uns, verehrter Herr, als Ihre treuen und tief mit Ihnen empfindenden Freunde

hochachtungsvoll und unterthänigst  

G. D. und D.“ 
Sollte vielleicht Gerstäcker der Verfasser des Briefes sein? Einige Wendungen lassen es fast vermuthen.


Bock’s ganz vortreffliches Schulbuch „Bau, Leben und Pflege des menschlichen Körpers in Wort und Bild“ ist soeben in vierter Auflage erschienen. In nur wenigen Monaten sind dreißigtausend Exemplare dieses von der Kritik und allen Schulvorständen mit großer Anerkennung aufgenommenen schön illustrirten Buches verbreitet worden, und mit jedem Monat mehrt sich die Zahl der Schulen, welche das instructive Werk als Lehrmittel einführen. Augenblicklich ist dasselbe in nachfolgenden Schulen angenommen: Memmingen, Dresden, Meißen, Coburg, Döbeln, Zürich, Chemnitz, Grimma, Eichstätt, Annaberg, Sondershausen, Wunsiedel, Gleiwitz, Halle, Breslau, Köthen, Schwabach, Leipzig, Langensalza, Coblenz, Freiberg, Frankenberg, Frankfurt a. O., Berlin, Burgdorf, Gmünd, Glauchau, Görlitz, Harburg, Magdeburg, Nürnberg, Plauen, Regensburg, Stettin, Trier, Wien, Bunzlau, Löbau, Aarau, Kufstein.

Das Buch ist zugleich ein buchhändlerisches Unicum. Trotzdem dasselbe binnen weniger Monate in der enormen Auflage von 30,000 Exemplaren verbreitet wurde und der Verfasser im Interesse einer billigen Herstellung keinen Groschen Honorar annahm, so hat doch die Verlagshandlung nicht nur keinen Gewinn erzielt, sondern nach Abschluß noch 33 Thlr. 10 Ngr. Verlust gehabt. Der fabelhaft billige Schulpreis und die mancherlei Umarbeitungen welche den Satz vertheuerten, ließen trotz des großen Absatzes einen bessern Erfolg nicht erreichen, ganz abgesehen davon, daß von vornherein weder vom Verfasser, noch vom Verleger damit eine Speculation beabsichtigt wurde.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_496.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)