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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

zwei österreichischen Officiere eingetreten waren – es wurde da ein plötzlicher lauter Lärm vernehmbar, Waffengeklirr und Aufstoßen von Gewehrkolben.

„Ah … im rechten Augenblick!“ rief Sztarrai aus – „ich denk’, es ist Muga oder Bubna …“

„Unsre Kaiserjäger!“ sagte der ‚General Teschen‘ aufspringend.




7.

Die Thür war aufgeflogen, österreichische Officiere mit gezogenen Degen drängten herein, hinter ihnen grüne Kaiserjäger mit ihren Stutzen und grünen Federbüschen an den aufgeklappten Filzhüten – man sah über ihren Köpfen fort und durch die geöffnete Thür den ganzen Gang draußen voll dieser Hüte und Federbüsche. … Die Officiere stürmten heran in der offenbarsten Aufregung.

„Königliche Hoheit!“ rief ein großer, stark gebauter Mann, „da sind Sie – Gott sei gelobt …“

„Sagen Sie lieber: da sind wir!“ antwortete lächelnd die Königliche Hoheit, der junge General – „Sie kommen just recht, man überlegte hier eben, ob es gegen die Bauern helfen werde, wenn man uns todtschieße – Bubna und Muga haben Sie wohl herbeigebracht?“

„In der That, Hoheit; wir hatten uns eben erst in Marsch gesetzt, wie Lieutenant Graf Bubna den Befehl überbracht, als der Husar von der Stabswache mit Eurer Hoheit Pferden herangesprengt kam, und …“

„Wo ist Kinsky?“ fiel die Hoheit ein.

„Er muß mit der Tête seiner Bataillone in diesem Augenblick unten im Thal, diesem Edelhof gegenüber, angelangt sein; uns führte der Husar auf einem kürzeren Fußsteig zur Hinterseite dieses Hauses …“

Während rasch diese Worte gewechselt wurden, stand der Capitain Lesaillier wie vom Schlag getroffen da – der Wachtmeister und die anderen Chasseurs hatten sich, ihre Säbel in der Faust, in eine Gruppe zusammengedrängt.

Sacré mille tonnerres, wir sind in einen saubern Leimtopf gefallen, Capitain!“ rief der Wachtmeister aus.

Madame Marcelline war aufgesprungen, das blasse Entsetzen in allen Zügen.

„Hoheit? – Der Erzherzog!“ stammelte sie.

„Der Reichsfeldmarschall Erzherzog von Oesterreich und Herzog von Teschen,“ sagte der junge Mann, indem er sich lächelnd vor ihr verbeugte, „wie Sie sehen, heute nicht im Bett, Madame, und deshalb so glücklich, sich Ihnen jetzt ohne Incognito vorstellen zu können. …“

Er wurde unterbrochen durch Carabinerschüsse und lautes Geschrei der Chasseurs draußen, die den vom Garten her eingedrungenen Feind jetzt bemerkt hatten und heranstürmten, ihren Officier herauszuhauen – die Kaiserjäger warfen sich ihnen entgegen, man hörte in der Vorhalle ein wüstes Getümmel beginnen.

„Mein Capitain,“ rief der Erzherzog dem Franzosen zu, „Sie haben gesehen, gehört, daß Sie von stärkeren Streitkräften auf allen Seiten umringt sind. Bringen Sie Ihre Leute zur Ruhe, lassen Sie kein unnützes Blut vergießen – lassen Sie Ihre Mannschaft sich ruhig im Hofe aufstellen und alsdann kehren Sie zurück, ich habe mit Ihnen zu reden!“

„Hoheit,“ entgegnete der Capitain, „eine französische Schwadron giebt sich nicht gefangen, und wenn auch zehn Erzherzoge oder Reichsfeldmarschälle es ihr gebieten – wir sind umzingelt, zum Teufel, was schadet’s, wir werden uns Luft machen! Lassen Sie mich mit diesen meinen Leuten zu meiner Mannschaft auf den Hof hinaus – ich habe Ihnen vorhin aus Großmuth Ihren Degen gelassen und verlange jetzt von Ihrer Großmuth, daß Sie mich zu meiner Mannschaft hinauslassen …“

„Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie sich hinausbegeben sollen …“

„Mit diesen meinen Leuten?“

„Mit Ihren Leuten da, wenn Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß Sie draußen Waffenruhe herstellen – Bubna, gehen Sie mit und halten Sie unsere Leute zurück – und daß Sie wiederkommen, damit ich weiter mit Ihnen rede. Ich habe Ihnen nicht gesagt, daß ich von Ihnen die Ergebung auf Gnade und Ungnade verlange. …“

Der Capitain stürmte mit seinen Leuten hinaus; der eine der Adjutanten des Erzherzogs folgte ihm, man hörte draußen ihre Stimmen fluchend und wetternd durch den Lärm schreien und das Getümmel legte sich.

Die Chasseurs kehrten, wie man durch die Fenster sah, zu ihren Pferden zurück, der Wachtmeister trieb die letzten und kampflustigsten vor sich her und hatte bald die ganze Schaar im Sattel. Der Capitain aber, der sich, sobald er Ruhe hergestellt, von allen zuerst auf sein Pferd geworfen hatte, sprengte dicht an das offene Fenster der Halle heran und schrie herein:

„Nun, meine Königliche Hoheit, bitte ich um das, was Sie mir sagen wollten! Ich werde hier draußen an der Spitze meiner Leute ein besseres Verständniß dafür haben, als da drinnen in Ihrer Gewalt – ne vous en déplaise!“

„Mein lieber Capitain,“ antwortete der Erzherzog lächelnd, „Sie verkennen meine Absichten. Sie hätten ruhig zurückkehren können. …“

„Ich habe mein Ehrenwort zurückzukehren nicht gegeben!“

„Nein, aber Sie geben das, so lange wir unterhandeln, Waffenruhe halten lassen zu wollen?“

„Ich gebe es!“

„Wohl denn, so hören Sie. Sie sind mit Ihrer Schwadron abcommandirt zur Beschützung dieser Dame hier?“

„Das bin ich!“

„Und wenn ich Sie zwänge, die Waffen zu strecken, so würde die Dame nicht allein weiter zu ziehen wagen, ich hätte mich selber der Aufgabe zu unterziehen, sie zu beschirmen …“

„Ich müßte sie Ihrem Schutz, Ihrer Ritterlichkeit anempfehlen, Hoheit!“

„Und sie scheint in dieser Beziehung ein wenig verwöhnt, mein Capitain?“

„Es wäre Mangel an Erziehung, wenn ich Eurer Königlichen Hoheit widerspräche.“

„Wer ist die Dame?“

„Sie ist die Gattin des Schöffen und zeitigen Reichsschultheißen Vollrath zu Frankfurt am Main.“

„Des Reichsschultheißen, eines dem Hause Oesterreich so verbundenen und, so viel ich weiß, auch treu ergebenen Mannes?“ rief der Erzherzog aus. „Madame,“ wandte er sich an Frau Marcelline, „ich hätte nicht geglaubt, in Ihnen eine so erbitterte Feindin zu finden.“

„Hoheit,“ stammelte Frau Marcelline, weiß wie ein Tuch und nur höchst mühsam so viel Athem gewinnend, um reden zu können, „ich kann nichts als meine Verzweiflung ausdrücken, daß ich so unbesonnen …“

„Daß Sie so unbesonnen sich in eine Lage brachten, wo Sie nun meinem Schutze übergeben sein sollen! Beruhigen Sie sich, Sie sollen der Ritterlichkeit eines Mannes, den Sie so hassen, wie mich, nichts zu verdanken haben.“

„In der That, Capitain,“ wandte der Erzherzog Karl sich durch’s Fenster an den französischen Officier zurück, „ich habe nicht die geringste Lust, mich länger der gefährlichen Nähe einer solchen Feindin, wie Madame uns ist, auszusetzen. Ich überlasse sie sehr gern Ihrem weiteren Schutz, und damit Sie diesen ausüben können, ziehen Sie ungehärmt mit Ihren Leuten davon. Wie Sie mir meinen Degen gelassen, lasse ich Ihnen die Waffen. Aber ziehen Sie sofort ab.“

Der Capitain Lesaillier senkte vor dem Erzherzog die Spitze seines Säbels.

„Königliche Hoheit, das sind Bedingungen, die ich annehmen kann. Ich danke Ihnen dafür, Sie werden einen Verkünder Ihres Ruhms und Ihres Edelmuths mehr in der Welt haben.“ …

„Ich kämpfe nicht um den Ruhm, mein Capitain, sondern um die Freiheit des Reichs von hochmüthigen Feinden – das ist Alles, was uns je die Waffe in die Hand drücken wird gegen die, welche nichts hindert, unsere Freunde zu sein.“

Der Erzherzog entließ den Capitain mit einer stolzen Verbeugung des Hauptes, und dann sagte er zu Frau Marcelline: „Und nun, Madame, brechen Sie auf.“

Madame hatte ihre Farbe, ihren Muth wiedergefunden.

„Aber ich gehe nicht, ohne diese meine …“ sie stockte, „meine Gefangene,“ rief sie dann, „ohne sie!“

„Was hat das Mädchen verbrochen?“

„Soll ich das hier Eurer Hoheit berichten, diese lange erschütternde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 514. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_514.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)