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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Schöne Geister und schöne Seelen.
2. Henriette Herz und Schleiermacher.

Es war der geniale Prinz Louis Ferdinand von Preußen, der einst die schöne Henriette Herz bei der Hand nahm und sie der berühmten Schriftstellerin Frau von Staël mit den Worten vorstellte. „Betrachten Sie diese Frau, sie ist nie geliebt worden, wie sie es verdiente.“ Der Prinz ahnte nicht, daß nur kurze Zeit nachher sein Bruder, der schöne heldenhafte Prinz August, in einem Liebesverhältnis zu der Freundin der Frau von Staël stehen werde, der berühmten Schönheit Julie Recamier, von welcher man ja auch sagen konnte, daß sie nie so geliebt worden war, wie sie es verdiente, denn selbst der Prinz August liebte sie nicht ganz so, sonst würde er trotz ihrer Weigerung ihre Hand zu erringen gewußt haben!


Henriette Herz.
Nach der Natur von Anton Graff.


Die Schönheit von Julie Recamier ist sehr oft geschildert worden, die von Henriette Herz sehr selten; so schön beide Frauen waren, ähnlich können sie sich nicht gesehen haben! Henriette Herz war jüdischer Abkunft und sah aus wie Königin Esther, während Julie Recamier eher einer Hebe glich. Ein Portrait, von dem berühmten Anton Graff gemalt, zeigt uns das regelmäßig schön, aber kräftig geschnittene Oval und eine ganz geradlinige Nase, große dunkle, leuchtende Augen und einen kleinen rothen über weißen Zähnen lächelnden Mund in dem Gesicht von Henriette Herz, das außerdem noch durch eine Fülle wallender schwarzer Locken verschönt wird. Ihre Gestalt war nach Aussage von Augenzeugen, die sie noch gekannt haben, wenn auch in hohem Alter, über die gewöhnliche weibliche Größe hinaus, dabei aber füllereich und zugleich schlank. Sie hielt sich im achtzigsten Jahre noch kerzengerade und liebte es, statt der Altenweibermützen einen stolzen Turban zu tragen, über den sie von Splitterrichtern oft verspottet worden ist.

In den Aufzeichnungen, die sie aus ihrer Jugend hinterlassen hat, spricht sie ein gewisses naives Erstaunen über ihre eigene Schönheit und die Wirkung derselben aus, ohne irgend eine Art von Eitelkeit oder Selbstüberhebung dabei an den Tag zu legen. Sie war schon als Kind so schön, daß die Juden in Berlin sie sehr oft bei Festlichkeiten von ihren Eltern sich erbaten. So hat sie auch mehrmals hohen Personen Gedichte überreichen müssen, namentlich auch als sechsjähriges Kind der Prinzessin Amélie, Schwester Friedrichs des Großen, deren schielende Augen bei großer Freundlichkeit einen widerlichen Eindruck auf das scharfbeobachtende Kindesauge machten. Die Prinzessinnen des königlichen Hauses liebten es damals sehr, jüdische Feste mitanzusehen, deshalb war Prinzeß Amélie bei einem Lauberhüttenfest erschienen und die Königin Ulrike von Schweden, ihre Schwester, bei einer jüdischen Hochzeit, wo ihr ebenfalls das schöne Judenkind Henriette vorgestellt wurde.

Die Eitelkeit des kleinen Mädchenherzens wurde durch solche Schaustellungen natürlich sehr geweckt, und die sonst braven Eltern kannten keine Vorsicht in diesem gefährlichen Punkt der Erziehung, sie gestatteten es sogar, daß die neunjährige Henriette in einem öffentlichen Concerte Clavier spielte, wo man sie mit Beifall überschüttete, nicht weil sie gut spielte, sondern weil sie schön aussah; auch kam es vor, daß die Kleine mit einem alten französischen Tanzmeister auf großen Bällen Tänze aufführte und so sehr die allgemeine Bewunderung erregte, daß die Zuschauer auf Tische und Stühle stiegen, um besser sehen zu können. Wie tief der Eindruck dieser schmeichelhaften Erlebnisse war, geht daraus hervor, daß die Greisin sich ihrer noch sehr wohl zu erinnern wußte und gern davon erzählte. Auch erregte das frühreife Kind in der Schule sowohl wie auf der Straße die Bewunderung der männlichen Jugend Berlins in einer Weise, die denn doch die arglosen Eltern zu größerer Vorsicht antrieb. Die kleine Henriette wurde nicht mehr in die Schule geschickt, sondern im Hause unterrichtet, theilweis von ihrem geistvollen Vater, dem Doctor de Lemos, einem Juden portugiesischer Abkunft, von dem die Tochter offenbar die eigenthümliche Schönheit geerbt hatte. Sie schilderte ihn oft und gern als eine der merkwürdigen Figuren von Berlin; er trug nämlich stets einen Sammtrock mit goldenen Tressen besetzt, seidene Strümpfe, Schnallenschuhe, einen dreieckigen Hut über eine Allongenperrücke und echte Spitzen an den Händen und der Brust. Die hohe edelgeformte Gestalt, die feierliche Haltung, die er seiner Würde als Arzt angemessen fand, und das schöne regelmäßige Gesicht mit dem milden Ausdruck machten sich in diesem altmodischen, aber malerischen Costüm ganz vortrefflich. Wenn der Diener mit der hellen Stocklaterne durch die damals noch sehr schlecht beleuchteten Straßen von Berlin vor ihm herging, blieben alle Leute auf seinem Wege stehen, sahen ihm erstaunt nach, aber lachten

niemals. Noch schöner fand ihn die zärtliche Tochter im Hause,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_517.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)