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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

aufsuchen, erfuhren von den Bemühungen des uneigennützigen Gründers jener Schule, unterrichteten sich persönlich von den in kurzer Zeit erreichten Resultaten und reiche Geldspenden waren die nächste Folge ihrer unverhohlen ausgesprochenen Anerkennung. Ein Erfolg zieht den andern nach sich. Die ursprünglich so anspruchslos begonnene Unternehmung hatte nach allen Seiten die Theilnahme wachgerufen. Die bairische Regierung erkannte sehr bald die Tragweite dieser Bestrebungen und ordnete – außer einem namhaften Beitrag an klingenden Mitteln – die Gründung von Zeichenschulen im Ammergau, in Mittenwalde und Garmisch, an – letzterer Ort ist nur eine Viertelstunde von Partenkirchen entfernt. – Sämmtliche Schulen wurden unter die einheitliche Leitung des Gründers, der Partenkirchener Schule gestellt, in welch’ letzterer Sachs nach wie vor auch persönlich den Unterricht ertheilt.

Doch die Regierung ging in ihrem Interesse an dem jungen Institute noch weiter. Dem talentvollsten Schüler J. Bader, Sohn des die Holzschnitzerei bereits seit langen Jahren betreibenden Kunstdrechslers Bader in Garmisch, wurde ein Stipendium bewilligt, damit er sich auf der Kunstgewerbeschule zu Nürnberg zum Schnitzlehrer für den ganzen Bezirk ausbilde. Mit diesen Erfolgen wuchs auch der Muth der Gemeindebehörde. In kurzer Zeit entstanden in Partenkirchen, Garmisch und Ammergau für die Verhältnisse der Ortschaften brillante Zeichensäle. Die Schülerzahl stieg in Partenkirchen auf fünfundsechszig, jüngere und ältere Leute, die Anstellung eines tüchtigen Hülflehrers gestattete die Eintheilung der Schulbedürftigen in drei Curse, welche nach Alter und Fertigkeit geschieden wurden.

Zur Zeit wird wöchentlich sieben Stunden Zeichenunterricht ertheilt[WS 1] und zwar im Freihandzeichnen, Linearzeichnen und Zeichnen nach Modellen, eben so viel Stunden sind dem Unterricht in der Schnitzerei bestimmt. Die Schüler erhalten außerdem Anleitung zu selbstständigen Entwürfen von allen in das Fach der Kunstschnitzerei einschlagenden Ornamenten und Motiven. Die übrigen Stunden des Tages betreibt jeder Einzelne seine häuslichen Geschäfte. Zwischen dürftigem Ackerbau und Viehzucht theilt sich die Thätigkeit des Tages, die Zeichenstunden und der Unterricht in der Schnitzerei gelten als Erholung; Dank der anziehenden Art und Weise, wie der Unterricht zur Erholung gestaltet wird.

Wir hatten Gelegenheit, die Leistungen der Schüler zu prüfen, und gestehen gern, daß alle unsere Erwartungen übertroffen waren. Die erreichten Erfolge sind um so höher anzuschlagen, als der Lehrer genöthigt war – mit sehr wenig Ausnahmen – den Unterricht im Zeichnen mit lauter Neulingen zu beginnen, denen Bleistift und Papier in dieser Nutzanwendung bis dahin unbekannte Dinge waren. Die Regierung des Landes und der Vorstand des Vereins für Ausbildung der Gewerke in München erkannten die errungenen Resultate öffentlich an, und die unendliche Mühe zweier vollen Jahre, wie die pecuniären Opfer des Gründers erhielten dadurch den reichsten Lohn, daß die Einrichtungen sich bewährten, daß der Magistrat von Partenkirchen außer der Zeichenschule ein stattliches Local zum praktischen Unterricht im Schnitzen und Modelliren herrichtete, daß die Regierung eine jährliche bedeutende Subvention für diese Bestrebungen auswarf und die Schulen zu Districtsschulen unter oberster Leitung des Staates erhöht. Die Schnitzerschule zu Partenkirchen ist Centralschule für den ganzen Amtsbezirk Werdenfels und nimmt talentvolle junge Leute gratis als Schüler auf, um sie zu tüchtigen Holzschnitzern heranzubilden.

Zur Zeit leitet die Verwaltung des ganzen gewerblichen Unternehmens ein Verwaltungsrath unter Vorsitz des Bezirksamtmanns Fischer, welcher die ganze Angelegenheit von Beginn an mit größtem Eifer gefördert. Eine kaufmännische Commission besorgt den Vertrieb der angefertigten Schnitzwaaren und führt die mercantile Korrespondenz. Für die Beschaffung tüchtiger und zweckentsprechender Modelle können jetzt ohne Gefahr bedeutende Kosten aufgewendet werden, und die segensreiche Unternehmung hat somit, einer von allen Hülfsmitteln entblößten Gebirgsgegend einen Erwerbszweig geschaffen, welcher den natürlichen Anlagen der Bewohner und den vorhandenen Materialien des Landes vollkommen entspricht. Die drohende Verarmung jener Bergthäler scheint gehoben, der Absatz der gefertigten Schnitzwaaren, welche sich nunmehr schon kühn mit den entsprechenden Erzeugnissen der Schweiz messen können, ist in stetem Zunehmen, besonders nach Norddeutschland (vor Allem nach Berlin) haben sich die Absatzwege geöffnet. Der lebhafte Fremdenbesuch Südbaierns in den Sommermonaten unterstützt die Ausfuhr wesentlich, da der Fremde nunmehr auch hier findet, was die Schweiz als Erinnerungszeichen dem Touristen aller Orten zu bieten gewohnt ist. – In der Schweiz beschäftigt die Holzschnitzerei mehrere Tausend Menschen und ein Blick auf die mancherlei Gegenstände, welcher sich diese Industrie in neuerer Zeit bemächtigt hat, zeigt deutlich, daß dieselben Anklang und Absatz finden. Sehen wir ganz von den sogenannten Nippsachen und Spielereien ab, wir finden Holzschnitzwaaren, wie Cassetten, Holzkasten, Rahmen, Lesepulte, Verzierungen und Ornamente für Haushaltungsgegenstände, Salatlöffel, Uhrgehäuse, Spiegelrahmen, Lichtschirmträger, Necessaires, Consolen, Schreibzeuge, Näh- und Zündholzbüchsen bis zu den kleinsten Gegenständen, aller Orten in Benutzung, ein Beweis, daß diese Industrie sich festen Boden erobert hat.

Der König von Baiern lohnte die redliche Mühe und segensreiche Thätigkeit des Gründers jener Institute im Kreis Werdenfels durch einen entsprechenden Gehalt und die Verleihung des Professortitels.

Warum wir der Gartenlaube die Entstehungsgeschichte dieser gemeinnützigen Bestrebung mitgetheilt haben? Weil sich auch für anderwärts gar Vielerlei aus diesen Mittheilungen verwerthen läßt! Trägt doch ein Volksblatt in der Regel mehr zur Verbreitung nachahmungswerther Einrichtungen bei, als gelehrte Abhandlungen und bureaukratische Experimente es vermögen.

Auf dem Westerwalde, einem rauhen Gebirgsländchen am rechten Ufer des Rheines, versuchte die vormalige Regierung des Landes Nassau die Einführung der Holzschnitzerei. Sie fing aber, ähnlich der bairischen Regierung in früheren Jahren, diese Versuche bei dem Ende an; sie errichtete mit ziemlichen Kosten Schnitzerschulen, während die Zöglinge vom Zeichnen oder von dem Entwurf eines Modells auch nicht die leiseste Ahnung hatten. Erst die Grundlage und dann die Ausführung! Diese Lehre predigt die Central-Schnitzerschule zu Partenkirchen mit beredten Worten und mit beweisenden Thaten. Und diese Lehre ist auch in gleichem Sinn bei vielen ähnlichen Bestrebungen unserer Tage auf anderm Felde nicht genug zu beherzigen.

Ein Hinweis auf den Umstand, daß wir in Bezug auf Gegenstände der Holzschnitzerei nicht mehr im Auslande zu suchen brauchen, was jetzt auf bairischem, auf deutschem Boden hervorgebracht wird, dürfte vielleicht unseren Mittheilungen einen weiteren bescheidenen Werth verleihen; lenken sie doch die Blicke zugleich auf jene Hütten der bairischen Alpen, in welchen eine Stütze der Armuth und eine Pflegestätte der Kunst sich zu gleicher Zeit für die Bewohnerschaft aufgethan.




Aus meinen Erinnerungen.

Zwei Hochstapler in Berlin.
Von Franz Wallner.

In den Jahren 1855 und 1856 tauchten in Berlin verschiedene mysteriöse Persönlichkeiten auf, welche fremdem Eigenthum auf ganz originelle Weise gefährlich wurden. So zum Beispiel Constantin Simonides, von dessen traurigem Ende in Afrika im tiefsten Elend jüngst deutsche Zeitungen Kunde brachten. Er hatte durch seine großartigen Fälschungen die ganze gelehrte Welt in Athem erhalten, nachdem es ihm gelungen war, das Palimpsest des Uranios und andere Schätze der Wissenschaft so täuschend echt hinzustellen, daß selbst die sachverständigen Vorstände des Britischen Museums in London, der Universität in Oxford und der Akademie der Wissenschaft in Berlin dadurch getäuscht wurden und sich für die Falsificate viele Tausende von Thalern herauslocken ließen. Die Professoren C. Tischendorff und W. Dindorf in Leipzig hatten das

Verdienst, diesen unerhörten Betrug zu entlarven, wenn auch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 537. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_537.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)