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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

gesprochen – der zum Mörder gewordene Wilderer hatte sich selber erschossen, und seine Seele stand bereits vor einem höheren Richter! So endete der letzte Biberjäger an der Mulde; und mit ihm war und ist auch das seltene Wild verschwunden, wenigstens konnte sich nach dieser Zeit Keiner wieder rühmen, in dortiger Gegend je noch einen Biber erjagt zu haben.




Aus dem Schwanengesange eines deutschen Dichters.

Mehr als dreizehn Jahre sind vergangen, seit in dem geräuschvollen, fernen Paris ein deutscher Dichter die Augen schloß, der unter allen Schriftstellern des letzten halben Jahrhunderts den tiefsten und nachhaltigsten Einfluß auf seine Zeit geübt und, trotz vielfacher Verirrungen seines Talents und Charakters, für immer einen hervorragenden Platz in der Literaturgeschichte behaupten wird. Die Hoffmann und Campe’sche Verlagsbuchhandlung trug daher nur eine Ehrenschuld an die deutsche Nation ab, als sie nach dem Tode Heinrich Heine’s eine wohlgeordnete, möglichst vollständige Gesammtausgabe seiner Werke erscheinen ließ. Leider jedoch sah der Herausgeber der Heine’schen Werke, Herr Adolph Strodtmann, sich zu der Erklärung genöthigt, daß es ihm, trotz wiederholter Bemühungen, nicht gelungen sei, die Familie des Dichters zur gleichzeitigen Veröffentlichung der von Letzterem hinterlassenen Manuscripte zu bewegen. Die Wittwe H. Heine’s begann damit, für ein kleines Heft willkürlich ausgewählter, oftmals höchst fehlerhaft abgeschriebener Gedichte den enormen Preis von dreißigtausend Francs zu fordern, und der Bruder des Dichters, Herr Gustav Heine in Wien, welcher dessen „Memoiren“ in Händen hatte, wies jeden Gedanken an eine baldige Veröffentlichung derselben auf’s Entschiedenste zurück. Wenn man einer seither niemals widerrufenen Notiz Glauben schenken darf, welche im vorigen Jahre die Runde durch die Tagesblätter machte, so wären die „Memoiren“ H. Heine’s vor einiger Zeit, durch Vermittelung des Fürsten Richard Metternich, an die österreichische Regierung verkauft und in den Archiven der k. k. Hofbibliothek vielleicht auf immer der Kenntniß des Publicums entzogen worden. Um so erfreulicher ist die Nachricht, daß die obengenannte Buchhandlung unlängst von der Wittwe des Dichters sämmtliche in ihrem Besitz befindliche Originalmanuscripte H. Heine’s käuflich erworben und Herrn Strodtmann mit der Ordnung und Herausgabe derselben betraut hat. Herr Strodtmann hat unserem Wunsche nach Mittheilung einiger Details über den Inhalt des Heine’schen Nachlasses, der schon nächstens als Buch erscheinen wird, bereitwilligst entsprochen und mehrere charakteristische Proben der verschiedenen Bestandtheile desselben beigefügt.

Ich habe, schreibt er uns, mit unsäglicher Mühe aus dem Wust bunt durch einander geworfener Papiere, aus den oft mit zitternder Krankenhand in undeutlichen, halb verwischten Bleistiftzügen gekritzelten Originalbrouillons endlich das sämmtliche Material zu Tage geschürft und sehe mit freudigem Staunen, wie viel reines Gold der Poesie darunter befindlich ist. Selbst aus früherer Zeit ist vieles noch Ungedruckte vorhanden, und die Zeugnisse aus jeder Periode der dichterischen Laufbahn Heine’s werden durch die Veröffentlichung seines literarischen Nachlasses eine erhebliche Bereicherung erfahren. Die Gedichte, welche den Raum von eilf bis zwölf Druckbogen füllen, ordnen sich nach ihrem Inhalte und der Zeit ihrer Entstehung naturgemäß in vier Abtheilungen. Die erste derselben umfaßt Nachträge zum „Buche der Lieder“, Liebesklagen um die verlorene Jugendgeliebte, welche anfangs meist einen sentimental schwermüthigen Charakter tragen, später jedoch des bekannten satirischen Stachels nicht entbehren. Hier eine Probe der einen wie der anderen Art:

Wir wollen jetzt Frieden machen,
Ihr lieben Blümelein,
Wir wollen schwatzen und lachen,
Und wollen uns wieder freun.

5
Du weißes Maienglöckchen,

Du Rose mit rothem Gesicht,
Du Nelke mit bunten Fleckchen,
Du blaues Vergißmeinnicht!

Kommt her, ihr Blumen, jede

10
Soll mir willkommen sein –

Nur mit der schlimmen Resede
Lass ich mich nicht mehr ein.


„O, die Liebe macht uns selig,
O, die Liebe macht uns reich!“
Also singt man tausendkehlig
In dem heil’gen röm’schen Reich.

5
Du, Du fühlst den Sinn der Lieder,

Und sie klingen, theurer Freund,
Jubelnd Dir im Herzen wider,
Bis der große Tag erscheint:

Wo die Braut, mit rothen Bäckchen,

10
Ihre Hand in Deine legt,

Und der Vater, mit dem Säckchen,
Dir den Segen überträgt.

Säckchen, voll mit Geld, unzählig
Linnen, Betten, Silberzeug –

15
O, die Liebe macht uns selig,

O, die Liebe macht uns reich!

Den persönlichen Abschluß dieser unvergessenen Liebesepisode bildet folgendes originelle Gedicht, welches Heine bei seinem zweiten Besuche in Deutschland am 5. September 1844 dem fünfjährigen Töchterchen seiner Jugendgeliebten für deren Album auf einen hübsch verzierten Briefbogen schrieb:

Ich seh’ Dich an und glaub’ es kaum –
Es war ein schöner Rosenbaum –
Die Düfte stiegen mir lockend zu Häupten,
Daß sie mir zuweilen das Hirn betäubten –

5
Es blüht hervor die Erinnerung –

Ach! damals war ich närrisch und jung –
Jetzt bin ich alt und närrisch – Ein Stechen
Fühl’ ich im Aug’ – Nun muß ich sprechen
In Reimen sogar – es wird mir schwer,

10
Das Herz ist voll, der Kopf ist leer!


Du kleine Cousinenknospe! es zieht
Bei Deinem Anblick durch mein Gemüth
Gar seltsame Trauer, in seinen Tiefen
Erwachen Bilder, die lange schliefen –

15
Sirenenbilder, sie schlagen auf

Die lachenden Augen, sie schwimmen herauf
Lustplätschernd – die Schönste der ganzen Schaar
Die gleicht Dir selber auf ein Haar.

Das ist der Jugend Frühlingstraum –

20
Ich seh’ Dich an und glaub’ es kaum!

Das sind die Züge der theuren Sirene,
Das sind die Blicke, das sind die Töne –
Sie hat ein süßkrötiges Stimmelein,
Bezaubernd die Herzen groß und klein.

25
Die Schmeicheläuglein spielen in’s Grüne,

Meerwunderlich mahnend an Delphine.
Ein bischen spärlich die Augenbraun,
Doch hochgewölbt und anzuschaun
Wie anmuthstolze Siegesbogen –

30
Auch Grübchenringe, lieblich gezogen

Dicht unter das Aug’ in den rosigen Wänglein –
Doch leider weder Menschen noch Englein
Sind ganz vollkommen – das herrlichste Wesen
Hat seine Fehler, wie wir lesen

35
In alten Märchen. Herr Lusignan,

Der einst die schönste Meerfee gewann,
Hat doch an ihr, in manchen Stunden,
Den heimlichen Schlangenschwanz gefunden.

In der zweiten Abtheilung der Gedichte begegnen uns zum Theil Lieder, welche vorwiegend den sinnlichen Genuß in der Liebe verherrlichen und der Mehrzahl nach an die Kitty oder Katharina der „Neuen Gedichte“ gerichtet sind, während die reizende Einfachheit anderer an den „Neuen Frühling“ erinnert. So das folgende:

Es erklingt wie Liedestöne
Alles, was ich denk’ und fühl’.
Ach! da hat der kleine, schöne
Liebesgott die Hand im Spiel.

5
Der Maëstro im Theater

Meines Herzens ist er jetzt,
Was ich fühl’ und denke, hat er
Gleich schon in Musik gesetzt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 633. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_633.jpg&oldid=- (Version vom 19.10.2022)