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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


waltet jene seltsame Mischung von Eifer und Langeweile, wie sie eben nur schwermüthige Regentage zuwege bringen.

Andere wieder ziehen jenes seltsame, mit Schadenfreude gemischte Vergnügen vor, von der trockenen Altane aus zuzusehen, wie noch fortwährend nasse Mitmenschen ankommen, die einen in der duftenden Lederkutsche, die andern auf eigenen Füßen – Alle als die geschlagenen Truppen des Vergnügens. Solch’ eine Procession sieht aus, als ob sie für die sieben Werke der Barmherzigkeit hergerichtet wäre, aber die heutige Welt hat kein Erbarmen mehr.

Gewöhnlich wird es gegen Abend ein wenig heller, und dann benützt man die lichten Zwischenräume dieses wahnsinnigen Regens zur Schlußpromenade. Männlein und Weiblein spazieren hintereinander, als ob sie eben aus der Arche Noah entschlüpft wären; Fräulein schwingen sich mit Zartgefühl über die Pfützen; die Buben aber üben das Horazische ire in medias res, indem sie mitten in den Schmutz springen. Ganze Karawanen begegnen sich also in der Dämmerstunde und ihr gemeinsames Thema ist, daß es morgen hoffentlich besser wird. Auch der Wirth ist dieser Meinung, und hat sich deshalb einen zerbrochenen Barometer gekauft, der ein für alle Mal auf Schön Wetter zeigt. Daher sein Name: Trostbarometer.

Nun muß noch der Abend überstanden werden. Für diejenigen, welche zu Hause, das heißt in den Bauernhäusern bleiben, welche ihnen für die Sommerzeit ein an Comfort nicht eben reiches Gelaß geboten haben, beginnen um halb acht Uhr die Mysterien des Schlafrocks und der Pantoffeln, sie organisiren in der gemieteten Bauernwohnung ein rudimentäres Souper mit Familienleben. Die zinnernen Teller des Hausherrn fühlen sich nicht wenig geschmeichelt, daß sie zur Aushülfe gezogen werden, desgleichen die Trinkgefäße, welche auf Rosen und Vergißmeinnicht wandeln. Denn dieser fromme Spruch, in Blumensprache geschrieben, fehlt selten auf den Tassen einer ländlichen Hauseinrichtung. Schlag acht Uhr wird der jüngste Sprößling in einer Commodeschublade oder in dem großen Koffer zu Bett gebracht, dann kommt die Friedenspfeife des Papa und das mütterliche Strickzeug.

Ganz anders ist es bei denen, die „ausgehen“. Da sind in dem langen Wirthshaussaal die Tische dicht besetzt, Kopf an Kopf, Köpfchen an Köpfchen. Und namentlich die Mienen der letzteren haben sich nun doch schon ein wenig aufgeheitert, denn heute hat man in der Wirthsstube eine Clavierruine entdeckt, wie sie im bairischen Gebirge schon ziemlich häufig zu finden ist, und was bedarf es mehr? „U. A. W. G.“ – „und Abends wird getanzt“! Man kennt sich, man braucht sich, man liebt sich sogar stellenweise, also ist diese Idee formell zulässig und materiell begründet. Schnell werden die Tische bei Seite gerückt, und da Niemand anfangen will, weil die Einen zu alt und die Anderen zu jung sind, so fängt Alles auf einmal an. Mit Schrecken gewahren die Schlummernden der untern Etage diese sociale Revolution. Sie hören schreien. „Parisienne, Polkamazur’, Vis-à-vis, Cotillon!“ und dies letzte Wort ist ihr Todesstoß. Die Honoratioren aber, welche an ihrem unantastbaren conservativen Ecktisch sitzen, schauen mit Staunen auf den gottlosen Jubel der Stadtkinder.

Und so kann nun die Mitternacht herankommen, bis die Mütter schläfrig und die Töchter vernünftig werden. Der Vater mag treiben, so viel er will: nur mit Widerstreben eilt man von dannen, da man schon unter der Thür zurückprallt vor dem wüsten Lärm der Regennacht. Auf den engen Dorfwegen, zwischen den perfiden Spitzzäunen wird nach Hause geklettert; die kleine Handlaterne verlischt auf halbem Wege und der Galant, der die Damen begleitet, benutzt mit Vergnügen den Nothstand, um den Arm der Dulcinea zu erhaschen. Endlich knarrt die Hausthür und die feuchten Schatten sind hinter derselben verschwunden.

Alles ist zur Ruhe gegangen.

„Horch nur, wie es gießt,“ sagt die Mutter zum Vater und dieser schüttelt den Kopf und spricht:

„’S ist doch infam hier auf dem Lande.“

„Horch nur, wie es gießt,“ sagt die ältere Schwester zur Kleinen, aber diese schüttelt den Kopf und spricht:

„’S ist doch famos hier auf dem Lande.“

Und sie hat Recht: es ist herrlich auf dem Lande, es ist herrlich in den Bergen und trotz Regen und Regenwetter werden wir die Fahrt zu ihnen wiederum wagen, sobald die Lüfte auf’s Neue warm und Wald und Wiese auf’s Neue grün geworden sind; die Sonne aber wird siegreich auf Wald und Wiesen, auf Bergen und Höhen liegen und wir werden unendlich froh und glücklich sein.




Blätter und Blüthen.

Französische Banknoten. Das Papiergeld des Landes und der Banken gegen Fälscher zu schützen, ist das allgemeine Streben sämmtlicher Staaten. Unter den verschiedenen Systemen, welche man zu diesem Zwecke gewählt hat, ist das französische wohl das künstlichste. Man giebt die Banknoten in Gruppen oder sogenannten Alphabeten aus, von denen jedes fünfundzwanzigtausend Stück enthält, so daß auf jeden der fünfundzwanzig Buchstaben tausend Stück kommen, und numerirt die Alphabete der Reihenfolge nach. Jede Note hat nicht blos gewisse Bezeichnungen, welche sie von allen anderen unterscheiden, sondern trägt auch eine Zahl, welche angiebt, wie viel Noten desselben Werths bereits ausgegeben sind. Nehmen wir eine Tausend-Franken-Note zum Beispiel. Sie enthält das vollständige Datum ihrer Ausgabe: 25. Mai 1869; in zwei Ecken bezeichnet die Zahl 32 das zweiunddreißigste Alphabet, während ein T auf den bestimmten Buchstaben jenes Alphabets hinweist. In den beiden anderen Ecken steht die Zahl 369 und sagt, daß diese Note die dreihundertneunundsechszigste im Buchstaben T ist, und die Zahl 0,793,369 giebt an, daß am 25. Mai 1869, dem Datum dieser Note, 793,369 Banknoten, jede zu tausend Franken, gedruckt und ausgegeben waren. Unser Beispiel wird gezeigt haben, daß nicht zwei Banknoten einander vollständig ähnlich sein können, und schon dieser Umstand ist ein mächtiger Schutz gegen Fälschung.

Alles, was mit der Anfertigung der Noten in Verbindung steht, wird mit außerordentlicher Vorsicht behandelt. Das Papier wird in der Nähe von Coulommiers in einer Papiermühle gemacht, die keine andere Arbeit vornehmen darf. Ein Aufsichtsbeamter, den die Bank besoldet, verläßt die Fabrik nie. Das Papier wird mit der Hand und in ganz kleinen Stücken von der Größe der Banknoten gemacht. Jede Note trägt ein Wasserzeichen, welches nach einem gewissen Systeme wechselt. Alle Papierstücke werden hinsichtlich ihrer Stärke, Größe und Reinheit genau geprüft und so sorgfältig gesichtet, daß von je hundert sechszig verworfen und zur Stampfe geschickt werden. Die tadellosen Blätter werden von dem Aufsichtsbeamten in eiserne Kasten gepackt, verschlossen, versiegelt und der Bank von Paris zugeschickt, wo man sie einer zweiten Prüfung unterwirft. Haben sie auch diese bestanden, so legt man sie in einen größern Kasten von starkem Eisen mit zwei Schlössern. Zu jedem Schloß hat ein höherer Beamter, der Generalsecretair und der Controleur, einen Schlüssel, und ohne das Zusammenwirken dieser beiden Herren können die kostbaren Papierstückchen nicht aus dem Kasten genommen werden.

Mit noch größerer Sorgfalt als das Papier werden die Platten behandelt. An der Stahlplatte, die bei der Herstellung der heutigen Tausend-Franken-Noten benutzt wird, hat Herr Barre drei Jahre gearbeitet. Von dieser Platte nimmt man Elektrotypen, von denen jede fünfzigtausend Abdrücke liefert, ehe sie sich abnutzt. Bei Banknoten von geringerm Werth nimmt man die Photographie zur Hülfe. Man entwirft eine Zeichnung in großem Maßstabe, nimmt von ihr eine verkleinerte Photographie, gravirt nach derselben eine Platte und macht nun elektrotypische Abgüsse. Das Hinzuziehen der Photographie soll das Verfahren schneller, sicherer und wohlfeiler machen. Die Platte für die heutigen Hundert-Franken-Noten ist so fein gearbeitet, daß ihre Herstellung fünf Jahre gekostet haben soll.

Wenn neue Noten gedruckt werden sollen, so übergiebt man dem Factor der Druckerei eine entsprechende Anzahl der sorgfältig vorbereiteten und aufbewahrten Papierstücke. Diese Druckerei befindet sich in einem der neuen Gebäude der Bank von Frankreich und steht unter der strengsten Aufsicht. Die Arbeiter sind lauter ausgesuchte Leute, geschickt, fleißig und verschwiegen. Die Papierstückchen, die Druckerfarbe und die Abgüsse von den Platten werden bis zu dem Augenblick, in dem man sie braucht, unter sicherem Verschluß gehalten. Der Druck erfolgt auf Dampfpressen. Die Druckerfarbe ist blau und nur wenige Beamte kennen ihre Bestandtheile. So lange gearbeitet wird, macht ein Aufseher die Runde und beobachtet jede Presse, jeden Arbeiter und jede Handlung. Zum Druck der wechselnden Zahlen auf den einzelnen Noten dient eine besondere Presse, die so sinnreich eingerichtet ist, daß sie tausend Banknoten hintereinander druckt und die Lettern mit den Zahlen selbst wechselt. Man braucht sie kaum zu berühren, denn auch das Fortschieben der fertigen Banknote und das Unterlegen einer neuen besorgt sie allein. Nach jeder der vorkommenden Arbeiten wird die Banknote geprüft. Es wird so genau Buch geführt, daß stets ein Register zur Hand liegt, aus dem man ersieht, wie viele Banknoten seit der Gründung der Bank von Frankreich wegen Fehler im Papier, im Druck oder im Numeriren verworfen worden sind. Wenn der Factor seine fertigen Pakete abgegeben hat, so wird jede Banknote mit den Namensunterschriften des Generalsecretairs und des Controleurs gestempelt. Nun ist sie fertig und wird in einen eisernen Schrank gelegt, zu dem die beiden genannten Beamten die Schlüssel haben und in dem sie bis zum Tage der Ausgabe bleiben. Diese erfolgt erst, nachdem der Hauptcassirer an den Director berichtet hat, daß er neue Noten einer gewissen Classe braucht, worauf der Director

dem Verwaltungsrath Mittheilung macht und der letztere den Generalsecretair und den Controleur ermächtigt, ihren eisernen Schrank aufzuschließen und die verlangten Noten abzuliefern. Eigentliches Geld sind

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 705. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_705.jpg&oldid=- (Version vom 5.11.2022)