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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

No. 48.   1869.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Die Gasselbuben.

Geschichte aus den bairischen Vorbergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


„Hast schon wieder Recht, Schwiegersohn,“ rief der Bauer. „es braucht kein Mensch zu wissen, was wir miteinander haben. ... Also in vier Wochen ist Hochzeit, wenn’s Dir recht ist ... und nit wahr, das Andre ... das wie wir heut’ zusammenkommen sind, das bleibt auch unter uns ...“

„Versteht sich,“ betheuerte Domini, „wie werd’ ich denn meinen Schwiegervater verrathen ... wir sind ja jetzt Ein Herz und Eine Seel’ ... und Ein Beutel ... ,“ setzte er für sich hinzu, während der Alte die eben eintretenden Bauern lärmend herbeirief und sie einlud, seine Gäste zu sein. Der Tiroler Wein wollte schon nicht mehr genügen, der Wirth mußte besseren auftischen, und that es bald mit einer Sorte, von der er hoch und theuer versicherte, daß eine solche im königlichen Hofkeller nicht zu finden sei.

Die Wirkung war mindestens eine baldige und allgemeine; Alles lachte und sprach durcheinander, Domini aber griff in die Cither und sang nach einer lustigen Weise.

„Wenn i unser Herrgott war’,
G’höret’ d’ Welt mein,
Ich machet’ aus’m Wasser
Lauter solchenen Wein ...

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und die Berg’ müßten nacha

von Kletzenbrod sein;
Da nahm’ ich ’n Wendelstoa
und brocket ’n ein!“

Lärmender Beifall lohnte den Sänger und Alles stimmte zu lauter Wiederholung ein, der Feichtenbauer aber, dessen Gesicht immer mehr zu glühen begann, lachte und sang am lautesten; dann schlug er auf den Tisch und rief: „Kreuzbirnbaum, so ist es recht, so laß’ ich mir’s gefallen! Aufg’rebellt, Ihr Leut’, es ist nur schad’, daß keine Musikanten da sind! Heda, Wirth, eine andere Flasche!“ fuhr er fort, indem er die auf dem Tische stehende ergriff und in die Höhe hob, als wolle er sie wegwerfen.

„Was thust denn, Feichtenbauer?" rief einer der Zecher und hielt ihm den Arm, „sie ist ja noch halb voll!“

„Was schadet's?“ rief der Bauer sich losmachend entgegen und schleuderte die Flasche an die Wand, daß der rothe Wein daran herunter auf die Diele floß. „Bring’ eine andere, Wirth, bring’ gleich ein halbes Dutzend auf einmal, damit’s doch der Müh’ werth ist! Besinn’ Dich nit so lang ... ich kann’s zahlen!“ Dabei hatte er einen vollen ledernen Zugbeutel hervorgeholt und stürzte ihn auf der Tischplatte um, daß die Gulden und Thaler umher kollerten. „Da nimm Dir, dummer Kerl! Was kost’ Deine ganze Wirthschaft? Lang’ zu – ich hab’ genug daheim solchen Pfifferling!“

Der Wirth brachte das Verlangte, aber er schüttelte den Kopf und schob dem Bauer die zusammengelesenen Thaler zurück. „Das braucht’s nit, Feichtenbauer,“ sagte er, „wir werden schon gleich miteinander, bei Dir hat’s gute Weg’! ...“

„Kreuzbirnbaum,“ rief dieser erfreut, „so ist’s recht - so hör’ ich’s gern! Sollst leben, Wirth!“ Er schob ihm ein gefülltes Glas hin, stieß mit ihm an und stürzte das seine in einem Zuge aus.

„Du bist heut’ gut aufgelegt,“ sagte einer der Bauern lachend; „wenn Du so fort machst, kannst Du Dich gut auswachsen!“

„Geht’s Dich was an?“ rief der Feichtenbauer entgegen, dessen zornmüthiges Wesen durch den vielen Weingenuß noch gesteigert war. „Ich kann mehr Wein in meinen Stiefeln vertragen, als Du in Deinem ganzen Leben nur zu sehen kriegst ... und wenn ich mir einen Rausch trinken will, so kann ich’s zahlen, verstehst Du mich, Du Zaunschnipfer, Du!“

Der Angegriffene wollte gereizt entgegnen und es wäre wohl kaum noch gelungen, den Frieden zu erhalten, wäre nicht gerade im rechten Augenblick eine Unterbrechung von außen dazwischen gekommen, indem lautes Juchzen und bäurisches Singen von der Straße herein erscholl.

Eine Schaar junger Bauernbursche kam gegen die Anhöhe heran, alle mit den Armen aneinander angefaßt, daß sie eine Kette über die volle Breite der Landstraße bildeten. Einer, der der Anführer zu sein schien, sang in hohen kreischenden Fisteltönen vor:

„Wir san (sind) halt die Oachen’ (Eichenen),
Wir thun, was wir woll’n,
Und wer uns was einred’t,
Der Teufel soll’n hol’n!“

Die Uebrigen schrieen im wüsten Chore nach und abwechselnd folgte ein Anderer als Vorsänger:

„Wir Hüglinger Buben san
Von hoanbüchen (hainbuchen) Holz;
Kommt’s her, wer a Schneid’ hat,
Zum Raffa (Raufen) wenn’s wollt’s!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 755. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_755.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)