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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

„Hinter meinem Rücken? Noch dazu mit einem solchen hergelaufenen Menschen … mit einem …“

Er machte Miene, sie zu fassen, als die Thür aufging und Wendelin nichts ahnend eintrat, erhitzt vom Laufen und von der Bewegung mit den Hüglinger Burschen; kaum war der Bauer seiner ansichtig geworden, als er wie ein losgekommener Kettenhund auf ihn zusprang und ihn mitten in die Stube vor Christel hinzerrte. Der Bursche wollte fragen, was das zu bedeuten habe, aber das Mädchen rief ihm zu: „Schweig’ still, Wendel – der Vater weiß Alles, aber er will’s nit zugeben und hat mich dem Domini versprochen, aber deswegen bleiben wir doch die Alten – ich halt’ mein Wort besser als andere Leut’!“

„So? Föppeln willst mich auch noch?“ tobte der Bauer. „Jetzt will ich Dir ein Wort sagen, Madel, und das will ich besser halten, als das andere … der Domini wird Dein Mann und kein anderer kommt mir auf den Feichtenhof, eher zünd’ ich ihn an mit eigener Hand, daß er auf Grund und Boden niederbrennt! … Du gehst jetzt mit mir, Christel … ich will Dich schon verwahren und besser als bis jetzt, wo ich geglaubt hab’, ich darf Dir trauen … den nichtsnutzigen Knecht aber, der hinter meinem Rücken mit meiner Tochter anbandelt und sich in mein Sach’ hineinschleichen möcht’, den jag’ ich fort. … Da hast Deinen Lohn,“ fuhr er fort, indem er ihm eine Hand voll Thaler vor die Füße warf, „und wenn Du Dich auf tausend Schritt weit noch auf dem Feichtenhof blicken laßt, dann schieß’ ich Dich nieder, wie einen wüthigen Hund. … Mach, daß Du fortkommst, oder ich vergreif’ mich an Dir, Du Bettelkerl, Du spitzbübischer …“

„Feichtenbauer …“ stammelte Wendel, bald bleich, bald roth, beinahe sinnlos von dem ungeheuren und plötzlichen Sturz aus den Höhen des reinsten Glücks in den Abgrund völliger Vernichtung, „sag’ so was nit – ich vertrag’s nit.“ …

„Wer will mir’s wehren?“ rief der Bauer. „Ist es etwa nit wahr? Hast Du Dich nit in mein Haus geschlichen, wie ein Dieb? Hast Dich nit hineinlügen wollen, wie ein rechter Betrüger? … Aber ich hab’ mir’s gleich gedacht, denn Du hast kein Christenthum und ein solcher Mensch ist zu jeder Schlechtigkeit fähig.“ …

Wendel wäre auf ihn losgestürzt, hätten ihn nicht einige Bauern abgehalten. mit ihnen ringend rief er ihm zu: „Nimm Deine Wort’ zurück, Feichtenbauer. Ich bin arm und wenn Du mir das vorwirfst, ist das keine Schand’ für mich, aber ich hab’ nie was Unrechts gethan und bin meiner Lebtag ein ehrlicher Kerl gewesen … ich laß’ mich nit schlecht und zu keinem Spitzbuben machen und wenn’s der König oder der Kaiser wär’. … Nimm’s zurück, sag’ ich, oder es wird nit gut.“ …

Mit der Uebermacht der Verzweiflung gelang es ihm jetzt, sich loszumachen; er stürzte auf den Bauer zu – aber er erreichte ihn nicht, Christel stand abwehrend vor ihm.

„Wendel – es ist mein Vater …“ sagte sie mit voller Liebe in Ton und Blick. Aber der Verblendete hatte nicht Auge noch Ohr mehr dafür und erkannte in ihrer Abwehr nur, daß auch sie ihm entgegentrat und sich also von ihm lossagte.

„So?“ rief er außer sich, während die Anwesenden ihn umringten und zur Thür drängten. „Bist Du auch schon wider mich – ist die Ewigkeit schon vorbei und die Lieb’? Meinetwegen … aber es soll Euch geschworen sein, daß ich das nicht vergeß’!“ … Noch auf der Schwelle wandte er sich zurück und rief, die Faust erhebend und mit gellender Stimme: „Das ist Dir nicht geschenkt, Feichtenbauer – an den Spitzbuben sollst Du mir denken!“

Das Herz der armen Christel drohte in Stücke zu gehn – wie gern wäre sie dem Geliebten nachgeeilt, um ihn zu beruhigen – aber zu dem Vater rief sie die nähere Pflicht; erschöpft von den ungewohnten und übermäßigen Anstrengungen des Zorns wie der Betrunkenheit, fühlte dieser sich plötzlich von vollständiger Abspannung und Schwäche befallen. Lallend und bewußtlos brach er zusammen und mußte in ein Nebenzimmer gebracht werden, wo er erst allmählich wieder zu sich kam, um dann in tiefen betäubungsähnlichen Schlaf zu versinken.

Schweigend saß die Tochter an der Seite des Lagers und starrte durch die Thränen, die ihr Auge verschleierten, in den Regen und Sturm hinaus, mit welchem draußen ein heftiges Gewitter niederging – das unerwartet unfreundliche Ende des so schön begonnenen Tages.

Domini hatte sich längst unbemerkt davon gemacht.

Es war später Abend, als der Bauer sich so weit erholt hatte, die Heimfahrt antreten zu können. Wortlos bestiegen Vater und Tochter den Wagen, schweigend fuhren sie in die Dämmerung hinein; die Sonne war bereits im Untergehn und ließ auf den letzten Gewitterschauer, der wie ein Gürtel am Wendelstein sich hinzog, einen Regenbogen erstehen. …

Als sie zwischen finsteren Wäldern das Hügelland hinanfuhren, wo der Feichtenhof lag, war die Dunkelheit vollständig eingebrochen; nun hatten sie noch eine schwarze Waldecke zu umfahren, welche scharf umrissen in den dunkelblauen Nachthimmel hinein ragte.

„Jesus Maria! Was ist das?“ rief Christel, plötzlich zusammenschreckend. „Dort hinter dem Wald – was ist das für ein rother Schein?“

„Es ist nichts,“ erwiderte der Bauer dumpf, „der Mond wird aufgehn …“

„Nein nein,“ rief sie wieder, „für den Mond ist es zu früh … der müßte dort auf der andern Seite herauf kommen.“ …

Sie rollten um die letzte Tannenspitze.

„Heiliger Gott … es brennt … das ist der Feichtenhof,“ rief Christel; der Bauer sank mit einem dumpfen Laut in den Wagen zurück.

Vor ihm lag das stattliche Gehöft, die schöne reiche Heimath – schauerlich erhellt von den prasselnden Flammenzungen, die von allen Seiten aus Dach und Fenster hervorloderten und hoch darüber in dem schwarzen Nachthimmel wie triumphirend zusammenschlugen!




3.0 Gasselgehn.

Der Morgen stieg in voller Frische und Schönheit herauf über der verschönten und erfrischten Erde, und die Sonne kam mit so siegesgewissem Glanze, als sei es eine Unmöglichkeit, von anderen als fröhlichen Gesichtern begrüßt zu werden, als könne vor ihrer belebenben Helle keine dunkle Stelle, kein nächtlicher Flecken zurückbleiben; dennoch wollte auch vor den goldigsten Strahlen, womit sie die Baumkronen und Tannenwipfel übergoß, das unheimlich finstere Bild nicht weichen, das der Feichtenhof in seiner Zerstörung bot.

Weit herum auf der Wiesenfläche, durch welche der Weg wie durch einen Vorgarten zwischen Nußhecken, Schlehenstauden und Hagrosenbüschen zum Gebäude führte, war das schöne Gras im üppigsten Wuchse von den Füßen der zum Löschen herbeigekommenen Landleute zertreten und niedergeschleift von den Rädern der Spritzen und Wasserkufen, die rettend und helfend sich darauf herumgetummelt hatten. Näher hinan, zur rechten Seite, wo der Obstgarten lag, streckten einige mächtige Apfelbäume, an Wuchs und Edelfrucht der Schmuck und Stolz des Gehöftes, die schwarzgekohlten Aeste empor, wie Arme, welche im Ringen um Hülfe von der Vernichtung erreicht worden waren; links stieg eine riesige Fichte von seltener Schönheit hinan, ein kräftiger Stamm, den jeder Holzkundige gleich auf den ersten Blick für einen Achtziger schätzte, das uralte Wahrzeichen des Hofes, das ihm den Namen gegeben – auch sie war von der neidischen Flamme nicht verschont geblieben; die riesigen Aeste, die wie grüne Gewinde herniederhingen, waren versengt, und der heiße Athem des züngelnden Ungeheuers hatte auch den Stamm erreicht, daß die gebrannte Rinde geborsten und das geschmolzene Harz daraus hervorgequollen war, wie dunkle Thränentropfen. Mitten zwischen allen den Spuren der Vernichtung lag der eigentliche Heerd des Unglücks, das vor wenig Stunden noch so stattliche Hofgebäude, von dem nichts übrig geblieben war, als zerrissene rauchgeschwärzte Mauern, aus denen die leeren Fenster unheimlich, gleich erloschenen Augen, starrten, und um welche hie und da Trümmer des verkohlten Gebälks wie Verzierungen niederhingen, mit denen sich der Wahnsinn geschmückt; rings umher wie um den Krater eines Vulcans waren Stämme, Schutt und Gebälk gehäuft, und von innen stieg eine wirbelnde Rauchsäule empor, als schwarze Siegesfahne, die das triumphirende Element über der vollbrachten Zerstörung schwang.

Die Luft war weithin mit jenem eigenthümlichen Geruch erfüllt, welcher einen stattgehabten Brand verkündet, zumal wenn derselbe auch Futter- und Fruchtvorräthe ergriffen hat, wie sie hier in Rückgebäude und Scheune aufgespeichert gewesen und nun unter deren Trümmern verbrannt und verschüttet lagen. Die Körnerhaufen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 773. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_773.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)