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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


und die dichtgeschichteten Halme dampften und qualmten noch und die Landleute hielten dieselben umringt als Wachen, falls die verborgene Gluth versuchen sollte, noch einmal in helle Flammen auszubrechen. Auf halb verbrannten Balken und den wenigen Stücken geretteter Geräthschaften saßen und kauerten dieselben umher, plauderten von dem raschen und wilden Verlauf des Brandes, ergingen sich in Muthmaßungen über die Art seines Entstehens und erzählten sich wechselnd die von Jedem wahrgenommenen Einzelheiten, wie das Feuer im Wohnhause und den damit zusammenhängenden Wirthschaftsgebäuden zugleich ausgebrochen sein müsse, und wie, als es den Herbeieilenden möglich geworden, den entfernt und abseits liegenden Einödhof zu erreichen, die Flammen bereits von allen Seiten emporgeschlagen hatten; wie die Knechte und Mägde beschäftigt gewesen, das Vieh in den Ställen loszumachen und herauszujagen, was dennoch nicht vollständig gelungen, weil, von der ungewohnten Helle geblendet, einige Rinder und ein paar schöne Füllen nicht herauszubringen waren, und wie schauerlich es gewesen, durch das Knistern und Prasseln der Flammen, das Getöse der stürzenden Wände und Balken, durch das Rufen der Arbeitenden, das angstvolle Blöken und Wiehern der verbrennenden Thiere hören zu müssen und ihnen nicht helfen zu können.

Etwas zurück hinter dem Obstgarten stand ein kleines, durch seine Entfernung unversehrt gebliebenes Haus, mit gemauertem Erdgeschosse, sonst aber einfach und ärmlich aus Holz gefügt; das sogenannte Zubauhaus, in welchem bei großen Gütern die Tagelöhner zu wohnen pflegen, welche ständig daselbst in Arbeit stehn und nicht selten als Hintersassen darauf geheirathet haben, das aber manchmal auch dem Besitzer als bescheidener Aufenthalt dient, wenn er das Gut den Kindern überlassen und sich „in den Austrag“ zur Ruhe begeben hat. Es bot jetzt dem Feichtenbauer eine zwar unwillkommene, aber gar nicht unwohnliche Herberge und Unterkunft. Eine Magd ging aus demselben hin und wider, um von den kargen geretteten Vorräthen den Rettern einen Morgenimbiß zu bringen, dessen sie nach einer in Arbeit und Gefahr überstandenen Nacht um so mehr bedurften, als auf die ausgestandene Gluthhitze die Morgenkühle doppelt empfindlich war und ein Glas kräftigen Kirschgeist mit einem Stück schwarzen Brodes zweifach willkommen erscheinen ließ. Die derbe vollwangige Dirne, die hochgeschürzt und mit ihren Reizen nicht kargend die Runde machte, schien durch das vorgefallene Unglück keineswegs gebeugt, obwohl, wie sie mit lachendem Munde erzählte, auch ihre ganze Habe in Rauch aufgegangen war.

„Man merkt Dir ’s an, Susi,“ rief lachend einer der Bursche, dem sie eben das Glas wieder füllte, „daß Dir Dein Gewand mit verbrunnen (verbrannt) ist … Du hast nichts mehr anzuziehen und bist bald wie Deine Namensschwester, die keusche Susanna!“

Das Gelächter, in das die leichtsinnige Dirne selbst einstimmte, brach ab und das Gespräch wurde leiser, als aus den rauchenden Trümmern eine Gestalt herangewankt kam, die wohl geeignet war, zum Ernste und zum Mitleid zu stimmen.

Es war der Feichtenbauer, auf einen Stock gestützt, gebeugt und kaum im Stande, sich aufrecht zu halten; er schien die Anwesenden gar nicht zu gewahren und starrte zu Boden, indem er mit Fuß und Stock hie und da den Schutt untersuchte und die Steine auseinander schob, als ob er etwas Verlorenes wiederzufinden hoffe.

„Dem hat die Geschicht’ auch das Kraxel herunter gethan,“ sagte halblaut einer der Bauern, der unter den Zechern des vorigen Tages gewesen war, „er sieht aus wie ein Gespenst und wird zu thun haben, wenn er sich wieder zusammenklauben will!“

„Das ist wohl kein Wunder,“ erwiderte ein Anderer, „Du thätst wohl auch zusammenklappen wie ein Taschenmesser, wenn Dir ein solcher Prachthof abgebrannt wär’!“

„Gewiß,“ sagte der Erstere wieder, „ein Unglück ist’s allemal, und der Feichtenbauer hätt’ gestern gewiß nit so herumgeworfen mit den Kronenthalern, wenn er gedacht hätt’, daß es so gehen thät! Aber ein Mann wie der kann sich leicht wieder helfen … er wird schon gut in der Versicherung sein und hat auch ohnedem Geld genug! Man weiß ja, daß er keinem Menschen einen Kreuzer gegeben und keinen Gulden ausgeliehen, sondern Alles zusammengekratzt und verscharrt hat …“

„Da schaut hin,“ rief der Andere, indem er auf das Zubauhaus deutete, in dessen Thür Christel erschien, „da kommt die Tochter! Das ist halt eine resolute Person! Es geht sie doch gerade so nahe an, aber sie laßt sich’s nit anmerken und schaut so kuraschirt und fest darein wie zuvor … nur die Backen, mein’ ich, die sind nit so röselet (rosengleich) wie sonst …“

Die Beobachtung des Bauers war vollkommen richtig, das Mädchen trug noch das stattliche Gewand des vorigen Tages, das in seiner Pracht und Zier einen traurigen Gegensatz zu der sie umringenden Zerstörung bot. Auch sie selbst war unverändert, aber ihr Angesicht war blaß und um die Augen hing ein Gewölk, welches von vergossenen Thränen erzählte und noch mehr von solchen ahnen ließ, die erst vergossen werden sollten.

Sie trat zum Feichtenbauer, der noch immer wie geistesabwesend in die rauchenden Trümmer starrte, und faßte ihn am Arm. „Komm’ herein, Vater,“ sagte sie, „die Morgenluft ist kalt und Du bist schlecht verwahrt – es könnt’ Dir schaden …“

„Schaden?“ erwiderte der Alte bitter. „Was sollt’ mir noch schaden! Ich wollt’, es hätt’ mich gleich beim ersten Anblick der Schlag getroffen, dann läg’ ich auch da bei meinem Hof und hätt’ Ruh’ und wüßt’ von Allem nichts mehr!“

„Sollst nit so reden, Vater,“ sagte sie ernst, „ich mein’, Du wärst wohl nicht in der rechten Verfassung gewesen, wenn Dich unser Herrgott gestern vor sich gefordert hätt’ durch einen jachen Tod … Er wird wohl wissen, warum er uns die schwere Heimsuchung geschickt hat …“

„Unser Herrgott? Der weiß nichts von Allem!“ rief der Bauer, einen Augenblick in seiner ganzen alten Wildheit auflodernd. „Das hat unser Herrgott nit gethan … das ist ein Spitzbub gewesen, ein Mordbrenner, von dem er so wenig weiß, als er von ihm. … Es ist jetzt Alles Eins … aber ich wollt’ barfuß bis Altötting gehn, wenn ich die einzige Gnad’ erbitten könnt’, daß ich den Böswicht in meine Hand bekäm’, den elenden! Ich muß ihn auch herauskriegen, und es ist so gut, als wenn ich ihn schon hätte … ich weiß, das hat kein anderer Mensch gethan, als der Schuft, der Wendel … er hat mir’s ja gedroht, es ist sein letztes Wort gewesen, daß ich an ihn denken soll!“

„Vater …“ sagte Christel entrüstet und zugleich von einem Gefühl unsäglicher Bitterkeit durchzuckt, die sie sich selbst nicht zu erklären vermochte, „besinn’ Dich und lad’ zu der Sünd’ und dem Unrecht nit auch eine so schwere Verantwortung auf Dich! Was der Wendel gestern gesagt hat, hat er im Zorn gesagt – in der Hitz’, wo er selber nimmer gewußt hat, was er red’t, aber wenn sie vorbei ist, ist er der beste Mensch, der keinem Kind was zu Leid thun könnt’! So was thut der Wendel nit - ich kenn’ ihn besser und steh’ gut dafür …“

„Ja, das glaub’ ich wohl, daß Du ihm die Stang’ halt’st,“ entgegnete höhnisch der Alte, „ich kann mir’s auch an den Fingern abzählen, wegen was das geschieht … aber Gott sei Dank! ein Riegel, daß er nicht wieder auf den Feichtenhof kommt, der ist ihm für alle Fäll’ geschoben!“

(Fortsetzung folgt.)




Noch ein Waldecker.

Vor etwa vierzehn Tagen wurde zu Berlin das Denkmal Schinkel’s enthüllt, des Künstlers, dessen geniale Schöpfungen eine unvergängliche Zierde der preußischen Hauptstadt sind. Das Denkmal, welches sich an der Spitze des Platzes vor der Bauakademie – jetzt Schinkelplatz – erhebt, da, wo man auf die Schloßbrücke und auf den Prachtbau des Museums blickt, Schinkel’s großartigste Leistungen, ist von Friedrich Drake gefertigt, dessen Meisterhand sich durch die Ausschmückung der Schloßbrücke gleichfalls hohen Ruhm erworben.

In demselben kleinen Fürstenthum Waldeck, welches stolz darauf ist, unserem Jahrhundert bereits zwei andere, nicht minder große Männer geschenkt zu haben – Rauch und Kaulbach – ist auch Drake geboren.

Am äußersten Ende des bekannten, reizend gelegenen Badeortes

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 774. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_774.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)