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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

der muntern Art und dem freigebigen Wesen, das der Bauer gezeigt, ein Geschäft erwarten durfte, das für Umweg und Mühe volle Entschädigung bot. Er hatte, als er den Bauer nicht angetroffen, ruhig und so lange gewartet, bis das Gewitter losbrach, und nach demselben, bis der Abend schon zu weit vorgerückt war, um noch ein Weiterwandern zu gestatten. Nicht zweifelnd, daß man ihm gern Nachtherberge gewähren werde, hatte er sein Kleinod, den Rückenkasten mit seiner Waare, im Wohnhause, wo er ihn ganz sicher glauben durfte, eingesteckt, und selbst in einer Kammer neben jener der Knechte Unterkunft gefunden, wo ein paar feiernde Betten für die Heumäher bereit standen, die im Sommer zur Aushülfe gedungen wurden. Von der Wanderung ermüdet war er bald fest eingeschlafen und erwachte nicht eher, als bis der Lichtschein des in Flammen stehenden Hauses ihn weckte, und Gluth und Dampf ihn bereits von allen Seiten umgaben. Halb angekleidet wollte er im Wahnsinn des Schreckens hinausstürzen, seinen Kasten zu retten, denn noch wäre es möglich gewesen, trotz Feuer und Rauch in dem gewölbten Hausgange bis zu demselben durchzudringen, aber mit haarsträubendem Entsetzen gewahrte er, daß die Thür seines Gemachs in’s Schloß gefallen, und er, mit dessen Beschaffenheit nicht vertraut, außer Stande war, dasselbe zu öffnen. Vergebens schrie er überlaut um Hülfe, vergebens rüttelte er an Thür und Schloß; seine Stimme war übertönt von dem Sausen und Knistern der Flammen und von dem Gepolter der Dachbalken, die schon sich abzulösen und zu senken begannen – seine Kraft erlahmte an dem Widerstande und der Festigkeit, womit Eisen und Holz sich aneinander klammerten. Es gab keinen andern Ausweg, als durch das Fenster, dessen Eisenkreuz minder fest eingelassen war, und das, seinen verzweifelten Anstrengungen nachgebend, sammt dem Holzrahmen aus dem Gemäuer brach … er versuchte sich selbst durch die Oeffnung zu zwängen … es gelang … in einer Secunde stand er im Freien, aber zu spät, im nämlichen Augenblick neigte sich der Hauptgiebel, stürzte nach innen zusammen und schlug mit der Wucht des Falles und der Schwere die Gewölbe des Erdgeschosses durch, daß rings aus Qualm und Rauch nur noch die Umfassungswände emporstarrten, drinnen aber Alles in einen Gluthheerd zusammengeschüttet lag, aus welchem eine sprühende Funkengarbe emporstieg. Weithin hatte der Einsturz Trümmer und Steine geschleudert; ein Stück hatte den Händler an den Kopf getroffen, daß er taumelnd niederstürzte, aber angestachelt vom Triebe des Lebens hatte er sich noch mit letzter Kraft aufgerafft und war erst unter den Obstbäumen, bis zu denen er sich geschleppt, blutend und mit vergehenden Sinnen in’s Gras niedergesunken. …

Jetzt kam er gleich dem Bauer aus dem abgebrannten Hause zurück; er hatte wie dieser, so weit es möglich war, im Schutt nach etwaigen Ueberbleibseln und Spuren seines Kastens gesucht und war nun, erschöpft und matt, dem Zubauhause zugewankt, um dort vielleicht für ein Stündchen Ruhe zu finden. Der Alte stand auf, als er ihn gewahrte, öffnete das Fenster und rief ihn herein. „Bist auch da, Bandelkramer?“ rief er ihm entgegen. „Du hast einen bösen Einstand auf dem Feichtenhof – mit dem Einkaufen wird’s eine gute Weil’ stat hergehn … aber ich kann nichts dafür, daß die Einladung so schlecht ausgefallen ist …“

„Kommt her,“ sagte Christel ihn unterbrechend, „ich hab’ zwar nur blutwenig Leinenzeug, aber zu einem Verband wird’s doch schon noch ausreichen; Ihr habt da eine böse Wunde am Kopf …“

„Ja wohl,“ sagte der Händler, während sie ihm das vertrocknete Blut abwischte und dann ein Tuch um die Stirn band, „es muß ein tüchtiges Loch sein – ich hab’ gemeint, es wär’ die halbe Welt, die auf mich niederstürzt, und doch ist das Glück dabei wieder größer gewesen, als das Unglück … der Balken hätte mich ebensogut erschlagen können – so aber bin ich doch noch auf der Welt; mein Weib ist keine Wittib und meine Kinder sind keine Waisen geworden und –“ setzte er lächelnd hinzu, „der Löw’ ist mir durch’s Fenster nachgesprungen … den hab’ ich auch noch …“ Dabei streichelte er den Spitz, der, als ob er wüßte, daß von ihm die Rede sei, sich an sein Knie drängte und ihm schweifwedelnd die Hand leckte.

„Das ist auch was Recht’s,“ erwiderte der Bauer unmuthig, „deswegen sind wir doch Bettelleut’ … alle miteinander!“

„Ei – so arg’ ist’s doch nicht gleich,“ sagte der Händler entgegen; „es ist wahr, mein Kasten ist verbrannt und in demselben viele schöne Waar’, Leinenzeug und Spitzen und silberne Fingerringe, Ketten und Kreuzeln und Firmthaler, wie ich sie halt führe … auch das, was ich erlös’t hab’, ist mit zu Grund gegangen … aber ein Bettelmann bin ich drum noch nicht! Ich habe Gott sei Dank noch meine gesunden geraden Glieder … ich muß freilich so gut wie von vorn anfangen mit meiner Handelschaft und eine gute Weil’ wird’s schmale Bissen abgeben … aber Weib und Kind werden drum doch keinen Hunger leiden … das Schwabenland ist gut deutsch und ich hab’s immer gehört, unser Herrgott verläßt keinen Deutschen!“

Christel sagte nichts, aber ihr Auge traf das des Vaters, der den Blick abwandte.

„Und vollends bei Euch,“ fuhr der Händler fort, wird das Unglück, so schwer es allemal ist, auch zu zwingen sein. … Ihr habt Eure schönen Wiesen, habt Aecker und Wald, das ist Alles nicht mit verbrannt. das bringt Euch wieder genug ein, und auch das Haus steht in einem halben Jahr wieder da wie ein kleines Schlößlein .. ein kluger Mann, wie Ihr, wird es wohl gut versichert haben …“

Der Bauer zuckte zusammen und langte nach dem Knie, als ob es ihm dort plötzlich einen Stich gegeben, er verbarg aber, wie ihn das Wort des Krämers an wunder Stelle getroffen hatte, und rief mit geringschätzigem Lachen: „Versichern? Nein – das hat’s bei mir nie gebraucht! Ich hab’ nie einen Kreuzer Schulden gehabt auf dem Feichtenhof, also hat auch Niemand mich zwingen können, daß ich das thun sollt’ … ich hab’ mich auf unsern Herrgott verlassen … sie sagen ja, das sollt’ die beste Versicherung sein …“

„Das ist sie auch,“ sagte der Händler, indem er kopfschüttelnd aufstand; „das ist die Versicherung, in der ich auch eingeschrieben bin … aber nichts für ungut, Feichtenbauer, das macht halt ein Jeder, wie es ihm gefällt! Ich will mir jetzt ein Fleckchen suchen, wo ich ein wenig schlafen kann – dann such’ ich noch einmal unter’m Schutt’ drüben nach, ob ich nicht doch noch etwas herausfinde von meiner Waar’, und dann – dann nehm’ ich in Gottes Namen den Weg wieder unter die Füß’, gehe heim zu den Meinigen und sehe zu, daß ich neue Waare bekomme. … Freilich,“ setzte er mit etwas gedämpfter Stimme hinzu, „mein Bub’, mein Aeltester, hat sich auf den neuen Firmungsrock, den er zu Pfingsten bekommen sollte, umsonst gefreut. … Na, da muß er sich halt noch ein Jährchen mit dem alten behelfen. …“ Er verließ die Stube, indem er, sich rasch der Thür zuwendend, die Hand erhob, als wolle er nach dem Verbande greifen, – in Wahrheit geschah es, um im Auge eine Thräne zu zerdrücken, deren er sich nicht erwehren konnte, und die er nicht zeigen wollte.

Wieder suchte Christel das Auge des Vaters und sah ihn mit leicht verständlicher Mahnung an, das Wort aber, das in dem Blicke lag, blieb ungesprochen, denn der Alte, dem die Unterbrechung willkommen war, trat verwundert zur Thür, an welche vernehmlich gepocht worden war, und rief: „Was kommt denn da für ein höflicher Besuch? Nur herein – wo das Unglück so grob angeklopft hat, braucht’s keine Umständ’ mehr!“

Es war Domini, der eintrat – unbefangen, als ob nichts vorgefallen; mit demselben lachenden Gesicht, mit welchem er gestern an der Wallfahrtskirche dem Bauer entgegen getreten war, und so zutraulich, als wären sie im besten Einvernehmen auseinander gegangen. Mit raschem scheuen Blick überflog er das Gemach, aber er that, als gewahre er gar nicht, daß Christel bei seinem Eintritt durch die Küchenthür verschwand.

„Da bin ich, Feichtenbauer,“ sagte er, ihm die Hand bietend, „wir sind gestern nit recht gut voneinander gegangen, aber das macht nichts! Es wär’ schlecht von mir, wenn ich nach dem Unglück, das über Dich gekommen ist, Dir was nachtragen thät’ … deswegen bin ich schon in aller Früh’ da, und will Dir sagen, wie leid mir’s ist, daß Dir so was geschehn ist, und will Dich bitten, Du sollst keinen Verschmach weiter auf mich haben …“

„Ich dank’ Dir, Domini,“ rief der Alte, von dem Ton gutmüthiger Biederkeit gerührt, „ich dank’ Dir tausendmal! Jetzt seh’ ich’s, daß Du wirklich ein guter Freund bist, der Einen in der Noth nit verläßt! Ich hab’ keinen Verschmach auf Dich – ich bin froh, wenn Du mir nichts nachträgst … ich thät’ ja auch für mein Leben gern halten, was ich Dir versprochen hab’ …“

„Ach was, laß das gut sein!“ rief Domini mit einem

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