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verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Kraft. Gewiß kam es also aus voller Seele, wenn Brockmann schrieb: „Erinnern Sie sich, lieber Iffland, öfters eines Mannes, der es innigst bedauert, daß die Umstände es hinderten, durch Ihren öfteren Umgang den festesten Freundschaftsbund mit Ihnen zu schließen!“

Der Sommer brachte noch einen andern Wallfahrer: den dänischen Dichter Jens Baggesen, den Freund Schiller’s und Reinhold’s, der auf Kosten seiner Regierung eine Reise durch Deutschland und die Schweiz nach Frankreich unternommen, und in Mannheim längere Zeit zu verweilen gezwungen war, da Hochwasser den Rhein unpassirbar machte. Das Stammbuchblatt von seiner Hand charakterisirt ganz sein liebreiches Wesen:

 „Lieber Herr Iffland!
     ‚Im Mittelwege Gutes zu schaffen, da welkt die Blüthe der Freude
nicht am Ehrgeiz hin: da nagt kein Wurm an der Knospe der Tugend!‘
 (Ruhberg in ‚Reue versöhnt‘.)
     Ich danke Ihnen herzlich, trefflicher Schriftsteller und Schauspieler, daß Sie mir Mannheim mitten in dessen Sündfluth zum lieblichsten Aufenthalte gemacht haben!
     Mannheim, in der Überschwemmung 1789.  J. Baggesen.“

Unterdessen sind am politischen Himmel jene Stürme heraufgezogen, welche das Schifflein des Mannheimer Theaters erst gefahrdrohend hin- und herschleuderten und endlich ganz zerschellten. Die Mitglieder des herrlichen, in der Kunstgeschichte fast einzig dastehenden Instituts, unter dem festen Schirm und Schutz treuer Freundschaft durch fördersame, gegenseitige Lehre und Beispiel zu hoher Vollkommenheit gereift, zerstreuten sich, eine hirtenlose Schaar, in alle Winde; und Iffland folgte einem Rufe König Friedrich Wilhelm des Zweiten nach Berlin. Ehe er jedoch seine neue Stellung antrat, gab er in Weimar einige Gastrollen, die Koryphäen der deutschen Literatur „in die heitern Höhen seiner Kunst durch seinen Schöpfergenius entzückend“.

Er wurde mit Wohlwollen und Wärme überhäuft, und der von der Stätte jahrelangen Wirkens mit trauernder Seele Geschiedene fühlte sich durch die herzliche Aufnahme so vieler ausgezeichneter Menschen neu gehoben, neu gestärkt, und nie hat er lieber, nie sorgfältiger gespielt, als damals.

Der Erste, der die Gelegenheit ergriff, seiner Bewunderung für den Meister Ausdruck zu geben, war der greise Wieland. Mit fester, männlich kräftiger und schöner Hand, ein Buchstabe dem andern ähnlich wie sein Zwillingsbruder, schrieb der Dichter des Oberon am 23. April 1796:

Empfangen Sie, theurer Iffland, mit diesen Zeilen den Dank meines Herzens für jede glückliche Stunde, die mir Ihr unnachahmliches Talent während Ihres zu kurzen Aufenthaltes in Weimar geschenkt hat, und erinnern Sie sich, wenn Sie einen Blick auf dieses Blatt werfen, des 20. Aprils, und Ihres, aus einem Bewunderer Ihrer Kunst und Verehrer Ihrer Verdienste an diesem Tage auf ewig zu Ihrem Freunde gewordenen Wieland.“     

Wir wenden das Blatt, – des Dichterfürsten Goethe Handschrift blickt uns entgegen. Der warme Verehrer Iffland’s, der ihm im Nachspiel zu den „Hagestolzen“ ein so herrliches Denkmal gesetzt hat, schreibt unter dem 24. April 1796 folgendes Distichon:

„Viel von Künsten und Künstlern wird immer in Deutschland gesprochen;
     Angeschaut haben wir nun Künstler und Künste zugleich.
 Goethe.“     

Am nächsten Tage, dem 25. April, widmet der edle Herder dem Künstler folgende Zeilen:

„Immer bleibe Ihnen Ihre Muse hold: die sittliche Muse; sie, die mit dem Geiste Herz, mit edlen Talenten das edelste Talent: Charakter der Seele, anmuthig verbindet; die aus dem dunkeln Unsinn der Menschen leichte, feste Gestalten hervorruft, und Licht und Ordnung. – Wir sahen sie in Ihren Erfindungen, in Ihrem Spiel, in Ihrer ganzen Gedankenweise. Immer bleibe sie Ihnen hold und günstig. J. G. Herder.“     

Wahrlich, ernste, goldene Worte, von denen Auge und Herz des Beschauers sich nur schwer zu trennen vermag. –

Wieder wenden wir das Blatt … da bleibt voll Ehrfurcht die Hand gefesselt … ein heiliger Schauer durchbebt uns … eine Thräne stiehlt sich in unser Auge. Nur wenig Worte sind es, die uns so mächtig ergreifen; mit flüchtiger Hand sind sie hingeworfen. – Aber ein Name steht darunter, der dem Deutschen über Alles theuer ist; und die Inschrift des Blättchens lautet:

 Ars longa, vita brevis.
 Zum Andenken von
 Friedrich Schiller.“

Nur zu bald flogen die schönen Tage zu Weimar dahin: die ernste Nothwendigkeit rief unseren Künstler von dannen; und eiligst – ehe er Berlin erreicht – macht er in Leipzig noch eine kurze Rast. Im Fluge werden in der kunstbegeisterten Stadt einige Gastrollen gegeben. Hier schreibt mit zitternder, altersschwacher Hand der greise Dichter Christian Felix Weiße einfache, aber kindlich-herzliche Verse in das Album Iffland’s. Der Verfasser so vieler damals mit Beifall aufgeführter Singspiele (von denen sich die von Hiller componirte „Jagd“ bis auf unsere Tage lebensfrisch erhalten hat), so vieler Sinngedichte, deren bekanntestes wohl der „Aufschub“ ist („Morgen, morgen, nur nicht heute etc.“), sagt schlicht und warm:

„Was ich gewünscht, mein Iffland, ist geschehen:
Dein edles, meisterhaftes Spiel,
Natur und Kunst, Geschmack, Verstand, Gefühl
Und Wahrheit, ganz vereint in ihm hab’ ich’s gesehen!
Noch mehr hat mir das Glück gewährt:
Dein Geist, als ich Dich las, ward still von mir verehrt;
Als ich Dich sprach, schätzt’ ich Dein Herz und liebte Dich;
Wir bieten uns die Hand: Wohl mir, Du liebst auch mich!“

„Erhalten Sie, edler Mann, einen literarischen Emeritus der deutschen Schaubühne auch in der Entfernung zu Andenken und Ihrer Freundschaft!
 C. F. Weiße,
 Creys-Steuer-Einnehmer zu Leipzig.“

Gegen Ende des Jahres 1796 traf Iffland in Berlin ein. Die Collegen bewillkommnen ihn auf’s Herzlichste, und selbst die hervorragendsten Männer der Wissenschaft suchen bald den Umgang des feinsinnigen, hochgebildeten „General-Directors der Königlichen Schauspiele“; auf dem nächsten Blatte erblicken wir von der Hand Gall’s folgende Inschrift:

„Große Menschen erwarten ihren Lohn in der Unsterblichkeit. Möchten Sie lieber den Ihrigen in dem Besitz Ihres Meistertalents suchen, denn dies ist ja seltener als Unsterblichkeit!
 Ihr ewiger und warmer Verehrer
 F. Joseph Gall.“

Von einem folgenden Blatte blickt uns die elegante Handschrift des Dichters der „Urania“ entgegen, der nachstehendes sinnige Distichon widmet:

„Hoch im Triumphe der Kunst erblickt’ ich den siegenden Künstler;
Fest im Drange der Zeit sah ich den Weisen in ihm!“
„Weihen Sie diese Zeilen zu einem kleinen Denkmal der für mich unvergeßlichen Stunden.  C. A. Tiedge.“

Die folgende Seite ist eng beschrieben; ein Sonett des Verfassers des „Vierundzwanzigsten Februars“, der „Weihe der Kraft“, in welcher der „Luther“ eine so geniale Schöpfung Iffland’s und zugleich seine letzte bedeutende Rolle auf der Bühne war, nimmt den ganzen Raum ein. Der Vater der „Schicksals-Tragödien“ schreibt in jenem hohen Enthusiasmus, mit welchem er Alles zu erfassen pflegte:

„Wer ist der Meister? – Dem in dem Gemüthe
Der Gottheit Funken hell und herrlich brennt;
Denn, von dem ew’gen Urquell ungetrennt,
Ist er des Lichtes Spiegel und der Güte.

Und fleißig strebend, daß er das behüte,
Was ewig sein, und was die Welt nicht kennt,
Ist Liebe seines Wesens Element,
Und all’ sein Thun der Schönheit Frucht und Blüthe.

Ich ehr’ die Meistergluth, die in Dir scheinet;
Die Kraft, die siegend über dem Geschicke.
Doch mehr, als Alles, lieb’ ich Deine Liebe!

Du hast an meinem Busen nie geweinet;
Du schluckst die Thränen in Dich selbst zurücke,
Doch kenn’ ich sie! – Du Meister – Leide! Liebe!

Wenn Sie mich einst ganz kennen, so werden Sie auch weinen mit einem armen Menschen, der unaussprechlich gelitten und geliebt hat; mit Ihrem
 Sie tief verehrenden Leidensbruder
  Friedrich Ludwig Zacharias Werner.“

Iffland ist unterdessen auf der Sonnenhöhe seines Ruhmes angelangt. Friedrich Ludwig Schröder, der schöne Stern, ist untergegangen; nur die Abendröthe seines Wirkens strahlt noch am Himmel des Theaters zu Hamburg; und das in Deutschlands Südosten emporflammende Meteor, Ludwig Devrient, steht noch am Anfang seiner glanzvollen Laufbahn. Dem unbestritten ersten Schauspieler seiner Zeit werden von allen Seiten die glänzendsten Anerbietungen zu Gastrollen gemacht, und nach und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_813.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)