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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Weihnachtsfreude in der Redaction. Auf den Arbeitstisch eines Redacteurs fallen aus der großen Lesewelt im Lauf des Jahres mehr Dornen als Rosen nieder, der Tadel hatte leider von je raschere Beine als der Ausdruck des belohnenden Dankes. Um so freudiger begrüßen wir den folgenden Fall, den wir heute unsern Lesern mittheilen, die sich gewiß noch eines Aufsatzes in Nr. 48 der Gartenlaube erinnern. Es war darin das Leben eines preußischen Beamten geschildert, der, durch zu kärglichen Gehalt in das größte Elend gekommen, zuletzt der Versuchung unterlag und eine ihm anvertraute Summe unterschlug. Wir hatten schon aus verschiedenen Gegenden – so auch aus Sachsen – aus dem Kreise von Beamten dankende Zuschriften dafür erhalten, daß die Gartenlaube die oft jammervolle finanzielle Lage öffentlicher Beamten und die durch sie unausbleiblich veranlaßten Conflicte der Wahrheit gemäß schildere, als wir in diesen Tagen folgende ebenso erschütternde, als rührende Zuschrift erhielten:

„Innigster, tiefster Dank, geehrter Herr, ist die Grundursache dieser Zeilen an Sie. Gewiß gewährt es Ihnen eine Genugthuung, wenn Sie erfahren, daß Sie, durch den Aufsatz in Nr. 48. Ihres Blattes ‚Aus den Erinnerungen eines preußischen Gefängniß-Inspectors‘ eine zahlreiche Familie vor unsäglichem Unglücke bewahrt haben. – Der, bis auf den Namen, treue Spiegel, den Sie (oder der Verfasser) mir vorgehalten, hat mir ganz den Abgrund gezeigt, an dessen Rande ich stand, und mich zur Erkenntniß gebracht. Ich will nun wieder mit Gottes gnädiger Hülfe kämpfen und ausharren, bis es ihm gefällt mir die Last zu erleichtern oder mich davon zu befreien.

Ihnen aber, geehrtester Herr, möge das Bewußtsein, wirklich einen Theil des Ihnen vorgeschwebten Zieles erreicht zu haben, eine frohe Weihnachtsstunde bereiten. Das ist mein und gewiß auch (wenn auch unbewußt) der Meinigen sehnlicher, innigster Wunsch. Gott vergelte Ihnen, was Sie und der Verfasser, vielleicht ohne Ahnung, an uns gethan.

Verzeihen Sie, daß ich mich Ihnen nicht näher bezeichne. Genüge es Ihnen, daß im fernsten –preußen Dankesthränen für Sie fließen. Gott segne Sie, die Ihrigen und den Verfasser!“




Kleiner Briefkasten.

B. A. aus K… „Ist Weiß und Schwarz eine Farbe?“ Nach dem im gewöhnlichen Leben wie auch in der Kunst herrschenden Sprachgebrauche ist sowohl Weiß als Schwarz eine Farbe. In der Physik setzt man allerdings bei der Besprechung der Zerlegung des Sonnenlichts in verschiedene Farben diese letzteren in Gegensatz zu dem weißen Sonnenlichte, und sowohl Weiß, als die Gesammtheit aller Farben, in welche das Sonnenlicht durch ein Prisma zerlegt wird, wie auch Schwarz, als die Abwesenheit jeden Lichtes, zählt dann nicht mehr zu den Farben. Es ist aber kein Grund vorhanden diese für ihren Zweck ganz gute Bezeichnungsweise allgemein einzuführen und man darf daher sowohl Weiß wie Schwarz unbedenklich als Farbe bezeichnen.

J. B. in M. a. Rh. „Hat die Rotation der Erde Einfluß auf Meeresströmungen oder ist erstere vielmehr einer der Urheber jener Erscheinung?“ Letzteres ist der Fall. Durch die Rotation der Erde wird eine allgemeine Strömung des Meereswassers in der Nähe des Aequators in der Richtung von Ost nach West, entgegen der Rotationsrichtung der Erde, bewirkt. Diese Aequatorialströmung ist sowohl im Atlantischen, als im Stillen Ocean vorhanden. Die Rotation der Erde bewirkt ferner, daß die nach den Polen hin fließenden Ströme warmen Wassers, wie der Golfstrom und der Japanesische Strom (Kuro Siwo), immer mehr und mehr nach Osten abgelenkt werden, je näher sie dem Pole kommen.

X. „Hat der europäische Continent außer Island und Grönland im Laufe der Jahre in seinen klimatischen Verhältnissen Veränderungen durch die Veränderung oder Erkaltung der Meeresströmungen erlitten?“ Die ehemalige Vergletscherung eines großen Theiles des europäischen Continents, die sogenannte Eiszeit, erklärt sich wahrscheinlich durch die frühere Abwesenheit des Golfstromes, der erst nach dem Emportreten Centralamerikas über den Meeresspiegel seinen jetzigen Lauf erhielt und welcher jetzt Nordeuropa ein weit wärmeres Klima verleiht, als der geographischen Breite entspricht. In historischer Zeit sind in Europa keine bedeutenderen klimatischen Veränderungen constatirt.

Thekla, H. A. S., A. W., G. B. in M., A. V. etc. etc.! Es geht in die Dutzende! Namen sollen sie nicht nennen, all’ die, wie das Veilchen im Verborgenen, aufblühenden männlichen und weiblichen Lyriker, welche in rührendster Bescheidenheit von uns über „den eigentlichen Werth“ ihrer Gedichte belehrt sein wollen. Alle, aber ohne Ausnahme, sind in den Kreisen ihrer Freunde, Verwandten oder Gönner ermuntert worden, die vielversprechenden Erstlinge ihrer Muse der Gartenlaube anzuvertrauen, und zagend senden sie eine reiche Auswahl in der schüchtern angedeuteten Hoffnung, daß wenigstens Einiges davon vor dem grausamen Ende im unersättlichen Redactionspapierkorb sicher zu sein verdienen möge.

All’ diese vielen Dutzende von Hoffnungen muß die Redaction mit Einem Schlage vernichten, und zwar aus Pflicht und Gewissen.

Wir wollen das geschäftlich Unthunliche der Zumuthung unserer angehenden Lyriker nur kurz berühren, denn jedem Einzelnen müssen ja sofort die Fragen bedenklich werden: Wo soll eine an sich schon vielbeschäftigte Redaction die Zeit hernehmen, so viele Gedichte zu lesen und brieflich zu beurtheilen, – wo die Gartenlaube den Raum, auch nur den zwanzigsten Theil derselben abzudrucken, – und wo die Leser die Geduld, sich so viele Verse gefallen zu lassen? – Wichtiger ist der Einfluß, welchen die Gewährung ihrer Bitte auf die jungen Versucher selbst üben könnte: die Lyrik ist der gefährlichste Werber für das literarische Proletariat, das trotz aller Gehässigkeit des Begriffs doch einmal nicht wegzuleugnen ist und so manche Familiennoth in sich birgt, die um so bitterer empfunden wird, auf je höherer Bildungsstufe diejenigen stehen, deren Leben sie mit den alltäglichsten Sorgen verdüstert. – Einige gelungene Gedichte sind nur zu leicht geeignet, ein junges Talent zum Gegenstand der Bewunderung seiner nächsten Umgebung zu machen; der Dichterruf ist so verlockend; es freuen sich so Viele, einen Dichter „den Ihren“ nennen zu können – und das strenge ehrliche Urtheil tritt so selten zu rechter Zeit der Verirrung eines Lebenslaufs entgegen. Erst wenn’s zu spät ist, merkt der Verführte, daß sein Pegasus nicht zu den Preisrennern gehört, welchen die goldenen Becher zufallen, sondern daß er beim großen Schwarm zurückbleibt, der um’s tägliche Brod rennt. Bei einem Mädchen macht möglicherweise eine Heirath das Versehen wieder gut, der junge Mann bedarf ungewöhnlicher Spannkraft zu dem Entschluß, die zu schwache Leier an die Wand zu werfen und ein praktischeres Instrument dafür zu ergreifen.

Solches Unheil können ein paar gelungene und in einem öffentlichen Blatte abgedruckte Gedichte anrichten! Das ist’s, was es uns zur Gewissenspflicht macht, mit der jungen Lyrik nicht zu schön zu thun, auch wenn sie ‚gar nicht Uebles‘ leisten sollte. Es liegt daher etwas Beruhigendes für eine Redaction in der Verbindung mit älteren, bereits bewährten Dichtern, an deren Schicksal nichts mehr zu ändern ist.

Alle, welche in Obigem Beziehung zu sich finden, ersuchen wir um freundliche Beherzigung desselben zu ihrem Besten und zu dem unsern.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das vierte Quartal und der siebenzehnte Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen (achtzehnten) Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.


Wir beginnen den nächsten Jahrgang mit dem bereits angekündigten vortrefflichen Roman

Aus eigener Kraft
von W. von Hillern, Verf. des „Arztes der Seele“,

und lassen gleichzeitig eine zweite Novelle:

Der Fels der Ehrenlegion von Berth. Auerbach

erscheinen. Daß

E. Marlitt

bereits seit langen Wochen an einem neuen Romane arbeitet, der ebenfalls noch im Laufe des nächsten Jahrgangs zur Veröffentlichung kommen wird, und auch Herm. Schmid und Paul Heyse uns mit Schöpfungen ihrer Feder bestimmt erfreuen werden, theilten wir schon in den beiden letzten Nummern mit. An nichtnovellistischen Beiträgen habe unsere Leser in den nächsten Nummern zu erwarten:

Karl Vogt, Begegnungen mit großen Zeitgenossen Nr. 1. Bei A. v. Humboldt. – Prof. Bock, Schulkrankheiten. – Brehm, Um eines Vogels willen. Mit Abbildung. – Louis Büchner, (Kraft und Stoff) Entstehung des Menschen. – Prinz und Prinzessin von Salm. Erinnerungen. – Braun (Wiesbaden), Holländische Leute. – Adelaide von Matthisson. – Rudolf Gottschall, Literaturbriefe an eine Dame.

Außerdem liegen Beiträge vor von: R. Benedix, Beta. H. Bodenstedt, Albert Fränkel, E. Geibel, Fr. Gerstäcker, Rud. Gottschall, G. Hammer, G. Hiltl, Fr. Hofmann, L. Kalisch, S. Kolisch, H. Lingg, J. C. Lobe, R. Löwenstein, A. Meißner, Melchior Meyr, Adolf und Karl Müller, Robert Prutz, Prof. Richter, Max Ring, Arnold Ruge, K. Ruß, Joh. Scherr, Schulze-Delitzsch, Ludwig Steub, Karl Stieler, L. Storch, A. Traeger, Otto Ule, Franz Wallner, M. M. v. Weber, Max Wirth, den Damen M. v. Humbracht, E. Polko etc.

Leipzig, im December 1869. Redaction und Verlagshandlung. 

Geschmackvolle Decken zum Einbinden der Gartenlaube sin durch alle Buchhandlungen auch zum Jahrgang 1869 zu dem billigen Preise von 13 Sgr. zu beziehen.

Die Verlagshandlung. 


Mit dieser Nummer zugleich werden Titel und Register zum Jahrgang 1869 ausgegeben.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 834. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_834.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)