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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


der wahren Liebe wird auch das Häßliche schön und in der abschreckenden Hülle kann eine fürstliche Seele wohnen, die erst in der Liebe zu Tage kommt. Diese Seele, diese große Seele, ich habe sie in Ihnen erkannt und – ich will es Ihnen nur sagen, Frank, ich glaube, den Zauber, der aus einem Bären einen schönen Prinzen machen kann, den trag’ ich im Herzen!“

Frank faltete die Hände und starrte sie an, wie sie so vor ihm stand und ihn anschaute mit einem so lieblichen thränenfeuchten Lächeln. Da war es ihm auf einmal, als senke sich das ganze blaue Firmament auf ihn herab, und er warf sich zur Erde nieder, als erdrücke ihn die himmlische Last.

Eine Weile lag er so still tiefathmend, als sei er unter Wolken begraben. Endlich hob er den Kopf und wagte es aufzublicken. Das Firmament stand noch da oben fest, was war es denn, das ihn so plötzlich niedergeworfen? Eine Freude war’s, eine Freude, zu groß, um ihrem ersten Andrange nicht zu erliegen: Fräulein Körner hatte eine Bewegung gemacht, als wollte sie ihm an die Brust sinken! Das war zuviel auf einmal – mehr als das arme bescheidene Herz erfassen konnte! War’s denn möglich? Konnte es denn sein? Da kniete Fräulein Körner bei ihm am Boden und umfaßte mit ihren kleinen Händen seinen struppigen Kopf und sah ihn an, als fände sie ein ganz besonderes Wohlgefallen an ihm, und stützte ihn, als er sich mühsam erhob. „Frank, lieber Frank,“ sagte sie unter Weinen und Lachen, „hab’ ich Dich erschreckt? Frank, lieber Frank, wirst Du mir wieder umfallen, wenn ich mich an Dein gutes Herz legen will?“ Und sie schlang ihre Arme um den Neger und schmiegte ihr blondes Köpfchen an seine warme Brust. Hatte doch auch sie, die arme Kleine, seit der zartesten Jugend kein liebendes Umfangen mehr gekannt, unter Fremden herumgestoßen, nichts gehabt, was sie ihr eigen nennen durfte, und dieser Mann, dieser starke edle Mann gehörte ihr mit Leib und Seele! Das war ein nie geahntes Glück und die erkältende falsche Scham über die dunkle Hülle des Geliebten schmolz dahin an dem Feuer dieser ersten Umarmung.

„O,“ stammelte Frank, nach Athem ringend, „ich soll Dich haben, Du wunderschönes weißes Kind? Weißt Du auch, was Du thust? Willst Du den häßlichen Neger zum Manne nehmen, der Dir nichts bieten kann als seine große, große Liebe? und fürchtest Du nicht, daß Dich die Leute auslachen, wenn Du mit mir auf der Straße gehst?“

„Nein, Frank, das fürcht’ ich nicht, denn sie bewundern Dich Alle um Deiner Heldenthat von neulich willen. O Frank, nicht mit Worten kann ich schildern, was ich empfand, als ich Dich da oben hängen sah zwischen Himmel und Erde, als Du vor unseren Augen Deine fast übernatürliche Körper- und Seelenkraft entfaltetest. Ich hätte Dir zu Füßen sinken mögen wie Frau Hösli, aber dazu hatte nur sie ein Recht und ich beneidete sie darum. Und Frank, als Du dann die zwölf Tage und Nächte mit mir an Aenny’s Bettchen saßest, das Kind so geschickt und geduldig pflegtest und ebenso weich und milde warst wie damals bei seiner Rettung kühn und gewaltig – da riß mich die Bewunderung für Dich hin bis ... bis zur Liebe. Frank, wenn ich einen Augenblick klein genug war, mich dieser Liebe zu schämen, so vergieb mir, ich mußte erst allmählich zu Dir und Deiner Größe heranwachsen.“ Sie küßte seine Hände und streichelte ihm die Wange. „O Du liebes schwarzes Gesicht, Du sollst Dich nicht mehr häßlich schelten. Für mich bist Du schön wie für Alle, die Deine schöne Seele kennen, und ich weiß mir keinen Anblick auf der Welt, der mein Herz so erfreut, als Dich, Du liebes schwarzes Gesicht!“ Sie zog den dunkeln Kopf zu sich herab und – was that sie? Frank hatte keinen Schwindel empfunden, da er den tödtlichen Pfad an der Mauer hinklomm, aber jetzt schwindelte ihm – Ida drückte einen langen innigen Kuß auf seine breiten Lippen. Er fiel vor ihr nieder und umfaßte ihre Kniee, dann sprang er auf, jauchzte seine Freude in einem grellen echten Negerschrei in alle Lüfte hinaus und hob das Mädchen wie einen Federball auf seine Schulter.

„Du sollst nie mehr gehen – ich will Dich immer tragen!“ So trug er sie durch den Garten und sang und rief in einem fort: „Sie ist mein – sie ist mein!“

„Frank, was machst Du, bist Du toll?“ fragte Herr Hösli zum Fenster heraus.

„O Herr, Herr,“ jubelte Frank, „Sie werden’s nicht glauben - „la Belle et la Bête ist wahr geworden!“

(Fortsetzung folgt.)




Im Banne der Engelsburg.
III.
Schmidt und Nast. – Die Unfehlbarkeit und die Opposition der Bischöfe. – Gar nicht mehr sprechen. – Bischof Stroßmayer. – Dupanloup, der Heros der französischen Prälaten. – Die Lämmerweihe in St. Agnese. – Zwei Todtenfeste. – Die Säule zum Andenken des Concils.

Seit der Veröffentlichung zahlreicher Actenstücke des Concils in deutschen Zeitungen wartet das kleine Häuflein der gebildeten Fremden und Eingeborenen, das für den Gang der Verhandlungen in der Peterskirche einiges Interesse hegt, sehnsüchtig auf die Blätter von jenseits der Alpen her, um etwas Authentisches aus ihnen über die Dinge zu erfahren, die sich in unseren eigenen Mauern vollziehen. Da aber die Zeitungen, welche solche Actenstücke oder längere „römische Briefe“ veröffentlichen, gewöhnlich auf dem Censurbureau angehalten werden, und nur die wenigen Exemplare für die Gesandtschaften und Consulate frei passiren, so hat es seine Schwierigkeit, in den Besitz eines solchen gesuchten Blattes zu gelangen. Um so angenehmer ist das Gefühl, wenn man, im Comptoir des würtembergischen Consuls sitzend, in der Allgemeinen Zeitung oder der Kölnischen oder der Neuen Freien Presse mit behaglicher Sicherheit die Beurtheilung jener erlauchten Versammlung liest, während eine ganze Anzahl Mitglieder derselben daneben vor dem Schalter steht, um sich die Taschen mit Geld zu füllen. Denn die Herren „Schmidt und Nast“ sind zugleich die ersten Banquiers von Rom, und sehr viele der Kirchenfürsten bei ihnen accreditirt. Auch diese Herren Prälaten können dann manchmal nicht umhin, sich am Lesetisch niederzulassen, um in einem dieser bösen Blätter Nachrichten und Schilderungen von sich selber zu lesen; aber mehr als einen sah ich dann schon mit Indignation die Zeitung auf den Tisch werfen und dem Nachbar zugeneigt einige Ausdrücke der Entrüstung murmeln, nur wenige deutsche Bischöfe durchflogen mit feinem Lächeln die bekannten Briefe der Allgemeinen Zeitung, legten das Blatt dann mit einer gewissen Satisfaction nieder, schnupften aus silberner Dose, empfahlen sich artig und gingen mit heiteren Mienen die Treppen hinunter. Die meisten anderen dagegen halten sich in diesen Räumen nicht länger auf, als ihre Geldgeschäfte es erfordern, und sprechen absichtlich wenig, und vom Concil natürlich gar nicht, denn das Publicum, das sie sonst noch hier sehen, behagt ihnen nicht ganz. Diese Herren am Lesetisch mit Brillen auf den Nasen, zum Theil mit jüdelnden Gesichtszügen, die Spalte der Blätter eifrig durchfliegend, bald ein spöttisches Lächeln dabei ausstoßend, bald eine bissige Bemerkung sich gegenseitig zuraunend, wohl auch mit dem Lorgnon eine eben eingetretene bischöfliche Notabilität musternd, als wollten sie mit diesem durchdringenden Blicke eine ganze Biographie oder einen Leitartikel sich erobern, – diese Herren haben, wie gesagt, zu stark das Odeur der modernen Presse an sich, als daß es den Prälaten hier wohl werden könnte. Sie entfernen sich schnell und benutzen den Rest des Nachmittags bei gutem Wetter noch zu einem Pincio-Spaziergang, oder wohnen einer Versammlung ihrer „Nationalen“ bei, um sich dann Abends in Gesellschaft zu begeben, die ihnen mehr convenirt.

Aber ehe wir die Herren dorthin begleiten, um mit ihnen von der Arbeit der Verhandlungen auszuruhen, werfen wir noch einen Blick auf diese selbst, um zu sehen, wie weit sie seit unserm letzten Berichte vorgeschritten sind. Daß die Unfehlbarkeit, deren Schema jüngst zur Verbreitung kam, mit großer Majorität durchgehen wird, darüber herrscht hier kaum ein Zweifel, die Jesuiten rühmen sich sogar schon, daß dieselbe am Sonntag Laetare in öffentlicher Sitzung feierlich verkündet werden würde. Sehen wir uns jedoch einmal die Leute, welche dafür und dagegen sind, näher an. Die deutschen und österreichisch-ungarischen Bischöfe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_212.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)