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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Beifall kund gab und am Schlusse in dem einmüthigen Hervorrufe des Verfassers Ausdruck fand. Hamburgs Publicum aller Gesellschaftsschichten hatte sich an dem Ehrenabend so zahlreich betheiligt, wie derselbe durch Zweck und Gegenstand verdiente, und damit den ersten Anstoß gegeben, eine Ungerechtigkeit des Schicksals auszugleichen. Denn der Ertrag von „Hermann und Dorothea“ allein würde dem Verfasser eine ansehnliche Lebensausstattung verliehen haben, hätte die damalige Gesetzgebung einen Schutz der Autorrechte gekannt. Doch gleich so Vielen hat Toepfer nur gesäet, um Andere die Frucht seiner Mühen ernten zu sehen.

Das ist nun Gottlob anders; aber wie warm auch die Gesetze gegenwärtig für das geistige Eigenthum eintreten, sie können nicht wieder gut machen, was früher vernachlässigt worden. Nur die deutschen Theater, dem Beispiele von Hamburgs Thalia-Bühne folgend, können dem Nestor der dramatischen Schriftsteller durch späte, aber gerechte Anerkennung seines Wirkens den Lebensabend verschönen.

Es ist Ehrensache der Bühnenleitungen, des literarischen Veteranen ihres Repertoires und der Verpflichtung gegen denselben eingedenk zu sein. Es gilt, Karl Toepfer die verdienten Beweise pietätvoller Erinnerung zu geben, und zu handeln im Geiste des Dichterwortes:

„Wer mit Schädel und mit Hirn
Hungernd pflügt – sei nicht vergessen!

Hermann Uhde.




Eine Fahrt mit dem „Hotelzuge“ der Pacificbahn.
Von Theodor Kirchhoff in San Francisco.

Es war am Morgen des 16. März 1870, als ich bei der Stadt Oakland, am östlichen Ufer der großen San Francisco-Bai, in den Hotel- und Expreßzug der Central- und Union-Pacific-Eisenbahn stieg, und sieben Tage später befand ich mich an Bord eines schwimmenden Dampfpalastes auf dem unteren Mississippi, mehr als dreitausend Meilen vom Goldenen Thore entfernt. Eine solche Reise, nach Meilenzahl und Tagen betrachtet, hat selbst im neunzehnten Jahrhunderte, wo der Dampf die alten Begriffe von Zeit und Entfernung vernichtet hat, etwas Märchenhaftes. Mancher möchte vermuthen, daß ich nach einer Eisenbahnfahrt von zweitausenddreihundertsechsundachtzig Meilen, als ich in St. Louis an Bord des stolzen Mississippidampfers trat, halb gerädert war. Nichts von dem! Ich hätte sogar meine Eisenbahnreise auf beinahe viertausend Meilen bis nach New-Orleans ausdehnen können, ohne mich dabei im Mindesten zu strapaziren.

Als ich in St. Louis nach einer ununterbrochenen Eisenbahnfahrt von fünfundeinhalb Tagen und fünf Nächten anlangte, war ich so wenig ermüdet, als ob ich meine comfortable Wohnung in dem fernen San Francisco nie verlassen hätte. Jede Nacht habe ich auf meiner drittehalbtausend Meilen langen Eisenbahnreise in einem bequemen Bette geschlafen; während der eiserne Rappe oft in Wolkenhöhe durch die endlose Breite dieses Continentes eilte, habe ich in einem prachtvollen Hôtelwaggon dejeunirt, dinirt und soupirt, und habe unterwegs gerade so gelebt und mich ebenso prächtig amusirt wie in einem Hôtel und dabei die Welt im Fluge betrachtet.

An jedem Mittwoch verläßt jetzt ein „Hôtelzug“ der Pacificbahn die Stadt Oakland, welche am Ostrande der großen Bai und San Francisco gerade gegenüber liegt, und an jedem Donnerstag die eintausendneunhundertundzwölf englische Meilen von San Francisco entfernte Stadt Omaha am Missourifluß.

Bei der von immergrünen Eichen umgebenen schmucken Stadt Oakland verließ ich, wie gesagt, das Dampffährboot, welches mich von San Francisco über die große Bai gebracht hatte, und stieg in „Pullman’s Palast-Salon- und Schlafwaggon Winona“. Der „Winona“ (alle diese Hôtelwagen haben Namen) ist der letzte in der stolzen Reihe von Prachtwaggons, die unseren Zug bilden. Außer dem „Winona“ befinden sich die Pullman’s Palast-Salon- und Schlafwaggons „Woodstock“ und „Northwestern“ im Zuge; dann der Pullman’s Palast-Speisewaggon „Cosmopolitan“; ferner, außer zwei gewöhnlichen Passagier- und einem Gepäck-, noch vier Silberpalast-Schlafwaggons der Central-Pacific-Eisenbahn. Hochklingende Namen für nichts als Eisenbahnwagen! wird Mancher denken. Einverstanden! Dennoch erregen diese die Bewunderung eines Jeden, der sie zum ersten Male besteigt.

Herr Pullman ist der Erfinder und Besitzer jener Prachtwaggons, welche seinen Namen führen, und dieser Beglücker der Reisenden hat auch die Hôtelzüge auf der Pacificbahn eingeführt. Die Einrichtung der amerikanischen Schlaf- und Reisewaggons darf ich wohl als bekannt voraussetzen; die Pullman’schen sind aber das Nonplusultra von Eleganz und Bequemlichkeit und verhalten sich zu den anderen amerikanischen Schlafwaggons wie ungefähr die erste Kajüte eines Oceandampfers zu dessen zweiter Kajüte.

Mit der Pacificbahn hat Herr Pullman einen Contract abgeschlossen, welcher ihm das Recht giebt, seine Palastwaggons jedem ihrer Züge anzuhängen. Seine Conducteure, Köche und Aufwärter muß er selbst besolden. Seine Einnahme besteht in dem Schlafgeld für Betten, achtzehn Dollars von San Francisco nach Omaha von jedem Passagier für ein doppeltes Lager, wozu das Geld für Mahlzeiten und Getränke im Speisewaggon kommt, ein Dollar für Frühstück und Zwischenmahlzeiten und anderthalb Dollar für Mittagsessen, und Getränke extra. Die Eisenbahngesellschaft berechnet jedem Passagier auf den Hotelzügen zehn Dollars extra von San Francisco nach Omaha und einen Cent pro englische Meile mehr als den gewöhnlichen Fahrsatz für kürzere Distancen, welches jenen das Recht giebt im Speisewaggon (natürlich für Bezahlung) zu tafeln. Wer die Extragebühr nicht zahlt, der hat keinen Zutritt in den Speise- und die anderen Pullman’s-Waggons, und muß in einem gewöhnlichen Wagen reisen und auf den Stationen oder aus seinem Brodkorb essen. Für die von jedem Passagier der Hôtelzüge gezahlten zehn Dollars oder einen Cent pro Meile mehr hält die Pacificeisenbahngesellschaft die Pullman’s-Waggons in gutem Stand. Alle Interessenten stehen sich bei diesem Contracte vortrefflich. Herr Pullman bezieht hundertfünfzig bis hundertfünfundsiebenzig Dollars pro Nacht für jeden Schlafwaggon, dazu das Geld für Mahlzeiten und Getränke; der Pacificbahn werden die prachtvollen Wagen umsonst gestellt, und die Passagiere haben für eine geringe Zulage zu dem gewöhnlichen Ansatz der Reisekosten unterwegs die Bequemlichkeiten eines Hôtels erster Classe.

Die Namen der Reisenden, welche die Hôtelzüge benutzen, werden bei der Abfahrt, von San Francisco sowohl als von Omaha, nach Ost und nach West über den Continent telegraphirt; sowohl in San Francisco als in New-York und anderen Großstädten der Union liest man sie in den täglichen Zeitungen.

Die Herstellung der Pullman’s-Waggons kostet im Durchschnitt zweiundzwanzigtausendfünfhundert Dollars für jeden Wagen; die der Silberpalast-Schlafwaggons der Central-Pacific-Eisenbahn zwanzigtausend Dollars. Der feinste von den Pullman’s-Waggons „Orleans“ hat zweiunddreißigtausend Dollars gekostet. In einigen derselben befinden sich Melodeons und Pianos, damit die musikalischen amerikanischen Ladies unterwegs darauf klimpern können. Gottlob war kein Clavier auf unserem Zuge, und blieben mir diese Ohrenschmäuse erspart. Unser Fortepianowaggon war nämlich auf der letzten Reise mit vier andern Wagen in einen Graben gestürzt. Im Sommer werden den Hôtelzügen offene sogenannte „Observationswaggons“ angehängt, welche den Passagieren eine freie Umschau bieten.

Die Palast-Salon- und Schlafwaggons wiegen jeder sechszigtausend Pfund und laufen auf zwölf Rädern; die Speisewaggons haben ein Gewicht von etwa achtzigtausend Pfund und laufen jeder auf sechszehn Rädern. Die Palast-Speisewaggons werden immer eleganter hergestellt und jeder neue übertrifft an Pracht die alten. Der demnächst zu erbauende soll, wie der deutsche Oberkoch im Cosmopolitan-Waggon mir mittheilte, etwas Pompöses werden. Früher war auch eine Bar (Trinkstand) in den Speisewaggons; dieselbe wurde aber neuerdings wieder entfernt, weil die Bremser, Zugführer, Conducteure und andere Bahnbeamte sie zu sehr patronisirten und man mit Recht befürchtete, die Liste der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_296.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)