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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Ich erwartete, daß die Angeklagte sich nicht werde aufrecht erhalten können, aber sie blieb unbeweglich stehen und hörte die Verkündung des Urtheils bis zu Ende. Sie schien die Fassung wiedergewonnen zu haben und das Unabwendbare ruhig tragen zu wollen.

Festen Fußes schritt sie zur Thüre. Kaum aber hatte sie die Schwelle hinter sich, so brach sie zusammen und sank halb ohnmächtig in die Arme ihres Gatten. Dieser kam schon am folgenden Tage um seine Versetzung in eine entfernte Provinzialstadt ein.




Blätter und Blüthen.

Aus der Stadt des Concils. Noch immer sind Aller Augen nach der Tiberstadt gerichtet, wo unter den Auspicien eines Papstes, dem die katholische Welt bereits das Dogma von der unbefleckten Empfängniß Maria’s dankt, von einer Versammlung hoher Kirchenfürsten der Versuch gemacht wird, alle geistigen Errungenschaften der letzten und namentlich des neunzehnten Jahrhunderts als ungeschehen hinzustellen, und die finsteren, liebelosen, fanatischen Anschauungen des Mittelalters wieder auf den Schild zu heben. Als der Gipfelpunkt dieser Bestrebungen gilt bekanntlich die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogma’s, nach welcher, wie man sagt, Pius der Neunte in den Berathungen des Concils eine Unterbrechung anordnen und dessen ehrwürdige Glieder auf geraume Zeit in ihre Heimath entlassen wird, dort im Sinne der zu Rom gewonnenen und befestigten Anschauungen weiter zu wirken. Ein erfreulicher Blick, der sich uns hier für die Zukunft eröffnet! Da römisches Leben und Treiben unter solchen Verhältnissen erneutes Interesse gewonnen, hat die Gartenlaube schon wiederholt anregende Berichte und Bilder aus der Stadt des Concils gebracht; heute sind es zwei Illustrationen von der Hand des in Rom lebenden begabten Künstlers Julius Jury, deren eine die Abfahrt der ehrwürdigen Kirchenväter nach Schluß einer Sitzung darstellt. Zwei Cardinäle begleiten sich, der Statue des heiligen Peter vorbei, zu dem vom Diener geöffneten, oben mit goldenen Verzierungen geschmückten Wagen. Der Eine in hellem Gewand und Mantel, mit langem, weißen Bart ist der Patriarch von Jerusalem, der Andere in dem schwarzen, vornherunter mit kleinen Knöpfen besetzten Rocke ist der Cardinal Antonelli. Um den Leib trägt er eine breite Schärpe und um den Hals ein großes, goldenes, mit Steinen besetztes Kreuz an gleicher Kette. Der Hut ist von drei Seiten ein wenig aufgeschlagen und mit einer reichen Borte versehen. Hinter den beiden Cardinälen schreiten noch zwei Kirchenherren und drei Diener, von denen zwei ihren Platz links und rechts am Kutschenschlage finden, indeß der dritte hinten folgt. Im Hintergrunde des Bildes drängen sich Dominicaner, Griechen und Andere, während die Gruppe vornen Landleute aus Frosinone darstellt. – Die andere Illustration zeigt uns einen armenischen Kirchenfürsten, vor welchem die Wache auf dem Monte Pincio präsentirt – eine militärische Auszeichnung, die schon manchen der geistlichen Herren in Verlegenheit gesetzt haben soll. Vor den höheren Kirchenfürsten (denn auch die Diener Gottes sehen in so weltlichen Dingen auf strenge Rangordnung) tritt die Wache in’s Gewehr; vor Anderen präsentirt sie; vor Anderen wieder zieht sie das Gewehr an und vor den Geringsten unter ihnen wird, wie man uns schreibt, „blos salutirt“. Der Obelisk steht vor der Kirche Trinita de Monte, im Hintergrunde ist der Monte Mario sichtbar.


Ehrengabe für einen deutschen Dichter!

Roderich Benedix, unser vaterländischer Lustspieldichter, vollendet im Januar 1871 sein sechzigstes Lebensjahr. Dreißig Jahre hat er für die deutsche Bühne gewirkt, mehr als neunzig Stücke hat er geschrieben und mit seinen Stücken ist er überall willkommene Grundlage des jetzigen deutschen Theater-Repertoires geworden.

Roderich Benedix vertritt eine kerndeutsche Richtung in seinen Dramen, und wirkt dadurch gesund und wohlthätig auf den Geschmack unserer Nation. Der Grund seiner Arbeiten ist sittlich rein, Form und Ausdruck derselben sind allgemein verständlich, bei Hoch wie Niedrig wirksam. Darum sind auch seine Stücke auf den ersten Theatern heimisch, wie auf den kleinsten Bühnen, ja selbst für die Darstellung in Familienkreisen sind sie gesucht. So ist Benedix im wahren Sinne des Wortes ein dramatischer Volksdichter.

Das deutsche Volk hat das überall anerkannt, denn eine große Anzahl der Benedix’schen Stücke, obschon in ihren Mitteln von der größten Einfachheit, sind Zug- und Cassestücke geworden, und die Nation, welcher er angehört, hat wohl die Verpflichtung, solch’ einem, auch von allen Nachbarvölkern übersetzten, weil auch dort hochgeschätzten Dichter einen Ausdruck des Dankes zu bieten.

Es ist in Deutschland leider nicht wie in anderen Ländern Brauch, daß der Staat Sorge trage für verdiente Schriftsteller, namentlich dann für dieselben Sorge trage, wenn das Alter ihre Erwerbskraft verringert. Wir haben auch keine Akademieen, welche verdienstvollen Schriftstellern Preise und Gehalte zuerkennen. Ergänzen wir darum diesen Mangel durch freie Sammlung, erfüllen wir eine Ehrenpflicht, indem wir das Alter eines unserer beliebtesten dramatischen Dichter zu erleichtern und sorgenfrei zu machen suchen.

Roderich Benedix ist nicht gesegnet mit den Gütern dieser Erde, er lebte und lebt nur von seiner Feder, und diese ist in Deutschland, und noch dazu bei vorgerücktem Alter des Schriftstellers, nicht eben ein Gold bringendes Instrument.

Die Unterzeichneten sind zusammengetreten, die Sammlungen für eine Ehrengabe an Roderich Benedix zu vermitteln, welche ihm zu seinem sechzigsten Geburtstage überreicht werden soll. Wir wenden uns hiermit an das deutsche Volk, an Hoch und Gering, an Alle, welche eingedenk sind, daß ihnen der Lustspieldichter Benedix so oft Freude gemacht; wir fordern sie auf, auch ihm eine Freude zu machen, und zwar eine dauernde, wir wenden uns an sie mit der herzlichen Bitte, unser Unternehmen durch Beiträge zu unterstützen.

Die Redactionen der „Gartenlaube“ und der „Leipziger Illustrirten Zeitung“ sind bereit, jeden Beitrag in Empfang zu nehmen.

Leipzig, im Mai 1870.

General-Director Dr. Eduard Devrient in Carlsruhe. Alphons Dürr. Adolph Focke. Stadtrath Dr. Günther. Hofrath Dr. Hoffmann, Ritter etc. Ernst Keil. Bürgermeister Dr. Koch, Ritter etc. Director Dr. Heinrich Laube. General-Intendant Baron von Münch-Bellinghausen in Wien. Hugo Scharff. Geheimrath Prof. Dr. von Wächter, Comthur etc. Stadtrath Franz Wagner. Consul J. J. Weber.

Es bedarf wohl nicht einer besonderen Versicherung unsererseits, daß wir den ehrenvollen Auftrag des eben genannten Comité’s mit großer Freude erfüllen werden.

Ueberzeugt von der Opferwilligkeit unserer deutschen Hof- und Stadttheater, die gewiß diese Gelegenheit gern ergreifen werden, der Ehrenpflicht der Dankbarkeit gegen den dramatischen Volksdichter durch Benefiz-Vorstellungen nachzukommen, wenden wir uns zuvörderst an alle die einzelnen Theaterbesucher, welche seit langen Jahren sich an den lebensfrohen Gestalten der Benedix’schen Muse erfreuen und unter Thränen echten Humors das helle Lachen fröhlicher Heiterkeit aufschlagen konnten. Mögen sie, wie es das Comité will, dem alternden unbemittelten Dichter, der ihnen so oft eine Freude gemacht, durch Beisteuern zu der Ehrengabe nun auch eine Freude zu bereiten suchen.

Daß auch die deutschen Sänger und Sängervereine, deren Ehrenpräsident unser Benedix ist, und die er so oft durch seine markigen Reden zur Begeisterung hingerissen, nicht zögern werden, ihren stürmischen Zustimmungen und Becherklängen jetzt auch die That folgen zu lassen, jetzt, wo es gilt, dem sechszigjährigen Greise zu den Lorbeeren vergangener Tage nun auch die Rosen eines sorgenfreien Lebensabends hinzuzufügen – das darf von uns mit Sicherheit vorausgesetzt werden. Deutsche Sänger haben ja nie gefehlt, wo es sich darum handelte, die beunruhigende Sorge von der Thüre zu scheuchen – die Lieder zu Ehren ihres Präsidenten werden doppelt kräftig zum Himmel auftönen.

Und schließlich wenden wir uns an alle die Dilettanten- und Liebhabertheater, deren theatralischen Zwecke ja vorzugsweise die poetischen Schöpfungen unseres Dichters gedient haben; mögen sie durch Aufführungen und Festvorstellungen zu Gunsten des Dichters in Etwas den Lohn abzutragen suchen, den die Verhältnisse in Deutschland dem schaffenden Bühnendichter versagen. Sie erfüllen damit nur eine Pflicht der Anerkennung und des Dankes.

Die Redaction der Gartenlaube sieht in freudiger Hoffnung den Resultaten obigen Aufrufs entgegen und wird Dotationsbeiträge gern annehmen und öffentlich quittiren.

Die Redaction der Gartenlaube 
Ernst Keil. 

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_352.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)