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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Um zur Bernsteinschicht, der gedachten „blauen Erde“ zu gelangen, werden die Uferberge, bald bloßer Sand, bald auch zäher Letten und Lehm, von oft mehreren Hundert Arbeitern, die damit im Frühjahr beginnen, in einer Länge und Breite von fünfzig bis achtzig Fuß und darüber abgetragen, das Abgeräumte sodann den Wellen zur Beute hingeschüttet.

Weil die „blaue Erde“, wie bemerkt, an den Uferrändern meist unter dem Meeresniveau liegt, so müssen die nachdringenden Wasser mittels Schöpfwerken (Pferdegöpel u. A.) oft unter großen Schwierigkeiten beseitigt werden. Ist die Schicht rechtzeitig, d. h. noch vor Eintritt der Winterstürme, welche mitunter die ganze Arbeit zu nichte machen, erreicht, so wird ihre Ausbeutung meist in wenig Wochen in folgender Weise beendet. Zwanzig bis dreißig Mann werden mit kleinen scharfen Spaten versehen auf der Decke der Schicht in einer Front aufgestellt, und stechen diese dann rückwärtsschreitend mit behutsam geführten Spatenstichen bis zu ihrer „Sohle“ aus. Der Bernstein, welcher sich durch Widerstand gegen den leise eingeführten Spaten verräth, wird dabei vorsichtig aus der umhüllenden Thonerde ausgeschält, und von den den Arbeitern vis à vis vorrückenden Aufsehern in Empfang genommen.

Bernstein-Taucher auf dem Meeresboden in Brüsterort.


Der hohe Werthgehalt und die reiche Ergiebigkeit der oft nur vier bis fünf Fuß mächtigen Bernsteinader offenbart sich wohl zur Genüge durch die Thatsache, daß ihre Ausbeutung die dazu erforderliche Abräumung solch gewaltiger Erdmassen (von zum Theil über hundert Fuß Mächtigkeit) als lohnend erscheinen läßt.

Ein gediegener Fachmann, der Oberbergrath Runge in Breslau, im Jahre 1867 zur Sondirung der Bernsteinfrage nach Ostpreußen gesandt, hat nun unlängst in seinem sachlich sehr eingehend gehaltenen Exposé das Unwirthschaftliche, wenig Rationelle dieses Gräbereibetriebs zur Sprache gebracht, welcher um zweifelhafter Erfolge willen das ganze so nutzbringende, wie malerische

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_381.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)