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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Die Tante blieb die ganze Ballnacht über sinnend und schweigsam, nur wenn Arthur mit Gretchen tanzte, was er natürlich so oft that, als es die Etikette erlaubte, und wenn das Paar an uns vorüberschwebte, leuchteten ihre Augen, und ein sonnenhelles Lächeln flog über der alten Jungfer faltiges Gesicht. Als wir gegen Mitternacht den Ball verließen, schritt Kett mitten durch den Saal auf Gretchen und deren Mutter zu, reichte Beiden die Hand und sagte zu ersterer mit schelmischem Lächeln: „Auf baldiges Wiedersehen! – Jungfrau – Goldelse!“

Wie’s nun weiter kam? Nun, die Leserin kann’s sich wohl denken. Arthur und Gretchen sind ein glückliches Brautpaar und im Oktober werden sie Mann und Weib werden. Kett aber, die alte Jungfer, ist noch einmal wieder jung geworden im Glück jener Glücklichen, denn jedes rein menschlichem Empfinden entsprießende und entsprossene Glück verjüngt auch den, der nur mittelbar daran Antheil hat.

Was nun mich betrifft, so bin auch ich Gretchen-Goldelse’s Freund geworden, werde auch auf ihrer Hochzeit tanzen, wohl aber werde ich mich hüten, nachdem die Gartenlaube diese kleine wahrhaftige Geschichte wird abgedruckt haben, meiner alten Freundin Kett sobald wieder vor die Augen zu treten, denn Frau von Pyrol, ihre Nachbarin, welche die Gartenlaube ständig liest, wird sich, sobald sie diese Geschichte findet, beeilen, der guten alten Jungfer mitzutheilen: „daß ich ihr habe drucken lassen!“ und auf den Strafsermon, der danach meiner harrt, bin ich gerade nicht sehr begierig. Freilich, allzuschlimm wird er in keinem Falle werden, denn Kett besitzt neben ihren vielen anderen Tugenden auch die ausgezeichnete und rühmenswerthe: Spaß zu verstehen.

C. Spielmann.


Auskunftsmappe der Gartenlaube. Auf unsere öffentlichen Anfragen bezüglich der „vermißten Landsleute jenseits des Oceans“ sind uns folgende Nachrichten zugegangen:

1. Emil Steger (Nr. 11 unserer Liste der Vermißten). Ueber ihn giebt uns die Wittwe Frau Marie Schäfer in Sorau folgende – leider traurige Nachricht, die einem Briefe ihres ältesten, 1863 ausgewanderten Sohnes entnommen ist. Er schrieb während des Bürgerkrieges aus dem Feldlager zwischen Alexandria und Colpepper am 5. October 1863: „In der Gegend von Görlitz soll ein Prediger Namens Steger sein, dessen Sohn war hier bei unserem Regiment, wurde in einem kleinen Treffen verwundet, wo wir die Verwundeten in einen nahegelegenen Wald trugen. Der Feind beschoß nachher den Wald und der junge Mann hat dort, nebst vielen Anderen, seinen Tod gefunden. Ist es Dir möglich, die Familie zu erfragen, so theile dies ihr mit.“ Nähere Auskunft würde durch den norddeutschen Consul in New-York oder die Gesandtschaft in Washington – durch Anfrage im Kriegsdepartement – um so leichter zu ermitteln sein, als man sein Regiment genau kennt: es war das 52. New-Yorker Volontair-Regiment, 2. Armeecorps, Washington, District Columbia, Compagnie B.

2. Albert Schröder (Nr. 1 unserer Liste). Frau Sophie Sommerschu in Corydon, Wayne County, Iowa, schreibt uns: „Ueber Herrn Albert Schröder aus Mühlberg an der Elbe, der das letzte Mal 1856 von Indianopolis aus schrieb, kann der unglücklichen Mutter vielleicht ‚Herr Adam Kistner, Eigenthümer des California Haus, Nr. 136 Illinois-Straße, Südwest-Seite (nahe dem Union Depot) in Indianopolis, Indiana, U. St. of America‘ irgendwelche Auskunft ertheilen. Indianopolis war 1856 noch ein sehr kleiner Ort, in welchem sämmtliche Bewohner recht gut einander kennen konnten, und Herr Kistner hat schon zwanzig Jahre dort seinen Wohnsitz.“

3. Karl Schmidtgen (Nr. 2 der Liste). Ueber ihn sind drei Briefe eingegangen. Die ohne Zweifel interessanteste Mittheilung auch für unsere übrigen Leser ist ein Brief des ehemaligen Commandanten des s. Z. vielberufenen Caperschiffes Alabama. Durch Herrn John Ruhm, Notary public und Attorney at Law in Nashville, Tenn., dazu veranlaßt, schreibt er:

„Mobile, Alabama, 4. März 1870.

Herrn John Ruhm in Nashville, Tenn.

Werther Herr! Ich habe Ihren Brief vom 28. v. M., worin Sie Auskunft über einen gewissen John Schmidtgen verlangen, erhalten. Wie Sie schreiben, diente der Genannte früher einmal auf dem Schiff ‚Emily Farnum‘. Die Auskunft, welche ich Ihnen geben kann, ist sehr spärlich. Ich erinnere mich, daß ich im October 1862, als ich die Alabama commandirte, ein Schiff jenes Namens gefangen nahm. Da genanntes Schiff ein neutrales Cargo am Bord hatte, gab ich dasselbe frei, ohne einen einzigen der Mannschaft mit mir zu nehmen. Der Capitain des Schiffes hieß Sims (nicht Semmes), war mir durchaus unbekannt und in keiner Weise verwandt. Seit jener Zeit habe ich weder von ihm noch von seinem Schiffe etwas gehört. Mit großem Bedauern darüber, daß ich den trauernden Verwandten, die die Nachfrage veranlaßten, nicht von größerem Nutzen sein kann, verbleibe ich achtungsvoll

Raphael Semmes.“

So schreibt Herr Semmes, einst der Schrecken des Atlantischen Oceans für den nordamerikanischen Kauffahrer, jetzt Rechtsanwalt in Mobile. – Dieser Brief erledigt von selbst den zweiten, in welchem Herr C. Inst zu Kandel in der Rheinpfalz die Adresse von Semmes Bruder in New-Orleans angiebt. Desto wichtiger ist der dritte, von Herrn Rud. Lichtenberg in Bremen, welcher den Capitain Simes noch im December des vorigen Jahres in Rangoon sah und bereit ist, selbst in dieser Sache an ihn zu schreiben. Uebrigens glaubt er, daß der amerikanische Consul in Rangoon, Herr John Holliday, eher im Stande sein werde, Auskunft über den Vermißten zu geben. Auch könnte an den deutschen Consul Herrn H. H. Krüger in Rangoon geschrieben werden, damit dieser vom amerikanischen Consulate Erkundigungen einziehe.

4. Hermann Köllner (Nr. 7 der Liste). Herr Karl Raab, Kaufmann in Dietz (Nassau) schreibt, daß er Anfang 1867 in Mexico einen Köllner kennen gelernt habe, der bei der französischen Fremdenlegion diente und beim Rückzug der französischen Truppen in Mexico zurückgeblieben sei. Er soll noch bis Ende Juli des genannten Jahres in Mexico gewesen und dann mit zehn bis zwölf anderen Deutschen über den Hafen San Blas nach Californien gegangen sein.

5. Fritz August Coblenz (Nr. 8 der Liste). Zwei Anerbietungen: Herr Jos. Brüssel in Leipzig (Brühl 11, erste Etage) hat einen Bruder in Batavia, der schon seit mehreren Jahren dort lebt und sich in höheren Kreisen bewegt; durch ihn hofft er Nachricht über den Vermißten zu erlangen. – Herr Henry Cox, Stud. aus der Polytechn. Schule zu Delft in Holland, schreibt, daß man sich in dieser Angelegenheit an den „Minister der Colonien“ zu wenden habe, welcher zu möglichster Auskunft in dieser Beziehung verpflichtet sei. Das Schreiben könne in deutscher oder französischer Sprache abgefaßt sein. Wenn aber dieser Jedem offene Weg erfolglos bleibe, dann sei er erbötig, selbst Schritte für die Auffindung des Vermißten oder der Nachricht über ihn zu thun. – Mitte Mai erhielten wir einen dritten Brief von Herrn Joh. Boes Lutzent in Amsterdam, demzufolge Koblenz (wie er ihn ausdrücklich, statt Coblenz, schreibt) am 7. Januar 1856 mit dem holländ. Schiffe „Amphitrite“ als Soldat nach Java abreiste und am 10. Januar 1862 auf der Heimreise in Brouwershaven am Bord des holl. Schiffs „Kosmopolit“ gestorben ist.

6. Julius Herrmann (Nr. 10 der Liste). Herr Gasmesser-Controleur Herrn. Kollenk in Leipzig giebt den Rath, eine Anfrage an „Hrn. Gottlob Große, 9. Ward, Teutonienstraße in Milwaukee, St. Wisconsin“ zu richten – und eine mündliche Nachricht sagt, daß Herr Pfeifer, der Compagnon Herrmann’s in Milwaukee, noch lebe und daß ein Brief an ihn am sichersten durch Herrn Theodor Pfeifer in Leipzig, Brühl Nr. 77, besorgt werde.


Weitere Liste der Vermißten.

12) Karl G. Hantusch, der sich in Amerika Charles G. Huntosh schrieb, aus Schlunkwitz bei Bautzen, wanderte vor vierzehn Jahren als Stellmacher aus. Er heirathete 1860 eine Amerikanerin, als deren Adresse er angab: „M. Lydia M. Huntosh, Anoka, Minnesota“, war von 1864 bis 1866 Soldat in dem Cavallerie-Bataillon Hatche, erwarb 1867 ein Landgut bei Unoka und schrieb zuletzt am 15. October 1868 aus Popel Holler, Staat Minnesota, an seine Mutter, daß er in Geldverlegenheit sei. Ein Wechsel der Mutter auf die „First Nationalbank St. Paul in Minnesota“ an ihren Sohn kam jedoch ohne alle weitere Bemerkungen, als den „Not known“-Stempel auf der Adresse, zurück, eine zweite Sendung hatte denselben Erfolg – und so weiß die kummervolle Mutter noch heute nicht, was aus ihrem Sohn, dessen Gattin und beiden Kindern geworden ist.

13) Hugo Freyer, ein Müllergeselle, und dessen Schwester Hedwig mit ihrem Manne, dem Gärtner Dietrich, sämmtlich aus Mohorn bei Tharand, wanderten 1856 zu ihrem Bruder Franz Freyer nach Florida aus, wo dieser in Micanopy eine Farm besaß. Später ging Hugo Freyer nach Baltimore, und im März 1861 schrieb er seinem Bruder von St. Louis (Missouri) aus, daß er unter die Fahnen der Freiheitskämpfer getreten sei. Die Dietrich’schen Eheleute waren 1862 nach Baltimore und von da weiter in’s Innere gezogen. Seitdem sind alle Nachforschungen nach den Vermißten durch die deutschen Consuln in Nordamerika, sowie durch das Kriegsdepartement in Washington vergeblich gewesen; – und doch kann nur Gewißheit über Leben oder Tod derselben ihren sehr armen Verwandten zu einer im Bezirksgericht Dresden liegenden Erbschaft verhelfen.

14) August Hummel aus München, 1850 geboren, ging 1864 zur See, war zu Anfang des Jahres 1868 einige Zeit in Philadelphia, von wo die letzten Nachrichten an die Seinigen gelangten. Später ging er an Bord des V.-St.-Depotschiffes „Potomac“, Kapitän De Camp, diente im Sommer desselben Jahres einige Zeit in der „Pushmataha“ und soll von da nach einer Muthmaßung sich auf ein Handelsschiff, nach einer andern in die Goldminen Californiens oder Australiens begeben haben. Auf dem „Potomac“ hatte er sich als „James Warner“ eintragen lassen, früher aber den Namen „Barcham“ geführt. „Wer ihn gekannt,“ schreibt sein Vater, „erinnert sich gewiß noch des fröhlichen jungen Deutschen mit den hellblauen Augen und braunen Haaren und der über sein Alter kräftigen Gestalt.“ – Die bekümmerten Eltern würden einen Brief von ihrem Sohne gern mit Gold aufwiegen, wenn es sein muß.

15) Zwei Brüder Kallenberg, Albert und Eduard, aus Langensalza, beide gelernte Kaufleute. Der ältere Bruder wanderte 1862 nach Amerika und schrieb in seinem zweiten und letzten Briefe, daß er Soldat geworden sei. Der jüngere Bruder reiste im Frühjahr 1863 erst nach Liverpool, von wo er mehrmals schrieb, und von da ebenfalls nach Amerika, wie der Vater leider erst nach Jahr und Tag vom Liverpooler Principal desselben erfuhr. Seit fünfzehn Jahren verwittwet steht der vierundsechzigjährige Mann allein da, gepeinigt von der entsetzlichen Ungewißheit über das Schicksal seiner Söhne.

16) Wilhelm Hensel, Schiffsmann aus Heinsen a. d. Weser im Hannöverschen, seit Jahren von der Heimath abwesend, wird dringend gesucht von dem Schiffer Moritz Rathmann in Heinsen.

17) Louis Kleine von Laer bei Münster in Westphalen, wanderte im Frühjahr 1861 nach Amerika aus, wurde als Wundarzt in Blenker’s Regiment in der Schlacht bei Bull-Run verwundet, lag vierzehn Monate lang gefangen in Richmond, war dann nach Brooklyn bei New-York gegangen und dort, nach seinem letzten Briefe vom 3. Februar 1865, wegen Verwundung an der linken Hand um Entlassung und Pension eingekommen. Von da wollte er nach Kentucky gehen und dort als Arzt prakticiren. Er ist der jüngste Sohn seiner Familie, an dem die kränkliche Mutter mit ganzem Herzen hängt. Ein älterer Bruder desselben schreibt uns dies aus Amsterdam.


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