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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

aufzugeben gezwungen sind, oft in eine sehr traurige Lage versetzt werden. Darum muß nicht nur dahin gestrebt werden, das Sehorgan in der Jugend vor Leiden aller Art zu schützen, sondern es muß auch bei Bestimmung des Berufes nach den dem Auge so nachtheiligen Schuljahren die gehörige Rücksicht auf die Beschaffenheit des Sehorgans genommen werden.

Nur in Kürze wollen wir die Gesetze, welche bei der Pflege des Auges, wenn dieses für den Lebensberuf und fürs Leben ausreichen soll, zu beachten sind, und welcher ebenso der Lehrer wie der Schüler (in Folge von Belehrung durch den Lehrer) stets eingedenk sein sollte, hier im Allgemeinen anführen. – Zuvörderst muß vom Auge, so weit es nur immer möglich gemacht werden kann, die Einwirkung von schädlicher Luft, mit Staub, Rauch, scharfen Dünsten, sowie von zu großer Hitze und Kälte (auch von sehr kaltem Waschwasser, besonders gleich nach dem Erwachen) und von Zugluft abgehalten werden. – Sodann sind Verletzungen aller Art, z. B. Schläge an den Kopf (wie bei Bestrafung des Schulkindes durch den Lehrer) und starker Druck auf das Auge (wie bei’m Zuhalten derselben von hinten her), sowie das Eindringen fremder Körper in dasselbe zu verhüten. – Ganz besonders ist aber auf das (natürliche wie künstliche) Licht, welches auf und in das Auge fällt, zu achten, da dieses die häufigste Schuld an den vielen Augenleiden trägt, und zwar besonders dann, wenn es zu stark und grell ist, so daß es die Nervenhaut des Augapfels durch Ueberreizung lähmt. Ein solches blendendes Licht schadet am meisten, wenn es plötzlich nach vorheriger Dunkelheit, oder wenn es von unten und von der Seite, oder von einem leuchtenden Gegenstande her zurückgeworfen, in unser Auge fällt. Schaden bringt also dem Auge: das oft und lange Sehen in die Sonne, den Mond, in Feuer, Flammen, auf spiegelnde und glänzende Gegenstände (auf von der Sonne beschienene Eis- und Schneeflächen), das Arbeiten (Zeichnen, Lesen, Schreiben, Nähen, Sticken etc.) im hellen Sonnenlichte, das Sehen beim Erwachen sofort in grelles Licht. Ebenso schadet aber auch ein zu schwaches Licht, besonders in der Dämmerung, durch Ueberanstrengung des Auges, zumal wenn dabei feinere Gegenstände besehen und feine Arbeiten gemacht werden. Das unstete, flackernde Licht, so wie ein aus natürlichem und künstlichem gemischtes Licht wirkt ebenfalls nachtheilig.

Der gehörigen Lichtmenge wegen muß beim Baue eines Schulhauses durchaus darauf Rücksicht genommen werden, daß dasselbe eine freie Lage habe und dem Lichte der Zutritt nicht verwehrt werde. Das Schulhaus stehe also (wenn möglich etwas erhöht) nicht zu nahe an hohen Gebäuden (Kirchen), welche der Schule entweder Licht nehmen oder reflectirtes zusenden, nicht in der Nähe von vielen und hohen Bäumen, welche das Licht schwächen und unstet machen können. Das wichtigste Erforderniß für ein Schulzimmer ist stets ein ausreichendes, alle Punkte des Zimmers erhellendes und trotzdem die Augen der Schüler nicht blendendes Licht. Selbst bei trüber Witterung muß ein Schulzimmer doch noch soviel Licht bekommen, daß auch das vom Fenster am entferntesten sitzende Kind ohne Anstrengung noch deutlich sehen kann.

Die Art des Arbeitens und der Arbeit gefährdet das Auge ebenfalls sehr leicht, wenn sie demselben nicht richtig angepaßt wird. Hierbei ist zunächst eine zu lange Anstrengung des Auges, zumal wenn die Arbeit sehr fein oder glänzend, von zu heller oder dunkler Farbe, eine häufige Quelle von Augenleiden. Es ist deshalb durchaus nöthig, wenn ein solches Arbeiten nicht Schwachsichtigkeit (bei welcher die Sehkraft abnimmt und schnell ermüdet) veranlassen soll, das Auge von Zeit zu Zeit ausruhen zu lassen und auf beschattete, mattgraue Gegenstände zu richten, oder mit der Arbeit zu wechseln. – Ganz besonders ist aber eine zu geringe Entfernung des Sehgegenstandes vom Auge insofern von Nachtheil, als sie Kurzsichtigkeit (bei welcher das Auge nur nahe Gegenstände scharf zu sehen vermag) erzeugt. Alles, was uns zwingt, zur schärferen Beobachtung den Gegenstand unserm Auge nahe zu bringen, fördert die Kurzsichtigkeit.

Die Kurzsichtigkeit, welche sich nach und nach bis zur wirklichen Schwachsichtigkeit steigern kann, ist dasjenige Augenleiden, welches am häufigsten den Schuljahren entstammt. Sie wird dadurch veranlaßt, daß das Kind seine Augen (zumal beim Schreiben) zu nahe an den zu sehenden Gegenstand bringt und zu bringen gezwungen ist. Jedoch trägt weit weniger die Schule, wo der Lehrer die körperliche Haltung der Kinder in dieser Hinsicht überwacht, die Schuld an diesem durch anhaltendes Sehen auf zu nahe Gegenstände erzeugten Augenleiden, als das elterliche Haus, wo in der Regel über das arbeitende Kind und dessen Augen keine Aufsicht geführt wird und dasselbe beim Arbeiten (nicht selten im hellen Sonnenlichte) sich meistens viel zu tief auf die Arbeit niederbückt. Deshalb hat aber auch der Lehrer um so mehr die Pflicht, seine Schüler mit der richtigen Pflege der Augen, und zwar schon in den untersten Schulclassen bekannt zu machen und ganz besonders zu warnen: vor der zu großen Annäherung des Auges an die zu sehenden Gegenstände (eine Annäherung von zwölf bis zehn Zoll genügt für ein normal gebautes und gesundes Auge), vor Ueberanstrengungen des Auges und vor falscher Beleuchtung (vor zu grellem, unzureichendem, unstetem und gemischtem Lichte).

Daß in der Schule Alles gethan werden muß, um Kurzsichtigkeit und Schwachsichtigkeit, wie überhaupt jedes Leiden vom Auge des Schülers abzuhalten, versteht sich zwar von selbst, aber es geschieht trotzdem doch nur in sehr unzureichendem Grade und zwar deshalb, weil die allermeisten Lehrer – viele der Herren Schuldirectoren nicht ausgenommen – sich noch gar zu wenig um die Einrichtung und Pflege des menschlichen Körpers bekümmert haben und bekümmern. – Um Kurzsichtigkeit zu verhüten, muß ganz besonders darauf geachtet werden, daß die Bänke der Kinder der Größe angemessen eingerichtet werden und daß das Verhältniß des Sitzes zum Pulte ein solches ist, daß das Kind mit gerader oder nur leicht vorgebeugter Haltung des Körpers und ohne seinen Kopf oder Rumpf stark zu krümmen, die Augen in die gehörige Entfernung (zehn bis zwölf Zoll) zum Pulte bringen kann. Zu diesem Zwecke muß die Tischplatte auch etwas geneigt (etwa zwei Zoll auf zwölf Zoll Breite) sein. Da auch bei unzureichendem Lichte und sehr kleinen Schriften der Schüler sein Auge dem Gegenstande zu sehr und bei vorgebeugtem Kopfe nähern muß, dadurch aber der beim Einstellen des Auges zum Nahesehen thätige Muskel überangestrengt wird, so kann ein solches Licht und das angestrengte Sehen auf feine Gegenstände ebenfalls Kurzsichtigkeit erzeugen und, wenn oft und längere Zeit das Auge bei zu geringem Lichte angestrengt wird, zu bedeutender Schwächung der Sehkraft führen. – Der Blödigkeit oder Schwachsichtigkeit (an welcher sicherlich geschlechtliche Unart häufig mit Schuld trägt) läßt sich dadurch entgegentreten, daß der Schüler (zumal der schwächliche und blutarme) nicht mit Arbeiten überbürdet wird, wobei die Augen stark in Anspruch genommen wird. Allerdings wird hiergegen fast mehr im Hause (durch die vielen Privatstunden und weiblichen Arbeiten) als in der Schule gefehlt. Eine solche Ueberbürdung wird um so verderblicher, je unpassender das Licht (besonders das künstliche) dabei und je feiner die benutzten Gegenstände (die Noten, Lettern, Stickmuster etc.) sind. Es sollen ferner bei unzureichendem Lichte Kinder niemals lesen, schreiben, zeichnen, sticken etc. dürfen, denn nichts verdirbt und schwächt die Augen so leicht, als Verstöße gegen diese Vorschrift. Deshalb muß ein Schulzimmer stets die gehörige Menge Lichtes besitzen und niemals dürfen Stunden, bei denen das Auge angestrengt wird, im Dämmerlichte gehalten werden. Die Kurz- und Schwachsichtigkeit wird durch geringes Licht, bei dem die Kinder ihre Augen dem Sehobjecte sehr nähern müssen, bedeutend gefördert. Der Unterschied, mit wie viel weniger Anstrengung und wie viel ferner man bei voller Beleuchtung als bei geringer Zimmerhelle sieht, ist nicht unbedeutend. Auch die dunkle Schiefertafel, sowie die blasse Tinte nöthigen das Kind, dem Objecte näher zu gehen. Sodann dürfen beim Schreiben- und Lesenlernen niemals zu kleine Schriften (Musterschriften, Geschriebenes und Gedrucktes) in Anwendung kommen, und nie dulde man bei Kindern das Geizen mit dem Raume des Papiers, sowie das Zusammendrängen der Buchstaben und Zeilen.

Wie das Gehirn, verlangt auch das Auge, wenn es gebraucht wurde, die gehörige Pause zum Ausruhen und es sollte das Auge niemals mehrere Stunden hintereinander angestrengt werden. Schon in der einen Stunde sind kleinere Pausen dem Auge wohlthätig. – Daß auch übermäßig starkes, von sehr hellen und spiegelnden Flächen reflectirtes, sowie unstetes und unreines (künstliches und aus diesem und natürlichem gemischtes) Licht vom Auge des Schülers abgehalten werden muß, versteht sich wohl von selbst. Deshalb ist auf den Anstrich des Schullocals, die Fenster mit ihren Gardinen und Rouleaux, den Fußboden,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_399.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)