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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

beliebt, als Susan Snively, die ziemlich alt aussieht, graue Augen, dunkles Haar und dito Teint hat und sich mit Spinnen und anderen Handarbeiten beschäftigt.

Nr. 12, 13, 14 und 15. Jemima Angell, eine Schwester von Young’s erster Gattin, ist von kleiner Statur und ziemlich stark. Brigham besucht diese Dame nur selten, woran ihr auch nicht viel gelegen sein wird, da sie sich ihm nur wegen der Rangerhöhung in der zukünftigen Welt hat „versiegeln“ lassen. – Ihr folgte Margaret Alley. Sie war ein kleines Frauchen mit hellem Haar und blauen Augen und starb im Jahre 1853 mit Hinterlassung von zwei Kindern. Um sich über diesen bittern Verlust zu trösten, heirathete Brigham Mrs. Hampton, ein großes und schönes Weib mit großen schwarzen Augen, üppigem schwarzem Haar und blassem Teint. Von ihrem ersten Gatten hatte sie sechs Kinder, von Brigham dagegen gar keine. Mrs. Hampton schien von vornherein auf ihre Aussichten für die zukünftige Welt nicht viel zu geben, denn sie hat sich dem Propheten nur „auf Zeit“, d. h. für diese Welt, antrauen lassen. Mary Bigelow aber war zwar Young’s Gattin, hat jedoch den Harem verlassen; was aus ihr geworden, ist mein Gewährsmann außer Stande anzugeben.

Nr. 16, Emmeline Free, „das Licht des Harems“, ist ein bildschönes, schlankes und graciöses Weib mit Veilchenaugen und lockigem Haar, in der That „lieblich anzuschaun“. Es ist daher kein Wunder, daß der Prophet, der, wie bemerkt, ein feiner Kenner weiblicher Schönheit ist, große Stücke auf sie hält. Auch Emmelinens Eltern waren schon Mormonen. Seine Liebe zu Nr. 16 hinderte den Propheten jedoch nicht daran, sich bald auch

Nr. 17, Eliza Roxy Snow, zuzulegen. Eliza Roxy ist unter dem ehrenvollen Beinamen „die Dichterin Utahs“ bekannt; sie „macht“ nämlich in Poesie und ist überhaupt ein sehr intelligentes Weib. Auch in ihrem Aeußern hat sie etwas von einem Blaustrumpf an sich: dunkles in’s Graue spielendes Haar, schwarze und durchdringende Augen, eine ziemlich lange und sehr spitze Nase, große und würdevolle Figur. Außer ihren Gedichten, die in Utah sehr beliebt sind, hat Eliza auch zwei Bücher in Prosa geschrieben, deren Inhalt mir leider fremd ist.

Nr. 18 und 19, Zina D. Huntingdon Jacobs, groß mit hellen grauen Augen, lebt nur für ihre Kinder, wie auch Amelia Partridge, ein schönes Weib mit schwarzem Haar, dunklen Augen, dunklem Teint, sich eifrig ihren vier Sprößlingen widmet.

Nr. 20 und 21, Augusta Cobb, verließ eine angenehme Häuslichkeit und die beste Gesellschaft Bostons, welcher sie angehörte, um nach Utah zu gehen und den Propheten zu heirathen. Sie ist ein großes, brillantes und geistvolles Frauenzimmer mit gebieterischen Manieren, welche ihr bei ihrer Königswürde in der nächsten Welt sehr zu statten kommen müssen. Dafür hat es Mrs. Smith, ein altes Weib, vorgezogen, sich dem Propheten Brigham nur „für Zeit“ und seinem Apostel Joe Smith, dessen Conto in jene Welt noch nicht so arg belastet ist, „für die Ewigkeit“ antrauen zu lassen. Eine praktische Frau!

Nr. 22, Clara Chase, hatte dunkles Haar und dunkle Augen und soll ein bildschönes Weib gewesen sein. Sie gebar dem Propheten vier Kinder, von denen noch zwei am Leben sind. Die Aermste soll den Propheten leidenschaftlich geliebt haben, so leidenschaftlich, daß sie wahnsinnig wurde und, als sie eine Nachfolgerin erhielt, starb. – Ueber

Nr. 23, 24, 25, 26, 27 und 28 hat mein Gewährsmann leider nicht das Mindeste zu erfahren vermocht, daher kann ich Ihnen nur noch etwas über

Nr. 29, Amelia Folsom, Brigham’s letzte Frau, mittheilen. Amelia ist etwa dreiundzwanzig Jahre alt und sieht passabel aus: sie hat helles Haar, graue Augen und eine graciöse Gestalt. Sie ist ziemlich blaß, singt und spielt Clavier, ist aber in ihren Manieren mitunter von einer Derbheit, welche sich für eine Königin der andern Welt nicht gut schicken will. Amelia ist stolz und hochmüthig und behandelt den Propheten, mitunter sogar vor fremden Leuten, herzlich schlecht. Dies ist die letzte von Brigham’s Frauen – während ich schreibe; ich möchte jedoch nicht behaupten, daß sie es noch sein wird, wenn diese Zeilen in Deutschland gelesen werden.

Fräulein Selina Ursenbach als Nr. 30 war dem Propheten leider nicht vergönnt – trotz aller Mühe, die er sich gab, diese junge Dame zu erobern. Selina war eine bildschöne junge Genferin, die mit ihren Eltern und ihrem Bruder aus der Schweiz gekommen war, um hier Musikunterricht zu geben, und in welche sich Brigham sterblich verliebte. Umsonst waren aber all’ seine glänzenden Anerbietungen, ja sogar die sichere Aussicht auf eine so bedeutende Rangerhöhung in dieser und die Würde einer Königin in jener Welt vermochten auf die schöne Schweizerin keinen Eindruck zu machen: sie blieb allen Anerbietungen des Propheten gegenüber taub. Da sie aber bereits lange genug in Utah war, um zu wissen, daß es mit den Werbungen Brigham’s seine eigene Bewandtniß hat und daß er einen einmal gefaßten Plan, wenn er die Macht hat denselben durchzuführen, niemals aufgiebt, so packte sie eines schönen Morgens ihren Koffer und schüttelte den Staub des „neuen Jerusalem“ von ihren Schuhen. Man sieht nun nicht mehr ihr liebliches Antlitz und ihre herrliche Gestalt in dem schönen Theater der Salzseestadt, man hört nicht mehr ihre klangvolle und mächtige Stimme im heiligen Tabernakel – und der arme, alte, in Liebesgram sich verzehrende Brigham irrt einsam und verlassen in den Zimmern und Corridoren des „Löwenhauses“ umher und hat Niemand, der ihm Trost zuspräche, Niemand, der ihn aufheiterte, als höchstens Lucy Nr. 1 und 2, Harriet Nr. 1 und 2, Eliza, Ellen, Susan, Jemima, Margaret Nr. 1 und 2, Hannah, Mary, Emmeline, Eliza Nr. 2, Zina, Amelia Nr. 1 und 2 etc. – Armer, bedauernswerther Brigham!

Nachdem ich dem verehrten Leser eine so ausführliche Schilderung der Frauen Brigham Young’s gegeben habe, wird es für ihn wohl auch von einigem Interesse sein, etwas über die Wohnung dieser Damen und ihre Lebensweise zu erfahren. Und zu diesem Behufe lade ich den Leser zu einem kleinen Spaziergange nach dem nördlichen Theile der Salzseestadt ein, wo sich die von einer acht Fuß hohen und ziemlich dicken Mauer eingeschlossene und ein ausgedehntes Besitzthum bildende Residenz des Propheten befindet. Ein in der Südseite dieser Mauer angebrachtes, sehr großes und von einem aus Stein gehauenen Adler überragtes Thor führt zu einem umfangreichen, zierlich abgetheilten, äußerst sorgfältig gepflegten und in überreicher Fülle von Früchten und Blumen prangenden Garten, in dessen Mitte ein großes Häuserquadrat emporragt. Nachdem man einen breiten und plattgewalzten Kiesweg entlang gegangen ist, kommt man zuerst an die „Zehnten-Office“ und sodann zu demjenigen Gebäude, welch das eigentliche Wohnhaus Brigham’s und seiner Frauen, sein Harem ist und das „Löwenhaus“ genannt wird.

Das Löwenhaus ist zweiundneunzig Fuß lang, zweiunddreißig Fuß breit und drei Stockwerke hoch, es enthält neununddreißig Zimmer und hat dreißigtausend Dollars gekostet. Tritt man von der Südseite aus in das Erdgeschoß, so kommt man in einen breiten, das Gebäude in seiner ganzen Länge durchschneidenden Corridor. Zur Linken dieses Corridors liegen der Speisesaal, die Geschirrkammer, die Küche, das Wasch- und das Schulzimmer; zur Rechten der Keller, die Wohnung des Kutschers, die Speisen- und die Vorrathskammern und eine schöne Halle.

Das zweite und dritte Stockwerk werden ebenfalls von einem sie der ganzen Länge nach durchschneidenden Corridor in zwei Hälften getheilt, und es befinden sich in denselben das Sprechzimmer oder der Salon, welcher hier gleichzeitig als Betsaal dient, und die Wohn- und Schlafzimmer der Damen Young und ihrer Nachkommenschaft. Vergebens würde man in allen diesen Räumen Pracht und Luxus suchen; sie sind zwar sämmtlich comfortable, aber mit mehr als bürgerlicher Einfachheit eingerichtet. Gleich beim Eintritt in das zweite Stockwerk liegt zur Linken das Sprechzimmer vor uns, welches mit seinem eleganten Brüsseler Teppich, seinem Rosenholz-Piano, Mahagoni-Möbeln, großen Spiegeln, mächtigen silbernen Leuchtern, Damast-Gardinen und zahlreichen Vasen mit den ausgesuchtesten und stets frischen Blumen einen überaus freundlichen und gefälligen Eindruck macht.

Dicht neben dem Sprechzimmer liegt Zimmer Nr 2, die Wohnung von Emmeline Free, dem „Licht des Harems“. Diese Dame ist, wie bereits bemerkt, noch immer die Favoritin des Propheten und allein im Stande, ihn, wenn auch nur für Augenblicke, die verführerische und spröde Selina vergessen zu machen, ihr Zimmer ist daher auch mit besonderer Sorgfalt ausgestattet. Dennoch bilden ein einfacher gewirkter Teppich, ein hohes Himmelbett, ein Sopha, ein Tisch, ein paar Stühle, ein Kleiderspind, ein Spiegel und bedruckte leinene Rouleaux sein ganzes Ameublement.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_424.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)