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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

machte ihn in der That und damit hatte er sich auf die abschüssige Bahn seiner kolossalen Schwindeleien begeben. Die verschiedensten und einander widersprechendsten Unternehmungen wurden durcheinander geworfen; der Gewinn der einen mußte den Verlust der andern decken und das Ganze artete schließlich in eine kolossale Wechselreiterei aus, die sich von diesem ehrsamen Handwerk nur dadurch unterschied, daß Langrand die trügerischen Anlehen bei seinen eigenen Geschäften machte, während sonst die beschränkteren Mittel eines gewöhnlichen Wechselreiters heute diesen, morgen einen andern beliebigen Geschäftsmann zum Opfer ausersehen.

Er wußte dies vortrefflich anzugreifen. Im Jahre 1859 errichtete er in Brüssel eine „Allgemeine Versicherungsgesellschaft“ mit einem Capital von zwanzig Millionen Franken, die nur den Zweck hatte, die Actien der früher von Langrand errichteten Gesellschaften zu kaufen und zu verkaufen, und auf diese Weise den Börsencours dieser Papiere nach Willkür regeln zu können.

Bis jetzt waren Langrand und Mercier Hand in Hand gegangen; das Publicum verhielt sich noch ziemlich theilnahmlos, obwohl die gesammte klerikale Presse Belgiens einstimmig für die Langrand’schen Unternehmungen Propaganda machte.

Die cynische und schamlose Weise, mit der Langrand und seine Genossen bei der Errichtung der eben genannten Versicherungsgesellschaft in Brüssel zu Werke gingen, die Unverschämtheit, mit der diese Herren sogleich Hunderttausende in ihre Tasche zu stecken begannen, öffnete doch einigen ehrlichen Actionären die Augen; sie drohten den Unternehmern mit einer Betrugsklage, sofern die Gesellschaft nicht augenblicklich aufgelöst und den Actionären das einbezahlte Geld wieder zurückgegeben würde. Langrand mußte den Raub wohl oder übel herausgeben; da er aber selbst fühlte, daß seine Aussichten für den Augenblick in Belgien vernichtet waren, hielt er es für angezeigt, den Schauplatz seiner Wirksamkeit zu verlegen, natürlich nicht ohne die geheime Hoffnung, später mächtiger und stärker, als zuvor, wieder im eigenen Vaterlande auftreten zu können, eine Hoffnung, die über seine kühnsten Erwartungen hinaus in Erfüllung ging. Den günstigen Operationsboden fand er in Oesterreich, wo er, wie wir sahen, schon eine Gesellschaft, die Vindobona, gegründet hatte.

Die klerikalen Journale in Belgien mußten nach dem italienischen Kriege von 1859 wiederholt und beinahe täglich verkündigen, daß für Oesterreich nunmehr die Zeit der Wiedergeburt angebrochen sei, daß das Geld in diesem Staate buchstäblich auf der Straße liege, daß man es nur aufheben dürfe etc. Man dürfe nur Vortheil von der Lage ziehen, die Bevölkerung sei in der Hand jüdischer und protestantischer Wucherer und werde mit beiden Händen gierig Geld annehmen, bereit, dafür einen Zins zu bezahlen, der in Belgien allerdings ungeheuer hoch, in Oesterreich aber niedrig sei, jedenfalls viel niedriger, als der, welchen sie jetzt an Juden und Protestanten zu bezahlen habe. Deshalb solle man nur getrost das in Belgien im Ueberflusse vorhandene Geld nach Oesterreich senden. Die That folgte denn auch sofort. Langrand errichtete 1860 seine siebente Gesellschaft „Hypothekenbank“ mit einem Capital von zwölf Millionen Franken, wovon übrigens nur eine Million achthunderttausend Franken einbezahlt werden sollten. Der Sitz der Gesellschaft war in Brüssel; ihr Zweck war, in Belgien gegen Pfandbriefe Geld aufzunehmen und dieses in Oesterreich gegen hypothekarische Versicherung wieder auszuleihen. Die Vindobona in Wien mußte für die regelmäßige Bezahlung der Jahresrenten bürgen, was natürlich nur eine Scheinbürgschaft war, während die Pfandbriefe, die in Brüssel verkauft waren, jeder hypothekarischen Sicherheit entbehrten und im Grunde genommen nur Anweisungen auf Langrand waren. Mit der größten Anstrengung war es nur gelungen, für fünfzigtausend Franken von diesen Pfandbriefen in Umlauf zu setzen. Das Geschäft schien zu stocken. Mercier trat als rettender Deus ex machina auf. Es kam vor Allem darauf an, die Gesellschaft für sich zu gewinnen, um vermittelst ihres Einflusses den Pfandbriefen beim Landvolke Eingang und Absatz zu verschaffen. Langrand und Mercier umgaben sich denn auch sofort mit einem glänzenden Stab, gebildet aus den höchsten Spitzen der belgischen katholischen Geistlichkeit; zwei andere klerikale Exminister alliirten sich mit Langrand, nämlich de Dekker und Deschamps; ferner der Graf Duval de Beaulieu, und endlich noch der bekannte Vater des berüchtigten belgischen Klostergesetzes, der Exminister Alphonse Nothomb, und sogar ein activer Staatsminister, der Baron d’Anethau. Mit solchen Bundesgenossen an der Hand konnte es natürlich nicht mehr fehlen, de Dekker war der Bruder eines hohen Geistlichen, Deschamps der Bruder des Erzbischofs von Mecheln und die genannten Namen überhaupt bildeten damals, wie noch heute, als die Häupter der klerikalen Partei, einen besondern Staat im belgischen Staate. Die niedere Geistlichkeit bekam natürlich ihre Ordres und trotz des canonischen Verbotes clericum non decet negotiari (ein Geistlicher soll kein Geschäftsmann sein) konnte man bald das pikante Schauspiel sehen, wie Landpfarrer und Vicare, natürlich gegen gute Provision, Pfandbriefsmäkler wurden und den Sparpfennig des Bauers und Arbeiters den Langrand’schen Unternehmungen zuführten!

Langrand operirte indessen in Wien unverdrossen weiter und es war daselbst der hohe und in seinen Vermögensverhältnissen manchmal etwas zerrüttete Adel, auf den er es abgesehen hatte. Langrand kannte seine Leute hier ganz gut. Vom Jahre 1854 an hatte sich der österreichische Adel an der wildesten Specutation betheiligt. Zur Gründung der Wiener Creditanstalt, des bekannten Abbildes des Pariser Crédit mobilier gaben hochadelige Personen Namen und Capital her, und es war gewiß ein erhebender Gedanke, wenn die Vertreter des höchsten Adels mit den Söhnen Abraham’s friedlich im Verwaltungsausschuß am Tische saßen und verkehrten. Die adeligen Casino’s waren in den Jahren 1854, 1855 und 1856 die Orte, an denen der wildeste Actienhandel betrieben wurde; man betrachtete damals in jenen Kreisen das Speculationsgeschäft gleichsam als Sport. Bald verkündigten denn auch die klerikalen Journale Belgiens, daß Langrand der Hausfreund österreichischer Erzherzöge sei, daß er mit den Esterhazy, Liechtenstein, Thurn und Taxis auf vertrautem Fuße lebe, ja daß der Kaiser von Oesterreich selbst schlechterdings keinen Tag vorbeigehen lassen könne, ohne mit Langrand verkehrt zu haben! Allerdings, er lebte hier auf fürstlichem Fuße, warf das Geld geradezu weg, gab königliche Trinkgelder, die er natürlich seinen verschiedenen Gesellschaften als Spesen und Unkosten aufrechnete, ohne übrigens in die lächerlichen und prahlenden Parvenumanieren zu verfallen. Allein alles dies zog noch lange nicht genug, das Geld wollte aus Belgien, trotz aller klerikalen Anstrengungen, nicht fließen, und so griff man einfach zum gemeinen Betrug, indem man fingirte Dividenden austheilte, die man – dem Gesellschaftscapitale entnahm! Es wurde nachher bewiesen, daß diese Unternehmung, selbst wenn keine Betrügereien stattgefunden hätten, an sich schon ein todtes Kind war.

Langrand war jedoch der Mann, der die Hülfe, die ihm von der klerikalen Partei zu Theil wurde, noch weiter zu verwerthen trachtete; es schien ihm jetzt die Zeit gekommen, in der er seinen Lieblingsplan, das Capital zu katholisiren, das heißt das Capital der gesammten katholischen Welt in seine Hände zu bekommen, verwirklichen konnte. Die Gelegenheit dazu bot sich sehr bald.

Auf dem katholischen Congreß in Mecheln im Jahre 1863 (21. August) – in Belgien ist der katholische Congreß eine nicht zu verachtende Macht, in Deutschland beantwortet man bekanntlich die Beschlüsse der katholischen Vereine mit dem verdienten Spotte – trat einer seiner Agenten, ein gewisser de Hauteville, als Redner auf, der den versammelten Bischöfen Belgiens die Nothwendigkeit der Verchristlichung des Capitals auseinandersetzte. Es müsse die traurige Thatsache constatirt werden, sagte dieser Redner unter Anderm, daß die Katholiken, obwohl die bedeutende Mehrzahl bei jeder Bevölkerung bildend, doch nicht die Macht und den Einfluß ausübten, welche ihnen vermöge ihres reichen Capitalbesitzes zukomme. Juden und Protestanten seien die Gebieter über das Capital, und wollte man die Statistik befragen, so werde man finden, daß die Besitzer und Directoren aller größeren Geldinstitute Juden und Protestanten seien, von denen natürlich für die Kirche und für kirchliche Institutionen, wie Klöster etc., nicht das Mindeste zu erwarten sei. Schmachte doch sogar der heilige Vater in den Händen jüdischer Banquiers, und nur diesem Umstande sei es zuzuschreiben, daß in Rom die Gegenwart von Juden überhaupt geduldet werde. Dies müsse von nun an anders werden, die Kirche müsse man aus den schmachvollen Fesseln befreien; das Mittel dazu sei die Bildung einer großen katholischen Gesellschaft mit einem bedeutenden Capital; so könne man die jüdische und protestantische Concurrenz vernichten, und die Kirche, die, obwohl in erster Linie für das Heil der Seelen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_426.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2022)