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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Die „Demoiselles“ der französischen Armee. Im Augenblick, da diese Zeilen unseren Lesern vor das Gesicht kommen, hat das Wundergeschütz, mit welchem Napoleon Tod und Verderben in die deutschen Schlachtreihen zu senden gedenkt, vermuthlich schon sein Probestück abgelegt, und die Welt weiß bereits, was sie von dieser neuesten Ausgeburt französischer „Civilisation“, an deren Spitze bekanntlich der Kaiser marschirt, zu halten hat. Unsere Leser haben dann wohl selbst Gelegenheit, zu entscheiden, wie weit alle die Angaben auf dem Grunde der Wahrheit fußten, die über das Wundergeschütz bis zum heutigen Tage noch verbreitet sind, und die auch wir im Nachstehenden unter allem Vorbehalt geben. Wir können keine Bürgschaft für sie übernehmen, ebensowenig als für die Zeichnung, welche wir nach Mittheilungen französischer Blätter herstellen ließen und heute unseren Lesern vorlegen. Hoffen wollen wir indeß, daß jene Stimmen Recht behalten, welche der „Mitrailleuse“ oder „Kugelspritze“ auf die Dauer jede entscheidende Wirkung absprechen und in ihr nur eines jener Spielzeuge sehen wollen, mit denen der französische Kaiser der großen Masse seines Volkes von je zu imponiren suchte.

Die Mitrailleuse besteht aus einem massiven Lauf mit einunddreißig, nach andern Angaben mit fünfundzwanzig Bohrungen gewöhnlichen Gewehrkalibers, jede mit einem Stiftschloß versehen. Dieses Bündel von Gewehrläufen hat die Form eines dicken Geschützrohres und ruht wie dieses auf einer Laffette mit Rädern. Die einzelnen Läufe werden durch eine mechanische Vorrichtung mit Patronen geladen und durch Beugung einer Sicherheitsplatte abgefeuert, was so rasch geschehen kann, daß die einunddreißig Schüsse zu gleicher Zeit abgefeuert werden. Die Patronen liegen in einem Vorrathskasten am hintern Theile des Gesammtrohres in Reihen geordnet. Eine auf der rechten Seite der Verschlußplatte befindliche Kurbel setzt die Mechanik in Bewegung, d. h. die Spann- oder Sicherheitsplatte wird durch sie momentan auf die Seite gerückt und macht auf solche Weise successive die Schlößchen der einzelnen Läufe frei. Diese Schlößchen bestehen aus je einer stählernen Spiralfeder, in welcher mittelst eines Bundes ein cylindrischer Bolzen befestigt ist. Dieser letztere schnellt bei der Bewegung der Spannplatte gegen die cylindrischen Enden eines in der Verschlußplatte liegenden Schlagbolzen und treibt diesen mit seinem spitzen Theile in den Boden der Patrone. Zwischen dem Feuern und dem Drehen der Kurbel soll kaum eine Secunde Zeit liegen. Wird die Kurbel rascher gedreht, so knallen auch die Läufe rascher nach einander ab; ja, es ist, wie gesagt, möglich, auf solche Weise ein gleichzeitiges Abfeuern sämmtlicher Läufe herbeizuführen. Ebenso schnell soll die Ladung bewerkstelligt werden können. Das Gesammtrohr ist durch eine Handhabe um seine Längenachse drehbar, im Uebrigen wie ein Geschützrohr beweglich. Die Tragweite soll die des Infanterie-Hinterladungsgewehres sein, das Kaliber aber eher kleiner als größer, weil es darauf ankommt, viele Läufe verwenden zu können.

Soweit wäre Alles schön und gut, und der Gedanke, daß eine solche Maschine Tausende von Kugeln in sehr kurzer Zeit verschießen kann, könnte uns wirklich bedenklich und stutzig machen.

Aber die praktische Anwendung der Mitrailleuse ist vor Allem durch die Fortbewegung in Frage gestellt, die denn auch wirklich Mannschaft und Pferde einer vierpfündigen Batterie für sich in Anspruch nimmt. Auseinandernehmen läßt sich die Mitrailleuse nicht oder nur mit großer Mühe und vielen Umständen, denn ihr Mechanismus ist, wie wir gesehen haben, nichts weniger als einfach und trotz der größten Vollkommenheit steten Unregelmäßigkeiten und Störungen ausgesetzt. Die Mitrailleuse vermag endlich der Infanterie, deren Begleitung doch ihr eigentlicher Zweck ist, auf schwierigem Terrain gar nicht zu folgen, sie hat einen großen Vorrath von Kugeln nöthig, was ihren Transport sehr erschwert, sie kann während der Fortbewegung nicht feuern, hindert die freie Bewegung der Infanterie-Colonnen und kann im Gedränge ihren eigenen Truppen gefährlich werden. Jedes andere Geschütz hat eine bedeutendere Wirkung und Tragweite, und ein einziger wohlgezielter Schuß kann mehr Unheil anrichten, als tausend Mitrailleusenkugeln; die Bauart der Mitrailleuse aber ist zu allem Ueberfluß eine sehr schwache, ihrer nothwendigen Leichtigkeit wegen, und außerdem macht ihre nothwendig sichtbare und auffallende Aufstellung bei Infanterie-Colonnen sie jedem Geschütz zu einem willkommenen und leicht erreichbaren Object.

Was mag also noch Wunderbares und Großes von der Kugelspritze Napoleon’s übrig bleiben? Die französischen Soldaten haben den Mitrailleusen, weil sie so sorgfältig gehütet werden und sich profanen Augen nur verschleiert und verdeckt zeigen, den Spottnamen „Demoiselles“ gegeben. Nun, wir hoffen, unsere deutschen Geschütze werden den Demoiselles der französischen Armee auf dem Schlachtfeld den Tact so grob aufspielen, daß diesen bald die Lust zum Weitertanzen vergangen sein wird.




Die schöne Rheinbrücke bei Kehl ist, unsere Leser wissen es bereits, dem Kriege zum Opfer gefallen; das Zeichen, welches die dauernde Verbrüderung der romanischen und germanischen Nation zu bedeuten schien und auch bedeuten sollte, liegt zertrümmert; das Joch auf deutscher Seite ist gesprengt, der Thurm in sich zusammengestürzt, die Schienen gebrochen und ungebändigt fließen wieder die Wogen des deutschen Stromes das deutsche Ufer entlang. Wie die Brücke jetzt sich darstellt, ist sie mit ihren Trümmern ein trauriges Symbol für uns nach mehr als einer Seite hin: wie sie ist zwischen uns und Frankreich auch das Band gesprengt, welches, nach den Grundsätzen der Humanität, von Nation zu Nation sich schlingen und niemals zerreißen sollte; wie sie ist auch der Handel zerstört, die Wege des Verkehrs sind geschädigt und die Gewerbe liegen darnieder. Doch im Geiste sehen wir heute schon den Tag, der auch diese Brücke wieder herstellt wie zuvor, der auch dieses Joch wieder aufbaut wie ehedem, der das Schienengeleise wieder hinüberschlägt, so fest und sicher wie früher und, hoffen wir, nur mit dem Einen Unterscheide, daß es den Reisenden dann über die Wogen des Rheines trägt von deutschem zu deutschem Ufer.

Ueber die Sprengung der Brücke selbst erhalten wir aus Kehl nähere Mittheilungen: „Die Angst und der Schrecken,“ schreibt man uns, „war groß in Kehl; die Einwohner befürchteten, daß mindestens die nächstgelegenen Häuser mit in die Luft fliegen würden. Zudem wurde die Sprengung der Brücke erst in der letzten halben Stunde angesagt, und da floh denn, was fliehen konnte. Trotzdem ist Alles gut abgelaufen und nicht eine einzige Fensterscheibe in der Stadt gesprungen. Eisen und Steine flogen Hunderte von Pfunden schwer auf weite Strecken durch die Luft, doch meist in der Richtung des Rheines. Den 22. Juli um vier Uhr sieben Minuten sprang das schöne Werk in die Luft und schon um fünf Uhr war der wackere Photograph Döller auf dem Platze, das Werk der Zerstörung zu fixiren.“ Ein junger Pionnier, Namens Felder, hatte die Mine entzündet, und ein Stück von dem Draht, der den zündenden Funken in die Tiefe leitete, ist uns von dem Freunde der Gartenlaube, dem wir auch die vorstehenden Notizen verdanken, eingesandt worden. „In Kehl selbst sind jetzt alle Läden geschlossen,“ heißt es in dem Briefe weiter, „und viele Einwohner, namentlich Frauen und Kinder, sind in die nahen Berge geflohen. Die Bürger versehen Tag und Nacht den Wachtdienst, da die Stadt von Truppen völlig entblößt ist; doch herrscht ein guter, braver, deutscher Geist in Kehl, und,“ schließt der schlicht und treuherzig gehaltene Brief, „wir hoffen bestimmt von unsern deutschen Heeren, daß sie Straßburg wieder zu einer deutschen Stadt machen werden.“




Die erste Kriegsbeute, die den preußischen Vorposten in die Hände gefallen, ist komischer Weise genug ein toll und voll getrunkener Zuave gewesen. Gemüthlich zechend war er in einem auf deutscher Seite gelegenen Wirthshause überrascht und von der unbarmherzigen Patrouille mit nach Saarbrücken genommen worden. Dort, auf dem Wege in’s Gefängniß, geberdete er sich wie wüthend, focht, die Mütze tief in den Nacken geschoben, mit den Armen in der Luft umher und schalt unaufhörlich auf die Preußen, die sein stilles Vergnügen so jäh unterbrochen hatten. Vielleicht hatte er nur auf das Wohl seines Kaisers getrunken; vielleicht war ihm mitsammt dem Wein auch schon die Gloire in den Kopf gestiegen. Jedenfalls aber kann er heute schon davon erzählen, wie schnell die Deutschen ihre Feinde nüchtern zu machen vermögen, ob sie nun vom Wein oder vom Ruhme trunken sind.



Für die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute

finden wir überall offene Herzen und offene Börsen. Trotz des vollständigen Geschäftsstillstandes und der gestörten Verkehrswege gingen in den letzten Tagen doch wieder bei uns ein:

Gott schütze meinen Paul 10 Thlr.; H. Cunit 5 Thlr.; H. Schuster in Ronneburg 3 Thlr.; Prof. Greiffenhahn in Tharand 2 Thlr.; Born 1 Thlr.; bei einem Geburtstage gesammelt 1 Thlr. 1 Ngr.; H. Kl. 5 Thlr.; Schullehrer Weide in Vieselbach 3 Thlr. und dessen Sohn in Kleinmölsen 2 Thlr.; Moelders in Lüttich 10 Thlr.; Gebhardt 1 Thlr., Frau Hahn 2 Thlr. und G. R. in Gotha 10 Ngr.; Järschke in Lähn 10 Thlr; Sowack in Gr. Glogau 2 Thlr.; V. Rudeck in Eleonorenthal 3 Thlr.; Lasse die rechte Hand nicht wissen, was die linke thut, 5 Thlr.; Sophie in Burgjoß 1 Thlr.; Diaconus Behr in Köstritz 3 Thlr.; A. B. in Z. 3 Thlr.; vom Mittwochskegelclub der Kleinen Funkenburg 12 Thlr.; Cassirer Bauer 1 Thlr.; Sammlung in der Fabrik von D. Magnus in Eutritzsch 16 Thlr. 10½ Ngr.; Fr. Seefeld 1 Thlr.; Oscar Erdmann in Smiechow 10 Thlr.; B. Fekete in Pest 4 Thlr.; M. J. in Gera 3 Thlr.; vom Hainberg (Asch) 3 Thlr.; Ernst und Karl M., Süddeutsche in Prag, 40 Thlr., da die österreichische Regierung die Sammlung für die deutschen Krieger verboten hat; August Wehrfritz in Höchst 1 Thlr.; A. Brendel 5 Thlr., Marie und Helene Brendel 1 Thlr.; Schüler Görwitz 10 Ngr., Schüler Basemann 10 Ngr. und Schüler Benndorf 10 Ngr. (Bravo!); Ed. Grützmacher und Albert Schulz 20 Thlr.; Leopold Gebhardt 80 Franken; wenig mit Liebe von Bertha in M. 3 Thlr.; A. C. 15 Ngr. und dessen Kinder 15 Ngr.; Gust. Fiedler in Teplitz 10 Thlr.; F. W. Reuß in Dewsbury (England) 33 Thlr. 6 Ngr.; Fr. Grosse in Olmütz 20 Fl.; A. K. in Reichenberg 2 Fl. und 7½ Ngr.; Ministerialrath Adolf Neumann 5 Thlr.; Rich. Th. 3 Thlr.; O. R. W. pro Juli 1 Thlr.; Frz. Br. für Monat Juli 1 Thlr.; Theodor Schwerd 1 Thlr.; „Deutschland über Alles“, vulgo Schlimpert, 5 Thlr.; August Heinau in Klingenherg: „Gott mag weiter helfen“ 5 Thlr.; Paul Schneider in Gröppendorf 5 Thlr.; Th. Schnackenberg in Ulfen 10 Thlr.; Emma P. in Fr. 5 Thlr. 20 Ngr.; Layki in Bialla 1 Thlr.; Anton Schauer 3 Thlr.; vom Spieltisch der Gesellschaft „Apetitlia“ mit dem Motto: Nieder mit Bonaparte 1 Thlr. 10 Ngr.; Ferd. Mühler in Alt-Mittweida 5 Thlr.; Barth. Senff 5 Thlr.; Geißler in Glauchau 1 Thlr.; aus Friedberg 2 Thlr.; Scatgesellschaft A. H. S. Z. 21 Thlr. 6 Ngr. 3 Pf.; Ellrich, ein armer Fischer in Leipzig 1 Thlr.; Carl Ambros. Barth in Leipzig 10 Thlr.; Hanstein in Friedberg 2 Thlr.; Familie Rahm in Mautern 10 Fl. ö. W. und der Knecht Jacob Oblasser aus preuß. Schlesien 1 Fl. ö. W.; Gesellschaft in Kiesel’s Restauration in Zielenzig 5 Thlr.; A. Wolff in Gößnitz 3 Thlr.; Sammlung der Schulkinder in Wenig-Walditz durch Lehrer Voigt 3 Thlr.; Dr. Schulten in Gaudernheim 100 Fl. rhein. (57 Thlr. 4 Ngr.); M. M. v. Weber 100 Fl.; Georg Thorey in Leipzig 100 Thlr.

Durch die Schriftgießerei von J. G. Schelter und Giesecke in Leipzig 26 Thlr. 14 Ngr. erster Wochenbeitrag. Eine sichere Garantie auf noch für mehrere Monate ausdauernde Arbeit hat das Arbeiterpersonal zu dem Entschlusse vermocht, von jedem nicht unter 3 Thlr. betragenden Wochenlohne je 1 Ngr. von jedem verdienten Thaler als freiwillige Steuer zu obigem Zweck abzugeben. Zur Summe legt die Firma die gleiche Summe hinzu, und der volle Betrag wird jeden Montag bei der Gartenlaube eintreffen. Dank den braven Arbeitern und den Geschäftsherren; möge ihnen die Ehre recht zahlreicher Nachahmung zu Theil werden!

Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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