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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

der Waffentanz zu Lande beginnen. Schon die ersten Nachrichten vom Rhein beweisen, daß der miltärische Popanz der Franzosen, von dem Europa sich täuschen ließ, für die deutschen Waffen nichts weniger als unüberwindlich ist, und die angebahnte Entscheidung wird den Franzosen hoffentlich alle ferneren Gelüste nach deutscher Erde auf immer benehmen.

Der Vortheil der Wahl und Ueberraschung, welchen der Feind bei einem Landungsversuche an langgestreckten Küsten für sich hat, ist um vieles beschränkt, wenn er einen Angriff auf die Kriegshäfen unternimmt. Einige derselben kann der Vertheidiger durch versenkte Schiffe derartig versperren, daß jedes Einlaufen natürlich aber auch jedes Auslaufen, unmöglich wird. Die Häfen aber, von welchen aus die eigene Flotte operiren soll, müssen den befreundeten Schiffen zugänglich bleiben, dem Angreifer jedoch das Eindringen möglichst erschweren. Die Erfahrungen der Neuzeit haben nun gezeigt, daß selbst die gewaltigsten Befestigungen von Stein und Erde dem Feuer von Panzerfahrzeugen nicht widerstehen, also auch deren Passage nicht hindern können. Zur Genüge wurde dies im amerikanischen Bürgerkriege bewiesen, während dessen in Bezug auf Angriff und Vertheidigung zu Wasser und zu Lande die großartigsten Versuche gemacht wurden. Darum bekleidet man jetzt auch die Wälle der wichtigsten Fortificationen mit Eisen. Wo aber diese Panzerung noch fehlt, da zertrümmern die kolossalen Geschütze der jetzigen Kriegstechnik in kurzer Zeit die stärksten Granitwälle und verwandeln selbst die Erdwerke in formlose Haufen. Durch die mit so bedeutender Sprengladung versehenen Riesengeschosse wird, wenn sie crepiren, die Erde in solchen Massen aufgeworfen, daß einzeln Geschütze theilweise verschüttet und außer Gefecht gesetzt werden.

Gepanzerte Fahrzeuge im Kampfe mit Strandbatterien können sich frei bewegen, mit Uebermacht auftreten und ihr Feuer beliebig concentriren; sie können sich ihre Entfernungen wählen, so daß sie, während ihre Geschosse noch zerstörend wirken, bei der größeren Widerstandsfähigkeit ihres Panzers fast unverwundbar sind. Bei Nacht und Nebel können sie sich in die Häfen einschleichen oder auch am hellen Tage tollkühn an allen Befestigungen vorüberdampfen und trotz der tapfersten Gegenwehr die vor Anker liegenden Schiffe, die Arsenale und andere Bauten mit ihrem kostbaren Inhalte zerstören und so vernichten, was in langen Jahren durch mühsame Arbeit geschaffen worden war.

[Carl Wilhelm]
Der Componist des Liedes „Die Wacht am Rhein“.

Einen solchen Sturmlauf werden selbst gepanzerte Forts nicht aufhalten können, wenn sie auch dem Angreifer eine zehnfache Anzahl von Feuerschlünden entgegenstellten. Die Riesenkanonen der Neuzeit sind aber sehr theuer (zehn- bis zwanzigtausend Thaler), und zu ihrer Aufstellung ist großer Raum erforderlich. Ihre Anwendung kann also nur eine beschränkte sein, und man wird doch nie so viele aufstellen können, daß nicht der Feind mit einer noch größeren Anzahl erschiene. So vorzüglich auch unsere kolossalen Hinterladungsgeschütze sind, so werden sie auf ein bewegliches Ziel in fünf bis acht Minuten doch nur einmal feuern können. Gegen französische Panzer werden sie vielleicht bis auf fünftausend Fuß Entfernung wirksam sein. Angenommen ein Fahrzeug dampft mit zehn Knoten – der Knoten (fünfundzwanzig Fuß) verhält sich zur Viertelminute wie die Seemeile (sechstausend Fuß) zur Stunde – Fahrt vorüber, so legt es die zehntausend Fuß, welche jedes Geschütz nach beiden Seiten bestreicht, in zehn Minuten zurück. Von jedem Geschütz erhält es folglich zwei, höchstens drei Kugeln. Nun vermag allerdings eine einzige unserer Spitzgranaten ein Fahrzeug außer Gefecht zu setzen, vielleicht aber werden zwanzig oder fünfzig oder hundert derselben erst dieses Resultat erzielen. Ein gut construirtes Panzerfahrzeug kann unglaublich viel aushalten. Dennoch hat es eine schwache Stelle – sein Deck. Geschosse, welche von oben herab auf dasselbe niederschmettern, werden ihm äußerst gefährlich. Hochgelegene Batterien sind deswegen am wirksamsten; wenn aber die Bodengestaltung ihre Anlegung nicht gestattet, so muß man sich durch Mörser, und zwar durch gezogene, zu helfen suchen. Diese werfen Geschosse in hohen Bogen und auf bekannte Entfernungen mit großer Genauigkeit.

Um aber dem Angreifer das schnelle Passiren der Batterien unmöglich zu machen und ihn im wirksamsten Feuerbereich der Geschütze festzuhalten, bedient man sich beweglicher Sperrmittel. Eine Art derselben ist ein Netzwerk von starken Tauen und Stricken, welches derartig unter Wasser angebracht ist, daß es sich in die Schraube eines Dampfers verwickelt, deren Umdrehungen verhindert und das Fahrzeug lahm legt, so daß es einem concentrirten Feuer zum Opfer fällt. Andere Hindernisse sind mächtige verankerte Flöße, gewissermaßen schwimmende Inseln, oder eingerammte Pfähle, oder starke Ketten, welche von verankerten mit Luft gefüllten Tonnen oder Kähnen in der erforderlichen Tiefe unter Wasser gehalten werden. Der Sicherheit wegen bringt man in gewissen Abständen zwei oder drei solcher Ketten an. Zersprengt nun auch der Anprall in voller Fahrt dagegenlaufender Dampfer die erste Sperrung, so reicht ihre Kraft doch nicht aus, um sofort auch die nächste zu überwinden; sie müssen zurück und einen neuen Anlauf nehmen, kommen vielleicht mit noch anderen Hindernissen in Berührung und sind so für längere Zeit im Bereiche des Vertheidigers, welcher sie übel zurichten kann.

Diese Sperrmittel sind einer totalen Verrammelung des Hafens insofern vorzuziehen, als sie an genau bezeichneten Punkten offen gelassen oder doch mit Leichtigkeit unterbrochen werden können, um der eigenen Flotte das Aus- und Einschlüpfen zu gestatten.

Um aber die Zurückweisung des Angreifers noch sicherer zu machen, verbindet man mit allen diesen Sperrmitteln noch unterseeische Minen, die sogenannten Torpedos, wahrhaft furchtbare Ungeheuer, welche verborgen in der Tiefe lauern und den arglos nahenden Feind im Nu vernichten.

Diese Vertheidigungswaffe ist übrigens nicht neu. Vor beinahe einem Jahrhundert schon soll sie ein Amerikaner, Bushnell, während des Unabhängigkeitskampfes angewendet haben. Nach ihm, zu Anfang dieses Jahrhunderts, stellte ein anderer Amerikaner, Robert Fulton, der berühmte Erbauer des ersten Dampfschiffes, Versuche damit an und nannte sie Torpedo, nach dem spanischen Namen des unförmlichen Zitterrochens, welcher ihn berührende Menschen und Thiere durch elektrische Schläge eine Zeit lang zu lähmen vermag. Später wurden die Torpedos von den Russen

vor Sebastopol, von den Oesterreichern im italienischen Kriege, von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_536.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)