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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

No. 41. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Ein Damen-Duell.
Von Sacher Masoch.
(Fortsetzung.)


Gegen Abend erschienen die beiden Officiere in voller Parade in dem Palaste der Fürstin, um über das Befinden derselben Erkundigungen einzuziehen. Nachdem man ihnen darüber die beruhigendsten Versicherungen gegeben, traten sie den Rückweg an.

„Höre,“ begann Lapinski, „wir können uns doch nicht so ohne Weiteres damit zufrieden geben, daß man uns mittheilt, die Fürstin sei so gut wie unversehrt und vollkommen wohl. Es ist anständig und klug, daß wir unserer Freude darüber, daß dieser Unfall keine ernsten Folgen gehabt hat, auf irgend eine Weise Ausdruck geben. Was hältst Du von einer Serenade?“

Kolloff brach in lautes Lachen aus. „Eine Serenade, ohne eine Kopeke im Sack zu haben!“

„Warum nicht?“ erwiderte sein ausgelassener Camerad, seine Säcke umkehrend. „Sieh mich an, ich besitze noch baare anderthalb Rubel, und doch wollen wir allen Geldsäcken zum Trotz der Fürstin heute eine Serenade bringen, wie sie das kleine Weibchen gewiß noch nicht erlebt hat.“

Während Koltoff noch den Kopf schüttelte, zählte Lapinski das Geld, ein und einen halben Rubel, in seine Hand und beauftragte ihn, Papiere in allen Farben, Oel und Unschlittkerzen einzukaufen; er selbst nahm es auf sich, die Musik, sowie ein preciöses Bouquet, wie er sich ausdrückte, herbeizuschaffen.

„Ich fange an zu glauben, daß Du mit dem Teufel im Bunde bist,“ meinte Koltoff.

„Allerdings,“ erwiderte Lapinski, „und zwar mit einem armen, aber lustigen Teufel.“

Damit trennten sich die Freunde.

Nach einer Stunde trafen sie, wie es Lapinski angeordnet hatte, in der Caserne der Preobraschenskischen Garde zusammen, Lapinski mit einem riesigen Bouquet, dessen Zusammenstellung zwar viel zu wünschen übrig ließ, das aber nichtsdestoweniger durch die Seltenheit seiner Blumen und die Pracht seiner Farben imponirte.

„Wie kommst Du dazu?“ fragte Koltoff, während er den schweren Strauß in der Hand hielt und bewundernd betrachtete.

„Auf die billigste Weise von der Welt,“ erwiderte Lapinski; „ich stieg auf dem bekannten Wege in den Garten der Fürstin und band dort höchst eigenhändig das Bouquet.“

„Du hast also die Blumen gestohlen?“

„Nehmen wir an, es wäre so,“ erwiderte der wenig bedenkliche Camerad, „so geschah es nur, um sie der Eigenthümerin wieder in kürzester Zeit zurückzustellen.“

„Du bist unverbesserlich,“ meinte Koltoff.

Lapinski hatte indeß bei sämmtlichen Wäscherinnen des Regimentes die Wäschestangen requirirt, und jetzt begannen seine Soldaten unter seiner Anleitung aus den von Koltoff eingekauften Kerzen und dem in Oel getränkten farbigen Papiere Lampions zu verfertigen und auf den Stangen zu befestigen. Das Ganze ging so militärisch rasch und genau vor sich, daß mit eingetretener Dunkelheit der Abmarsch beginnen konnte.

Vorn gingen Soldaten mit brennenden Lampen in allen Farben, dann folgten in einem Spalier von Lampions die beiden Officiere, Koltoff mit dem Bouquet, und hinter ihnen sämmtliche kleine Tambours und Pfeifer der Preobraschenskischen Garde in voller Parade, frisch gepudert, mit steifen Zöpfchen. Den Zug schlossen wieder Soldaten mit Lampions. Zahlreiche Gaffer folgten; als man vor dem Palaste der Fürstin Halt machte, war bereits eine unabsehbare Menschenmenge versammelt.

Lapinski stellte seine Leute in ein Quarré, welches, von den farbigen Lampions umgeben, gar nicht übel aussah, und postirte sich mit Koltoff unmittelbar vor der Front desselben dem Balcon des schönen weiblichen Majors gegenüber. Als Alles bereit war, hob er den Rohrstock, welchen damals jeder Officier trug, und die Tambours eröffneten die seltsame, echt soldatische Serenade mit einem höllischen Wirbel, dann fielen die Pfeifen ein und alle zusammen spielten nunmehr den originellen zierlich pedantischen Marsch, nach welchem die Rococosoldaten damals marschirten und der auch beim Gassenlaufen üblich war.

Es währte nicht lange, so klang die Glasthür des Balcons, und die schöne Lubina trat heraus im weißen Nachtgewande, eine Sammtmantille umgeworfen; sie blickte sichtlich erstaunt auf die Menge, die Tambours, die Officiere; erst als Koltoff seinen Hut abnahm und mit einem kräftigen Wurf den riesigen Blumenstrauß emporschleuderte, so daß er zu den Füßen der Fürstin niederfiel, erkannte diese den Retter ihres Lebens und verstand seine Absicht. Sie dankte mit artiger Verneigung, hob die Blumen auf und als die Tambours wieder ihren Wirbel schlugen, hielt sie sich die Ohren zu und brach in lautes Lachen aus.

Lapinski gebot Ruhe. Die Fürstin dankte nochmals mit einem bezaubernden Lächeln und zog sich zurück. Wenige Augenblicke später erschien ein Kammerdiener, welcher in ihrem Namen die beiden Officiere einlud, zu ihr zu kommen.

„Vorwärts!“ flüsterte Lapinski seinem strahlenden Cameraden zu. „Jetzt liegt Alles in Deiner Hand. Erkläre Dich ihr auf der Stelle. Ich führe indeß meine kleinen Helden nach Hause.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_669.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2019)