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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

St. Quentin sendet nach Corny seinen Morgengruß und kündet damit an, daß die Franzosen auf’s Kartoffelsuchen ausgehen. Um seine Leute bei guter Laune zu erhalten, will Bazaine Abwechslung in ihre Speisekarte bringen. Ein beliebtes Gericht sind Kartoffeln – einfach darum, weil sie Anderes wenig mehr zu essen haben. Aber auch diese gönnen die bösen Preußen den armen Franzosen nicht und Vater Bazaine muß erst einige theure Granaten spendiren, wenn er die Preußen abhalten will, den rothhosigen Kartoffelbuddlern das Handwerk zu legen. Der Kanonenschuß ist auch das Alarmzeichen für die Herren im Saale.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Noch einmal „aus der Schlacht von Sedan“. (Mit Abbildung auf S. 713.) „Ich habe Ihnen,“ schreibt uns unser Feldmaler F. W. Heine Mitte September aus Chocherel, „in meinem Briefe, welcher das Bild vom Sturme der Sachsen auf das Dorf Daigny (vergl. Nr. 41, S. 687, Abbildung S. 685.) begleitete, erzählt, daß, während das Regiment Nr. 105 den dort geschilderten Kampf in dem Hohlwege ausführte, unsere Regimenter 103 und 104 in nächster Nähe im Feuer standen. Heute bin ich so glücklich, Sie sicherlich mit dem Bilde einer Heldenthat erfreuen zu können, welche damals nur etwa zweihundert Schritte rechts von jener Kampfstelle im Hohlwege entfernt das 104. Regiment vollbrachte.

Die Eroberung von drei Mitrailleusen durch dieses sächsische Regiment ‚Friedrich August‘ ist der Gegenstand meiner Darstellung. Auch hier waren steile Abhänge und Schluchten zu überwachen, welche der Feind mit seinem gefährlichsten Feuer beherrschte, denn die Mitrailleusenkugeln sind nun einmal die gefürchtetsten von allen französischen Geschossen. Dazu hielten die Franzosen außerordentlich tüchtig bei ihren Geschützen aus und unsere Infanterie erzwang den Sieg nur dadurch, daß sie, nachdem sie ein tiefes Thal durchbrochen hatte und bis in die Nähe der unheimlich knarrenden Kugelspritzen emporgeklommen war, die Bedienungsmannschaft möglichst sicher auf’s Korn nahm. Als Menschen und Pferde, darunter sieben Schimmel, stürzten, stürmten die Unsrigen vor und vollendeten ihr Werk. Rechts von ihnen focht das zwölfte Jägerbataillon ebenso eifrig mit, Hauptmann Winkler handhabte sogar selbst ein Gewehr bei diesem Angriff.

Nachdem diese Eroberung gelungen war, stürmten unsere Truppen unaufhaltsam die Höhe hinauf und jenseits wieder hinunter gegen das Dorf Daigny los, das ebenso versteckt wie freundlich in einem reizenden Thale liegt. Vor demselben mußten die Unsrigen vier volle Stunden lang sich gegen einen Feind halten, der hinter jedem Gehüsch, jedem Hause, jedem Gemäuer hervor seine Geschosse gegen sie schleuderte. Endlich widerfuhr ihnen noch das Schlimmste in solch einer Stellung: die Munition ging ihnen aus! Dennoch wichen sie keinen Schritt zurück: sie suchten eben möglichst Deckung für sich zu gewinnen, und so gelang es ihnen, auszuharren, bis endlich die mit felsenfestem Vertrauen erwartete Verstärkung wirklich herankam. Da gab’s ein Hurrah aus voller Brust, und nun war die Eroberung des Dorfs nur noch die leichtere Arbeit. Rasch hinausgetrieben, flohen die Franzosen ihrem Verhängniß in Sedan zu. Mich aber erfüllt es mit einer stolzen Freude, dieser Waffenthat unserer braven Sachsen in Ihrer Gartenlaube dieses bescheidene Denkmal setzen zu können.“ Nach einer anderen Aufstellung soll auch das 13. sächsische Jägerbataillon an dieser Mitrailleusen-Eroberung stark betheiligt gewesen sein.



Welthistorische Begegnungen. (Mit zwei Abbildungen.) Es war am frühen, kalten und nebelgrauen Morgen des denkwürdigen 2. September, als Graf Otto von Bismarck zu Donchery vom greisen französischen General Reille die Mittheilung erhielt, Kaiser Napoleon wünsche ihn zu sprechen und befinde sich bereits auf dem Wege von Sedan zu ihm. Schon den Abend vorher hatte bekanntlich Napoleon seinen Degen in die Hände des siegreichen Königs von Preußen gelegt, nachdem es ihm, wie er schrieb, nicht vergönnt gewesen war, an der Spitze seiner Armee zu sterben. Der überaus blutige 1. September hatte mit der völligen Niederlage der französischen Truppen geendet; von allen Seiten eingeschlossen blieb ihnen nichts als das Loos der Ergebung, wenn sie nicht das der völligen Vernichtung und des Todes jenem vorzogen.

Napoleon, der Kaiser der Franzosen, der den Krieg begonnen und den Frieden zu Königsberg hatte dictiren wollen, er zuerst warf die Flinte in’s Korn und ergab sich – lediglich „für seine Person“, wie er sagte.

Als Graf Bismarck die Meldung des Generals Reille empfangen, stieg er sofort zu Pferde und ritt im Morgengrauen dem Kaiser entgegen, der, wie man später sagte, sich in Sedan nicht mehr sicher gefühlt und darum solche Eile hatte, in die Gefangenschaft des Königs von Preußen zu kommen. Der Graf, der ganz allein und ohne jede Begleitung war, befand sich etwa auf halbem Wege zwischen Donchery und Sedan, in der Nähe von Fresnois, als er mit Napoleon zusammentraf, eine Begegnung, die – wir brauchen das kaum hervorzuheben – mit zu den bedeutungsvollsten Momenten dieses so glorreichen Krieges gehört und deren historisch treue Schilderung wir einem Freunde der Gartenlaube, dem in der Begleitung des Grafen Bismarck befindlichen Dr. Moritz Busch, verdanken.

Die einfache zweispännige Kutsche Napoleon’s hielt auf der von deutschen Pappeln umsäumten Chaussee. Durch die Bäume sah man rechts auf etwas tiefer liegende Wiesen, durch welche sich die Maas etwa so breit wie die Mulde schlängelt; links von der Straße erheben sich Felder und darüber hin steilere Hügel. In der Chaise beim Kaiser befanden sich drei höhere Officiere, darunter Castelnau und der Fürst von der Moskwa. Andere waren beritten und folgten unmittelbar hinter dem Wagen. Bismarck, der vom Pferde gestiegen war, trat an den Wagenschlag, mit der Hand an der weißen Mütze militärisch grüßend, während Napoleon und seine Begleiter ihre rothen Mützen abnahmen. Letztere hielten sich gleich dem Kaiser vor dem naßkalten Nebel, der rings die Felder deckte, in ihre dunkelblauen Mäntel gehüllt, indeß Bismarck den langen Militärrock mit gelbem Kragen trug, den geraden Pallasch an der Seite und den Riemen um den Leib, an welchem in lederner Scheide der Revolver hing. Hoch herauf reichende Reiterstiefel vollendeten die Bekleidung des preußischen Ministerpräsidenten.

Den Inhalt der hier, mitten auf der Straße gehabten ersten Unterredung bildete bekanntlich lediglich die Erörterung der Frage, wohin sich Napoleon zunächst zu begeben habe und wo er mit dem König Wilhelm zusammenkommen könne. Bismarck hatte hierfür seine eigene Wohnung in Donchery vorgeschlagen und Napoleon schien auch auf diesen Vorschlag eingehen zu wollen. Nachdem er sich aber von Bismarck getrennt, um nach dem nahen Städtchen zu fahren, hielt er einige hundert Schritt von der Maasbrücke und vor dem einem Weber gehörenden kleinen Hause, dort neuerdings den Bundeskanzler erwartend.

Ueber diese zweite Zusammenkunft mit dem Grafen liegt uns eine weitere authentische Mittheilung aus der Feder des Herrn Salingré vor, welcher, der Verwaltung im Hauptquartier des Königs attachirt, eine der drei Civilpersonen war, welche allein, wie er schreibt, das Glück hatten, Augenzeugen dieses wichtigen historischen Actes zu sein; es waren dies außer ihm lediglich noch Herr Alippi, der Berichterstatter der „Leipziger Nachrichten“, und Dr. Kaißler aus Berlin, Beide von einem glücklichen Zufall an diese Stelle geführt.

Die Skizze, welche uns Herr Salingré zugleich geschickt hat, und die natürlich noch während der Begegnung aufgenommen worden ist, mag auch als Berichtigung aller jener Illustrationen dienen, die bisher – selbstverständlich „nach der Natur aufgenommen“ – in einer Reihe von englischen wie deutschen Journalen erschienen sind und ihre Unechtheit und Unzuverlässigkeit schon leicht genug durch die Unähnllchkeit verrathen, welche sie gegenseitig auszeichnet. Daß unsere heutige Skizze in künstlerischer Beziehung gerade keine besondere Bedeutung hat, wissen wir allerdings; dafür darf sie aber den ungleich höher stehenden Vorzug der Echtheit und Wahrheit um so sicherer für sich in Anspruch nehmen.

Ich war eben, heißt es in dem begleitenden Briefe des Herrn Salingré, von Vendresse auf dem Wege nach Sedan, Donchery vorbei, als mich die ungeheuere Nachricht von der Anwesenheit Napoleon’s traf. Ich eilte zu dem mir bezeichneten Hause, und hier allerdings bot sich mir ein überraschender Anblick. An dem Wege, welcher zu dem isolirt dastehenden einstöckigen Hause des Webers August Fournais führt, sah ich den Kaiser Napoleon, umgeben von französischen Officieren, darunter seine beiden Generaladjutanten Reille und Fürst von der Moskwa. Er saß auf einem einfachen Bauernstuhl, sprach wenig oder gar nicht, und blickte, fortwährend rauchend, auf die ihn angaffenden Soldatengruppen. Ich hatte über eine halbe Stunde Zeit, ihn zu beobachten, und nützte diese Zeit auch bestens aus. Der Kaiser sah nicht so schlimm aus, wie ich nach all den lautgewordenen Krankheitsgerüchten geglaubt hatte. Vielleicht trug auch die bunte Uniform, bestehend aus rothen Hosen mit goldenen Borten, dunkelblauem Rock und weitem blauen Mantel, der, zurückgeschlagen, das rothe Futter sehen ließ, viel dazu bei; die Farbe des Gesichtes war allerdings fahl, die Haare melirt, der Bart blond, aber stark in Grau übergehend.

So saß der Kaiser vor dem bezeichneten Bauernhause, als sich – es mochte schon stark auf acht Uhr gehen - die Scene durch die Ankunft mehrerer höherer preußischer Officiere und Beamten belebte. In nächster Nähe des Fournais’schen Hauses sah man die Generale v. Treskow, v. Podbielski, den Chef des preußischen Feldtelegraphen, Oberst Maidam, und mehrere höhere Polizeibeamte, welche mit Hülfe einiger Kürassiere bemüht waren, die von allen Seiten umdrängte Chaussee frei zu halten.

In diesem Augenblick erschien der Bundeskanzler, zu Pferde und gefolgt von seinem Adjutanten, Rittmeister Graf Bismarck-Bohlen. Der Graf schwang sich rasch aus dem Sattel, vertauschte seine Mütze mit dem bereit gehaltenen Helm und eilte dann, nachdem er wenige Worte mit den Generalen gewechselt hatte, auf die Stelle zu, wo der Kaiser saß. Dieser, kaum des Ministerpräsidenten ansichtig geworden, erhob sich von dem Stuhle, ging dem Grafen einige Schritte entgegen und grüßte, indem er die Mütze sehr höflich abnahm und einen Augenblick in der Hand behielt, während Bismarck nur militärisch salutirte.

Die Unterredung dauerte etwa eine halbe Stunde, dann entfernte sich Bismarck, wie er gekommen, eine offene Postkutsche fuhr vor, in welcher Napoleon mit drei Generälen Platz nahm; Bismarck aber stieg wieder zu Pferde und stellte sich an die Spitze einer Kürassierabtheilung, welche den Wagen des gefangenen Kaisers in ihre Mitte nahm und nach Schloss Bellevue escortirte. Eine Stunde darauf wurde die Capitulation von Sedan unterzeichnet, und an sie reihte sich als nächste Folge im Laufe des Tages die Begegnung des Königs Wilhelm mit Napoleon.


Feld-Abonnement der Gartenlaube.

Täglich gehen uns aus den Feldlagern der Armeen Massen von Bestellungen auf die Gartenlaube zu. Den dortigen Bestellern dürfte es angenehm sein, zu erfahren, daß sie bei allen Feldposten der Armee Abonnements der Gartenlaube aufgeben und bezahlen, die Geldsendungen nach hier also sparen können. Dagegen sind wir nach wie vor gern bereit, Exemplare der Gartenlaube, die bei uns für die im Felde stehenden Verwandten und Freunde bestellt werden, regelmäßig jede Woche nach Metz und Paris zu expediren.

Die Verlagshandlung der Gartenlaube.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. - Verlag von Ernst Keil in Leipzig. - Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_724.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)