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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

zeigen einen bläulichen Anflug auf der Oberlippe) durch die Straßen, den Stammesgenossen rasch ein paar Worte zuflüsternd. Dagegen strömten schaarenweise zu den paar offenen Thoren die „Schlachtenbummler“ herein und füllten die Gasthöfe, Straßen und Plätze. Da schüttelte ich den Belagerungsstaub von den Füßen und schritt frischauf wieder der Heimath zu.

Robert Heck. 


Bitte eines Todten. Auf dem Verbandplatze zwischen St. Marie und St. Privat, dem Schlachtfelde vom 18. August, fand man ein mit Bleistift und mit festen Zügen beschriebenes Briefcouvert. Auf der einen Vorderseite steht:

„Wer Du auch bist, Freund oder Feind, befördere diesen Brief an seine Adresse. Sollte ich meinen Ring noch haben, so sende ihn an die Adresse ‚Fräulein Anna Thielebein‘. Mein Geld im Brodbeutel wird Dich entschädigen. Drum erfülle die letzte Bitte eines Todten.

Julius Zieger.“ 

Auf der Rückseite des Couverts steht dieselbe Bitte in französischer Sprache.

Der Finder und Einsender dieses Couverts, Herr C. Bamberg, stud. math. und derzeit Mitglied der freiwilligen Sanitätscolonne des Grafen Solms-Sonnenwalde, fügt hinzu: „Ich suchte nach dem bezeichneten Briefe, doch ohne Erfolg, der Wind muß diese Papiere auf dem Schlachtfelde verweht haben. Betreten war die Stelle noch nicht von Anderen, denn wir brachten dort etwa sechszig Schwerwundeten die erste Hülfe. Sollten Brief und Ring nicht an die Adresse gelangt sein, so möge den Angehörigen des wackeren Gefallenen wenigstens der Trost nicht entgehen, daß seine Gedanken vor dem Scheiden noch bei den Lieben in der Heimath weilten.“

Das Couvert bewahrt die Redaction der Gartenlaube auf, bis die Angehörigen des Gefallenen gefunden sind und dieses letzte Andenken an einen lieben Todten in Anspruch nehmen.




Die Waisen des Krieges. Aus Linz an der Donau wird die Redaction der „Gartenlaube“ durch einen Brief erfreut, dessen wesentlicher Inhalt hier eine Stelle finden muß, weil er ein Beispiel giebt, welches zur weitesten Nachfolge auffordern sollte. Er lautet:

„Ich bin in guter Stellung, vermögend und glücklich verheirathet, aber unsere Ehe ist kinderlos. Der furchtbare Krieg der Gegenwart macht gewiß recht viele gute arme deutsche Kinder zu unglücklichen Waisen. Möchten Sie mir wohl den Weg angeben, wie ich zu einem solchen verwaisten Kinde kommen kann? Wir wünschten ein Mädchen von protestantischen Eltern und im Alter von einem bis drei Jahren an Kindesstatt anzunehmen und seine Zukunft zu sichern.“

Das ist’s, – ein einfacher Wunsch in so bescheidenen Worten. Aber welche Freuden, welches Glück, welche Seligkeit schließt seine Erfüllung ein! Giebt es etwas Schöneres auf der Welt, als die Entwickelung eines Kindes zu beobachten durch all die Stufen, die Geist und Herz vom ersten Erwachen bis zur Erhebung zum selbstständigen Menschen gehen! Sollte man es für möglich halten, daß es Tausende von vermögenden kinderlosen Gatten giebt, die, und leider meist aus Bequemlichkeit, ihre Zärtlichkeit lieber – einem Hunde als einem armen Kinde zuwenden? Mögen denn „die Waisen des Krieges“ an solche Herzen pochen und in ihnen das Verlangen nach den süßen Aeußerungen kindlicher Liebe und Freude wecken! Wir sind schon heute überzeugt, daß dieses eine Beispiel uns noch viele andere Aufträge desselben Inhalts zuführen wird.

Aber welchen Rath geben wir dem braven Mann in Linz? – Am besten ist’s, das Kindchen, mit dem man sein häusliches Leben schmücken will, mit eigenen Augen zu wählen. Waisenhäuser sind in allen Hauptstädten zu finden. Hätte ich einen solchen Wunsch nöthig, so würde ich jetzt nach Straßburg eilen und dort mir das liebe Wesen suchen, um sein reines Herzchen so deutsch und glücklich zu machen, als nur möglich ist.



Neueste Helenamedaille. Einen Schatten in das sonst so helle Bild unserer Zeit wirft die kindische Hätschelei, welche Personen in Kleidern der sogenannten gebildeteren Gesellschaft sich mit den gefangenen Franzosen auf deutschen Bahnhöfen und auch in den Lazarethen herausnehmen. Oft entspringt solche Ungebühr nur aus der läppischen Lust, sein Bischen Französisch einmal an den Mann zu bringen; schlimmer steht’s damit, wenn sich unpatriotischer Sinn absichtlich in solcher Franzosenverehrung äußert. Uebrigens trägt an solchen Auftritten die rücksichtsvolle Scheu vor energischem Handeln auf Seiten des „Publicums“ die Hauptschuld. Man entferne solche Personen einfach vom Schauplatz ihrer Huldigungen, oder, will der Volkswitz dabei thätig sein, so zeichne er sie durch Anhängen der Helenamedaille aus, deren eigentliche Bedeutung so ist: Der erste Napoleon hat bekanntlich seine meisten Siege nur durch die Deutschen und Polen in seinem Heere, sein vorzüglichstes Kanonenfutter, gewonnen. Am russischen Feldzuge allein nahmen über zweihunderttausend Deutsche Theil. Ebendeshalb entgegnete er damals einem Russen, der die drohenden Verluste in diesem Feldzuge an französischen Menschenleben ihm vorstellte, mit dem Nachweis, daß seine Verluste nicht gar so groß seien, denn, sagt er: „Si vous (die Russen) perdez cinq Russes, je ne perds qu’un Français et quatre cochons.“ Zu Deutsch: „Wenn Ihr fünf Russen verliert, so verliere ich nur einen Franzosen und vier Schweine.“ – So bezeichnete er seine nichtfranzösischen Hülfstruppen, also vor Allen – die Deutschen, und darnach ist die eigentliche Bedeutung der Helenamedaille zu verstehen.



Zwei Preisfragen. Ein Herr Pastor Fr. Haeger in Slate bei Parchim erläßt am 5. October des Jahres – nicht 1770, sondern 1870 – in den „Mecklenburger Anzeigen“ einen Aufruf für Reflectanten auf die Lehrerstelle einer ritterschaftlichen Schule und fügt diesem die Bemerkung hinzu: „Der Gutsherr wird nichts dagegen einzuwenden haben, wenn der Lehrer seine Mußestunden durch Betreibung eines passenden Handwerks ausfüllt.“

Preisfrage: 1) Wer von Beiden leistet in der Entwürdigung des Lehrerstandes und Erniedrigung der Volksbildung das Größere: der Herr Ritter, welcher der deutschen Gegenwart diesen Hohn bietet, oder der Herr Pastor, welcher ihn gut heißt?

Und 2) welche öffentliche Auszeichnung haben Beide sich damit verdient?



Für die Verwundeten und die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute

gingen ferner ein: Dritter Beitrag der Redaction der Gartenlaube 100 Thlr.; Theilweiser Ertrag eines Kirchenconcerts des Riedel’schen Vereins in Leipzig 200 Thlr.; E. v. Krausch auf Saußen (bei Riga) 100 Thlr.; von fünf Deutschen in Jekaterinodar im Kaukasus 50 Rubel S.; Arthur Steiger in Birsula (bei Odessa) mit einer liebenswürdigen begeisterten Zuschrift 50 Rubel S.; Geh. Hofrath und Ritter Dr. v. Hartmann in Teofilpol 50 Rubel S.; von einem Russisch-Deutschen in Knaginin 10 Rubel S.; Hattendorff in Kertsch (Asow’sches Meer) 5 Rubel S.; Dr. Schulten in Gau-Odernheim (Rheinhessen) 100 fl. rh.; Schick in N. 5 Thlr.; F. M. „Zur Erinnerung an die Bekanntschaft eines liebenswürdigen Mädchens“ 5 Thlr.; Akademischer Scatabend in Düben 1 Thlr.; Malwine H. in Petersburg 3 Thlr.; Montagsgesellschaft in Regis 10 Thlr.; Fr. in Stz. 5 Thlr.; von einigen deutschen Landsleuten in Wasquehal, Lille und Roubaix 38 Thlr. 4 Ngr.; R. in Z. 1 Thlr.; Fortanier in Ploen 2 Thlr.; A. Schönfelder in Zawodrie 1 Thlr.; Gesellschaft „Gemüthlichkeit“ in Brüssel 30 Thlr.; Collectirt bei einer Hochzeit durch C. R. 2 Thlr.; elfte und zwölfte Sammlung des Personals von Schelter und Giesecke 52 Thlr. 10 Ngr.; F. B. und O. R. W., dritter monatlicher Beitrag 2 Thlr.; Frühstück am 2. October bei Kaltschmidt: für die Locke eines blonden Jünglings 5 Thlr. und für andere Kleinigkeiten 2 Thlr.; Ertrag eines in Saupsdorf vom Gesangverein veranstalteten Concerts, durch J. G. Hencke 17 Thlr.; achte und neunte Sammlung der Klinkhardt’schen Druckerei 12 Thlr. 21 Ngr.; B. M. in Holland 1 Thlr.; zehnter und zwölfter Wochenbeitrag der Drugulin’schen Druckerei 5 Thlr.; Kinder de Camerecq in Arnheim 11 Thlr. 15 Ngr.; Turnverein in Markneukirchen 10 Thlr.; Colporteur Friedrich in Grünhain, Reinertrag verkaufter Kriegslieder 3 Thlr. 12½ Ngr.; von den vereinigten technischen Lehranstalten in Chemnitz, durch J. Schneider 60 Thlr.

Aus Eisenach gingen uns unterm 6. October 8 Thlr. ohne Bezeichnung des Zweckes zu. Auch für unsere Sammlung??


Aus Oesterreich an weiteren Gaben: Familie Tetzner in Görkau und Marienthal 60 fl.; Fritz und Friedrich in Eperies (Ungarn) 10 fl.; Johannes Götzger in Wien 10 fl.; zweite Sendung aus Bistritz in Siebenbürgen 334 fl., 1 Napoleond’or und 1 Duc.; abermals durch Dr. A. Dürrnberger in Linz 173 Thlr. 11 Ngr.; Heinrich, Carl und Adolph in Reichenberg nach einer heitern Stunde in ernster Stimmung 10 fl.; Ernst Pfeilsticher in Arad 25 fl.; zweite Sendung der drei ehemaligen Studenten der Universität Leipzig aus dem Repser Kirchenbezirk in Siebenbürgen 24 fl.; die sächsischen Studenten Augsb. Conf. in Schäßburg 40 fl.; von einer deutschen Frau in Prag, Wirthschaftsersparnisse, 5 fl.; Sammlung unter den deutschen Bürgern von Großschenk 37 fl., mit dem Motto: „Vergleiche Deine Lage mit der Lage der durch den Krieg Verunglückten, so wirst Du fühlen, wie wenig Du durch die Gabe entbehrst, welche Du ihnen darreichst“; ein junges Mädchen aus Oesterreichisch-Schlesien 1 Thlr.; von zwei Fritzen aus Siebenbürgen 10 fl.; Ertrag eines von dem Männergesang- und Turnverein in Marburg (Steiermark) veranstalteten Concerts 587 fl.; Sendung durch Herrn J. Gött, Redacteur der Kronstädter Zeitung 700 fl., 1 Napoleond’or und 1 Kronenthaler, und zwar vom Lesekränzchen einiger deutschen protestantischen Frauen 27 fl., von der Neustädter Partie 46 fl., J. Orendi 4 fl., von den sächsischen evangelischen Lehrern 46 fl., von den evangelischen Schülern: 1. Untergymasialclasse 6 fl. 42 kr., 4. Untergymmasialclasse 4 fl., 2. Realclasse 10 fl. 71 kr., 3. Gymnasialclasse 4 fl., 1. Realclasse 10 fl. 85 kr., 3. Gymnasialclasse 4 fl. 55 kr., 4. Volksschule, Hauptclasse 5 fl. 12 kr., 2. Volksschule 5 fl. 64 kr., 2. Untergymasialclasse 1 fl., 4. Volksschule, Parallelclasse 6 fl. 84 kr., 3. Realclasse 3 fl. 27 kr., von den Studirenden des evangel. Gymnasiums 10 fl. 54 kr., von den zwei Vorlesungen der Gymnasiallehrer Neugeboren und Korodi 20 fl. 77 kr., vom Kronstädter Männergesangverein unter unentgeltlicher Mitwirkung der städtischen Capelle veranstaltete Concerte 161 fl. 62 kr., vom Kronstädter sächsischen Turnverein 100 fl., von den deutschen Bürgern der Marktgemeinde Rosenau 65 fl. 31 kr., Joseph Trausch, Magistrats-Secretär 10 fl., königl. Rath v. Pleckersfeld 5 fl., Dr. Karl v. Greißing 4 fl., Michael Scherz, Tuchmacher 5 fl., Karl Lamberger, Riemer 2 fl., Schreiber, Wollspeculant 2 fl., von zwei Schwestern, Kl. S. und Ad. S. 4 fl., August Schwarz, Sparcassenverwalter 5 fl., Stadtprediger Karl Fischer 3 fl., Franz Schmidt 4 fl., Daniel Gräf 2 fl., Anton Hedwig 60 kr., Theresia Litsken 1 Kronenthaler, P. D. 1 fl., Johann Sander 1 fl., Adolph Riemer, Senator 5 fl.

Die Redaction. 

Größere Geschäfte gehen bereits mit dem trefflichen Beispiele vor, Wochensammlungen zu veranstalten. Mag der Beitrag des einzelnen Arbeiters noch so gering sein, die Masse erzielt immer etwas, und die Bestimmtheit solcher Einnahmen verleiht ihnen doppelten Werth. Sollten nicht Vorsteher, Directoren, Factoren solcher Geschäfte durch ganz Deutschland es sich zur Ehrenpflicht machen, derlei Wochensammlungen einzuführen? Die Arbeiter werden nirgends dagegen sein, ja, sie werden’s ihnen danken, eine solche Bethätigung der Vaterlandsliebe ihnen ermöglicht zu haben und die Gartenlaube wird stets dankbar quittiren.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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