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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

No. 46. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften 5 Ngr.


Hermann.
Novelle von C. Werner.
(Fortsetzung.)


Eugen wollte bitten, beschwören, um der Absicht seines Freundes, die er nur dunkel ahnte, Einhalt zu thun, aber es war bereits zu spät. Vor der Thür des Pavillons rauschte ein Gewand, und gleich darauf trat eine junge Dame über die Schwelle.

Gräfin Antonie Arnau war nun allerdings eine Erscheinung, deren bloßer Anblick schon die Leidenschaft eines jungen Künstlers rechtfertigen konnte. Eine schlanke feine Gestalt, von wahrhaft poetischer Schönheit. Aus dem etwas bleichen Gesicht blickten ein Paar dunkle Augen, voll schwärmerischen Feuers, die schwarzen Locken flossen, idealisch geordnet, auf das weiße gestickte Morgenkleid nieder. Die Haltung war die vollendete Grazie, aber dennoch lag darin ein Etwas, was errathen ließ, daß die Gräfin sich ihrer Schönheit und überhaupt ihrer Stellung in der Welt vollkommen bewußt war.

Sie reichte ihrem Vetter vertraulich die Hand, während sie den Gruß Eugen’s nur mit einem Lächeln beantwortete, und sagte dann scherzend: „Ich glaubte heut Morgen die Erste im Park zu sein, sehe aber, daß mir die Herren bereits zuvorgekommen sind und hier im Pavillon eine äußerst wichtige Conferenz mit einander haben.“

Hermann zuckte die Achseln. „Wichtig, ja, aber leider resultatlos! Ich bemühe mich seit einer Stunde vergebens, Eugen von der Nothwendigkeit zu überzeugen, mich auf meiner Reise nach Italien zu begleiten.“

„Wie, Herr Reinert“ – der Blick der schönen Frau fiel befremdet und vorwurfsvoll auf den jungen Maler – „Sie zögern noch? Ich hielt Ihre Reise für eine ausgemachte Sache und glaubte bestimmt, Sie im Winter an Hermann’s Seite in Rom wiederzusehen.“

Eugen schwieg, er schickte einen halb bittenden, halb drohenden Blick zu seinem Freunde hinüber, den dieser aber nicht zu bemerken schien, denn er erwiderte ruhig:

„Du bist im Irrthum, Antonie, Eugen hat seinen Plan geändert. Er entsagt der Reise und zieht es vor, nach seiner Vaterstadt zurückzukehren, um sich dort eine bescheidene Häuslichkeit zu gründen und seine Braut –“

„Hermann!“ fuhr Eugen, der bisher vergeblich versucht hatte, ihm in’s Wort zu fallen, jetzt drohend auf.

„Und seine Braut; eine dortige Bürgerstochter, möglichst bald zum Traualtar zu führen,“ vollendete Hermann, ohne im Geringsten aus der Fassung zu kommen.

Die Wirkung dieser Worte auf Antonie war eine furchtbare. Im ersten Moment wurde sie todtenbleich, und ihre Hand faßte wie bewußtlos die Lehne des Armsessels, um sich vor dem Sinken zu bewahren, dann plötzlich schoß eine flammende Röthe in ihr Antlitz, und aus den dunkeln Augen sprühte ein Blitz hervor – ein Blick, der das schöne Gesicht geradezu unschön machte, ein Blick, der Eugen, welcher noch immer fassungslos dastand, vernichten zu wollen schien. Dann, den letzten Rest ihrer Besinnung zusammenraffend, wandte sie sich von den Beiden ab, dem Fenster zu und entzog so wenigstens ihr Antlitz dem scharf beobachtenden Auge Hermann’s.

Dieser fühlte wohl, daß bei der nun folgenden Erklärung die Gegenwart eines Dritten überflüssig sei, Antonie hatte sich bereits genug verrathen. Er nahm seinen Hut vom Tische. „Entschuldigt mich für einige Minuten. Ich habe vergessen, im Schlosse einen nothwendigen Befehl zu geben. Ich komme sogleich wieder zurück.“

Es hätte des Vorwandes kaum bedurft, weder Antonie noch Eugen schienen ihn zu hören, und der junge Graf Arnau, der einen Abscheu vor allen sogenannten Scenen hatte und eine der stürmischsten hier herankommen sah, beeilte sich den Pavillon zu verlassen, dessen Thür er hinter sich schloß.

Die beiden Zurückgebliebenen standen sich anfangs wortlos gegenüber. Antonie rang noch immer vergeblich nach Fassung, Eugen hatte noch kein Wort der Vertheidigung gefunden. Er kämpfte zwischen dem Groll gegen Hermann und der Scham über die peinliche demüthigende Lage, in welche ihn dieser versetzt hatte. Die Gräfin war es, die zuerst sprach.

„Ich bedaure, Herr Reinert, erst in diesem Augenblick durch meinen Vetter von Ihrer Verlobung Kenntniß zu erhalten, ich hätte Ihnen sonst bereits längst meinen Glückwunsch ausgesprochen.“

Der eisige Blick der schneidend kalte Ton weckten Eugen aus seiner halben Betäubung, er wollte auf sie zueilen. „Um Gotteswillen, Antonie, nicht diesen Ton!“

Mit einer stolzen verächtlichen Geberde wies sie ihn zurück. „Mein Herr, Sie scheinen zu vergessen, daß Sie zu der Gräfin Arnau reden.“

Wort und Ausdruck konnten nicht schlimmer und beleidigender gewählt sein. Eugen erblaßte, sein Selbstgefühl erwachte und gab ihm auf einmal den verlorenen Muth wieder; auf’s Tiefste verletzt trat er einen Schritt zurück.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_757.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)