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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Alfred küßte die bleiche Stirn, die kalten Lippen, die geschlossenen Augen. Ueber seinem Haupte rauschten die versengten Wipfel zerschossener Bäume im Abendwind, daß es ihm war, als höre er die tiefe melodische Stimme des Freundes zu ihm sprechen: „Führe durch, was ich gewollt, lebe in meinem Geiste, dann bin ich nicht gestorben, dann lebe ich fort in Dir.“ Und eine wundervolle Tröstung kam über ihn, als er das heilige Vermächtniß in seinem Busen empfing. Er fühlte es, er hatte den Freund beerbt, das Feuer, in dem Feldheim gefallen, hatte ihn zum Manne gehärtet.

Die Sonne ging unter, strahlend, blutroth. In der Ferne ertönten Hornsiguale, der Feind blies zum Rückzug. Der Schlachtlärm verstummte. Es war Feierabend – Feierabend, schöne heilige Stunde, wo der friedliche Bauer den Pflug ausspannt und von der Mühe des Tages ausruht auf der Schwelle seines Hauses, sein rosiges Kind auf dem Arm. Selbst der würgende Tod in der Schlacht ehrt diese Stunde und spannt den tausendzackigen Pflug aus, der nur über Menschenherzen geht.

Vom fernen Kirchthurm läutet es den Abendsegen, und vor dem frommen Klang, der wehmüthig mahnend über die blutgetränkten Felder zieht wie ein Klageruf des entweihten zerstörten Friedens, entfliehen die bösen Geister der Wuth und der Rache. Durch die müden Seelen der Soldaten zieht die Erinnerung an das heimische Dorf, wo unter dem Läuten der Abendglocke jetzt eben die Zurückgebliebenen ein banges Vaterunser für sie sprechen – und wie der perlende Schweiß der Stirn, so entquillt auch wohl dem Auge ein heißer Tropfen, eine verborgene Thräne des Heimwehs und der Sehnsucht nach dem Frieden.

Die Sonne ist unter. Das Heer bereitet sich zum Bivouac. Die Wachtfeuer lodern auf, erst gelb und matt abstechend von der röthlichen Dämmerung, mit der sinkenden Nacht aber immer heller leuchtend. Unzählige rührige Gestalten gleiten daran vorüber. Es ist ein Summen und Schwirren, ein Hin- und Wider- und Durcheinanderrennen, eine Geschäftigkeit auf dem weiten Plan, als könnten diese Massen nie zur Ruhe kommen. Endlich strecken sich die müden Soldaten auf der harten Erde aus. Die Feuer lodern leise knisternd zu dem gestirnten Firmament empor. Rieselnder Thau kühlt die fieberheißen Stirnen der Schläfer. Eine Grille singt in dem geknickten Korn das Klagelied um ihre zertretenen Gefährten. Wie Leuchtkäfer funkeln die ruhenden Waffen im Schimmer des Mondlichts und geheimnißvoll wundersam flüstert es in den Lüften – die Götter steigen zu den Helden hernieder.

(Fortsetzung folgt.)


Halt eines Gefangenentransports auf dem Marktplatz zu Remilly.
Nach der Natur aufgenommen von Chr. Sell.




Streifzüge eines Feldmalers.
Mit drei Abbildungen.

„Heute da und morgen dort, wie Einen der rauhe Kriegesbesen fegt und schüttelt von Ort zu Ort; bin indeß weit herumgewesen.“ So kann ich auch von mir sagen, indem ich Ihnen heute die neuesten drei Skizzen schicke, welche ich in den letzten Tagen der Ruhe ausgeführt und ausgearbeitet habe. Dieselben sind, wie Sie sehen, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 784. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_784.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)