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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

bis drei Tagereisen sich erstreckenden Gebiete. Die Antilopen werden da zusammengetrieben. In einem Thale werden über zehn Stunden weit Schlingen gelegt und die Zwischenräume so mit Holz verkleidet, daß die Thiere nur durch einzelne leere Gassen entweichen können. Auf der Seite hinter dem Thale reiten die Beduinen einher und tödten die eingeschlossenen Thiere, bevor diese noch Zeit gewinnen, die Schlingen zu durchbrechen. Am letzten Jagdtage erfüllt sich der allertollste Jubel. Alsdann wird oft die Hälfte der Schlingen von den größeren Thieren fortgeschleppt, und manchmal gelingt es diesen, zu entkommen. Häufig aber werden sie von den Reitern noch eingeholt und niedergestoßen oder niedergehauen. Die Nomaden jener Gegend bezahlen der ägyptischen Regierung ihre Steuern in aus Antilopenhaut verfertigten Schläuchen. Alle jene riesigen in Aegypten und Nubien gebräuchlichen Ledersäcke, deren ein Kameel nur zwei zu tragen vermag, stammen von dorther.“

Zu El-Obêd, Kordufans Hauptstadt, zeigte man Kotschy ungeheure durch jene Nomaden eingelieferte Vorräthe von Schläuchen.

Jeder unserer Leser, auch der mit Afrikas Naturverhältnissen nicht vertraute, wird aus dem beifolgenden Bilde einer Treibjagd auf Antilopen bald heraussehen, daß dasselbe nicht in dem Atelier eines Künstlers erfunden, sondern in seiner Skizze nach der Natur aufgenommen und nach Originalnotizen hergestellt ist.

R. Hartmann.[WS 1]     




Auf unseren Vorposten vor Paris.
Von Ludwig Pietsch.
I.
Die Villenstädtchen vor dem Festungsgürtel. – Vernichtung und Zerstörung ringsum. – Der „Onkel Baldrian“. – Fast in den Straßen von Paris. – Ein Lustschloß als Brandruine. – Lulu’s Spielplatz. – Architektonische und landschaftsgärtnerische Kunstthätigkeit der Militärbehörden. – Gefährliche Spaziergänge. – In den Kellerräumen von St. Cloud. – „Wie der Herrgott von Frankreich“. – Zwischen Stein- und Flatterminen. – Ein bombenfester Tambour. – Unsere braven Vorposten.
Versailles, 1. December 1870. 

Eine Belagerung wie die von Paris hat die Welt noch nicht gesehen, und auch keine Festung wie diese. Der Kreis, der sie umspannen will, muß zwölf Meilen in seiner Ausdehnung haben. Denn noch weit hinaus vor die riesige Enceinte (Festungsgürtel) schieben sich die mächtigen Forts, die es, zunächst in etwas respectvoller Entfernung mit einzuschließen gilt. Einer solchen Veste mit vorschriftsmäßigen Belagerungsarbeiten, mit ersten, zweiten und dritten Parallelen, die durch Tranchéen verbunden sind, beizukommen, erscheint, zumal angesichts des außerordentlich wechselvollen hügeligen und waldigen Terrains ihrer Umgebung, als eine Unmöglichkeit. Man mußte sich deshalb zunächst auf die Cernirung und auf die Herstellung gewisser durch ihre Lage die Umgebung beherrschender Schanzen für die Aufnahme schweren Geschützes beschränken, von welchem aus etwa ein paar Forts mit Wirkung beschossen werden können, um somit nöthigenfalls den langsamen Effect der vollständigen Ein- und Abschließung beschleunigen zu helfen. Hand in Hand mit den Arbeiten zur Herstellung solcher etwaigen Angriffspositionen mußten die nicht minder wichtigen gehen, deren Zweck es war, möglichst starke Vertheidigungslinien für die einschließende Armee zu schaffen, um derselben verdoppelte Sicherung gegen Ausfälle und Ueberraschungen zu gewähren, wie sie dieselben bereits so vielfach zu bestehen gehabt hatte.

Um ganz Paris zieht sich bekanntlich ein Kreis von Ortschaften, die man nicht eigentlich Städte oder Dörfer in unserem Sinne, sondern Villenstädtchen nennen kann. Sie setzen die Reihe der eleganten Landhäuser und Schlösser fast ununterbrochen fort, welche vor der Enceinte der Stadt beginnen, und ziehen sich hier an der Südwestseite bis in die Nähe von Versailles hin. Geschlossenere Ortschaften, wie Bougival, Marne, Sceaux, Sèvres, St. Cloud, Meudon, Montretout etc., bilden eine Art von Kern. Aber deren von zusammenhängenden Wohnhäusern gebildete Gassen gehen allseitig über in eine zwischen reizende Gärten und weite Parks lustig und willkürlich gleichsam verstreute Villengruppe.

Das überall von reicher Vegetation, von herrlichem Baumwuchs bedeckte Hügelland mit seinen weiten Fernsichten über den vielgekrümmten Seinespiegel und über das pittoreske Häusermeer der ungeheuren Stadt mit ihren schimmernden Kuppeln und ragenden Thürmen bietet das glücklichste Terrain für solche Anlagen. Dort findet der zu einem Rentenbesitz, dem ersehnten Ziel all’ seines Arbeitens und Kargens, gelangte, wie der von Haus aus zur günstiger situirten Minderheit gehörige Franzose Alles vereinigt, was für ihn zum wahren Lebensgenuß gehört: trauliches Behagen in seinen vier Pfählen inmitten einer mit Kunst und Geschmack benützten, anmuthigen Natur, ländliche Stille, reine Luft und doch gleichzeitig im steten Anblick des nahen Paris das für ihn so erhebende, so erquickende Bewußtsein, in jedem Augenblick durch eine kurze Eisenbahn- oder längere Omnibusfahrt in den Qualm und Lärm und Glanz wieder untertauchen zu können, welcher dort aufsteigt.

Wenn es, wie die „Gartenlaube“ neulich in so beherzigenswerther Weise hervorhob, für eine Festung schlimm ist, reiches bürgerliches Behagen und Denkmale hoher Kunst in ihren Wällen einzuschließen, so ist es ebenso schlimm für letztere beide, wie ein prangender Gürtel die Mauern und Forts der Veste zu umhegen. Erbarmungslos fallen sie der zwingenden Nothwendigkeit zum Opfer, wenn die Stunde der Belagerung kommt. Einen Theil vernichtet die Axt und vernichten die Geschosse der Vertheidiger, den andern zerstören noch gründlicher und sicherer die unvermeidlichen Arbeiten der Angreifer.

Jene Umgebung von Paris hat es zu erfahren seit drei Monaten!

Aus eigener Anschauung kenne ich nur einen Theil der betreffenden Arbeiten an der Süd- und Südwestseite von Paris, auf jener Linie, die sich von den Stellungen des sechsten Corps und der Baiern im Osten bei Villeneuve und Chatenay gegen Villejuif zur großen Schanze von Clamart (de la Tour à Moulde), Meudon, Sèvres, St. Cloud, Montretout gegen Bougival und St. Germain en Laye hinzieht. Besonders das Gebiet von St. Cloud mit der damit eng verbundenen entzückenden Villenstadt Ville d’Avray und Marne war wiederholt das Ziel meiner Besuche und mein Aufenthalt während so mancher interessanter Tage, die mir ebenso durch die Gegenstände, welche sich meiner Beobachtung zeigten, als durch die echte Liebenswürdigkeit der dorthin commandirten gastfreien Officiere zu lieben und unvergeßlichen geworden sind.

Gerade diese Partien des großen Belagerungskreises haben eine besonders wichtige Bedeutung und die darin Thätigen eine besonders schwierige Stellung durch die Nähe des mächtigsten und gefährlichsten aller Pariser Forts, des viel genannten Mont Valérien, welchen unsere Soldaten den „Onkel Baldrian“ zu nennen lieben.[1] Es ist das jene weithin herrschende, mit ungemein starken Werken und Casernenbauten gekrönte Höhe im Westen von Paris, welche für das Bois de Boulogne und sein zierliches Landschaftsbild einen so ernsten großartigen Hintergrund bildete und an deren Fuß unmittelbar die Eisenbahn nach Versailles vorbeiführt.

Die wirksame Ergänzung der oben erwähnten Vertheidigungsbauten bildet das bei Boulogne angelegte französische Werk, wie andererseits weiter östlich das detachirte Fort von Issy. Im Nordwest dieser interessanten Nachbarschaft erhebt sich über dem Plateau de Closeaux jener Hügelrücken, über welchen sich weithin der prächtige waldähnliche Park von St. Cloud ausdehnt – mit dem berühmten französischen Herrscherschloß, das er umhegt, mit der hübschen Stadt, die sich von ihm am Abhang bis zur Seine herniederzieht, sonst einer der beliebtesten Zielpunkte der Pariser Spazierfahrten und Landpartien.

Es war bekanntlich am 17. September, nach dem ersten Gefecht, noch vor Paris bei Valentin und Breteil, als das bei Weißenburg, Wörth und Sedan bereits durch seine glänzende Tapferkeit so ausgezeichnete Bataillon des preußischen achtundfünfzigsten Regiments, unter dem ritterlichen Hauptmann Wernecke,


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: A. Hartmann
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_014.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2019)