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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

des Perkunos in den heiligen Eichen Romove’s belauschte, als sie vor meiner Seele aufstiegen, die Ordensritter mit dem schwarzen Kreuz auf weißem Mantel, die Hochmeister und Gebieter der Marienburg – da konnte ich nicht anders, ich mußte diese Schatten das Blut der Dichtung trinken lassen, daß sie lebendig wurden, wie die Schatten des Homerischen Orkus; ich mußte ein Trauerspiel dichten: „Herkus Monte, der Preußen Heerfürst“, und was schlimmer ist, ich mußte es drucken lassen; denn ich hatte eine unbezwingliche Sehnsucht darnacht, berühmt zu werden. Ah! erst viel später sollte ich einsehen, daß sich der Ruhm nicht im Flug


Ersatzmannschaften auf dem Wege nach Frankreich in der Weihnachtsnacht den Bahnhof von Saarbrücken passirend.
Nach der Natur gezeichnet von Chr. Sell.


erreichen läßt, daß er oft der Arbeit eines ganzes Lebens spottet, daß es wohl Glückskinder giebt, deren Ruhm über Nacht aufschießt, wie ein Pilz nach dem Regen, daß aber solcher Ruhm auch plötzlich wie ein Bovist wieder zerplatzt und zerstiebt. Noch weniger aber wußte ich damals in meiner Unschuld, daß der Ruhm sich künstlich erzeugen läßt und daß viele seiner Kränze, wie Schiller singt, auf der gemeinen Stirn entweiht werden.

Der Director des Gymnasiums begnügte sich, mir die Schattenseiten einer so frühen Autorschaft wahrheitsgemäß auseinanderzusetzen; er suchte mir Furcht einzujagen vor der „zerfleischenden“ Kritik. Doch vergebens! Es wurden Subscribenten gesammelt in der Nähe und Ferne, das preußische Officiercorps in Mainz stellte ein bedeutendes Contingent. Herr Haberland, Inhaber einer Druckerei und Leihbibliothek und Verleger des Rastenburger Kreisblattes, half mich von meinem ersten literarischen Kindlein entbinden. Da lag es denn vor mir, auf echtem Kreisblattpapier, in einem unsäglichen Format, das jeder buchhändlerischen Bezeichnung spottete! Welchen classischen Eindruck machte doch das gedruckte Wort! Immer wieder las ich die Reden des Preußenfürsten durch, in denen das bernsteinreiche Meer, die Küsten Samlands und die Haine Romove’s eine große Rolle spielten, oder die Liebesanträge des deutschen Ritters, die er an Monte’s Schwester auf der Braunsberger Thurmzinne richtet und die nur den Fehler hatten, an „Ivanhoe“ und den „Templer und die Jüdin“ allzunachweisbar zu erinnern.

Wenn ich in dem kleinen Zimmer des Buchhändlers saß, neben den aufgehäuften Exemplaren, die eine in’s Gewicht fallende Masse bildeten, kam ich mir wie ein Gnom vor, welcher seine Schätze zu hüten hatte, und wenn die frische, freundliche Gattin des würdigen Kreisblattverlegers sich durch diese Barricaden von Trauerspielen siegreich hindurchschlug, mochten auch immer einige „Herkus Monte“ bei der Berührung mit ihrer Kleiderschleppe das Gleichgewicht verlieren,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_032.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2020)