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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Blätter und Blüthen.

Noch einmal der Aberglaube des deutschen Soldaten im Kriege. Wir haben in Nr. 1 der Gartenlaube über den Aberglauben des deutschen Soldaten im Kriege berichtet und am Schlusse des Artikels die Hoffnung ausgesprochen, daß unsere Mittheilungen wohl die Veranlassung zu weiteren Nachforschungen auf diesem Gebiete werden würden. Diese Hoffnung ist bereits in Erfüllung gegangen und von den verschiedensten Seiten erhalten wir höchst interessante Beiträge zu dem angeregten Thema. Namentlich ist es der sogenannte „Schutzbrief“, welcher uns von mehreren Lesern unseres Blattes in Abschriften eingesandt worden ist, deren Grundgedanke überall der gleiche ist und denen auch, wie deutlich erkennbar, überall das gleiche Original vorgelegen hat, während die Abweichungen im Text nur durch die Leichtfertigkeit des Abschreibers oder durch dessen Unbildung und Unverstand hervorgerufen worden sind.

Den einen dieser „Schutzbriefe“, der in einem andern Schreiben in sehr irrthümlicher Verwechslung auch „Hirtenbrief“ genannt ist, begleitet der Einsender, der, wie wir noch zu bemerken haben, als preußischer Officier Krankheits halber eben vom Felde in die Heimath zurückgekehrt ist, mit folgender Zuschrift:

„Auf Ihre Anregung hin schicke ich Ihnen hier die Abschrift eines sogenannten ‚Schutzbriefes‘, wie er bei uns zu Lande, in der Altmark, fast in Jedermanns Händen ist. Der Glaube an die wunderthätige Kraft dieses Briefes ist ein allgemeiner und nicht allein sämmtliche von hier in’s Feld gezogene Soldaten führen denselben bei sich, sondern auch in vielen Familien wird er als Beschützer des Hauses sorgsam aufbewahrt. Wo der Brief eigentlich herstammt, weiß Niemand anzugeben, die Meisten sagen: den habe ich von dem und dem abgeschrieben, oder: den hat schon mein Großvater gehabt, u. dgl. Ich glaube, daß alle diese Briefe, die durch vielfaches Abschreiben arg verunstaltet sind, aber sämmtlich dieselben Grundgedanken haben, aus dem dreißigjährigen Kriege herstammen und aus dieser Zeit auf uns Nachgeborene vererbt worden sind. Daß einzelne Wendungen der Briefe sich an rein katholische Gebetformeln anlehnen, ist ja unverkennbar. – Beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich wurde meinem Vater ein solcher Brief zugeschickt mit dem Ersuchen, denselben abzuschreiben und jedem seiner Söhne, die, wie Sie wissen, sämmtlich in die Armee traten, eine Abschrift mitzugeben. Auch wurde mir, als ich im October zu meinem Regiment ging, im Eisenbahncoupé von einem anscheinend der bessern Gesellschaft angehörigen mitreisenden Herrn ein Schutzbrief angeboten, den ich aber dankend ablehnte, worüber sich der Herr ordentlich beleidigt zu fühlen schien.“

Soweit die Begleitworte des Einsenders; der Schutzbrief selbst lautet wörtlich und mit völliger Beibehaltung auch seines grammatikalischen Unsinns:

„Dieses Kräftiges und für alle Menschen heilsames Gebet ward im Jahre 1505 auf das Grab unseres Heilandes gefunden.

Als Kaiser Carl zu Felde zog, erhielt er es vom Papste aus Frankreich nachgeschickt, der es sogleich auf seinem Schilde ausdrücken ließ in goldenen Buchstaben, wer dieses Gebet täglich bett oder beten hört und damit das Vaterunser auf Jesu Leiden verbindet wird keines unnatürlichen Todes sterben auch nicht durch Gift umkommen. Eine Frau die in Kindesnöthen ist wird leicht entbunden, wenn der Mann das Neugeboren Kind auf der rechten Seite der Mutter legt, wird es von Unglück befreit sein. Auch wird derjenige der dieses Gebetchen bei sich trägt wird von keiner Krankheit angefochten werden, wer es verspottet wird ewig verflucht werden. Wer dieses Gebet von Haus zu Haus trägt, der wird gesegnet werden. Zuletzt wer dieses Gebet sucht, oder hört, wird drei Tage vor seinem Tode Zeichen am Himmel sehen. Wenn ihr euch hüttet vor Sünden, mit guten den Feiertag haltet, so werdet ihr die Ewige Seligkeit erlangen. Thut ihr aber dieses nicht so werde ich euch strafen, ich werde setzen einen Krieg wider den anderen, einen Streit wider den anderen, und werde alsdann meine Hand von euch nehmen. Wegen einer Unartigkeit werde ich ein zweischneidiges Schwert ergreifen und euch vertilgen hernach mit Donner und Blitz auf der Erde herabfahren, damit ihr erkennt meinen Zorn und meine Göttliche Gerechtigkeit wenn ihr des Sonntags arbeitet aus Väterlicher Liebe, für eure Kinder habe ich euch verschonet sonst werdet Ihr längst wegen eure Ungerechtigkeit verdammet. Ich befehle euch sowohl Jung und Alt das ihr fleißig in die Kirche geht und eure Sünden bekennt bei der Buße, euren Nächsten nicht beleidigt auch kein falsches Zeugniß redet, auch hütet euch vor unterdrückung der Armen, sondern helft die Bedürftigen. Wer diesen Brief nicht glaubt der soll die ewige Seligkeit nicht erlangen wer ihn aber bei sich trägt und anderen zum Abschreiben und zum lesen giebt der mag Sünde haben wie Sand am Meer oder wie ewige Sterne am Himmel sie sollen ihm vergeben werden. Wer von diesem Brief hört und ihn nicht abschreibt und in seinem Hause nicht hat der hat keinen Segen wer ihn aber nicht zum abschreiben giebt, der soll verdammt werden. Zuletzt befehle ich noch das ihr meine Gebote haltet wie sie Christus gelehrt hat im Namen Gottes des Vaters † des Sohnes † und des heiligen Geistes † Amen. Wer diesen abgeschriebenen Brief bei sich trägt wird von einem geladenen Gewehre keinen Schaden nehmen denn es sind Worte dabei die das Göttliche bekräftigen sind wovor man sich nicht fürchten braucht, durch diese werden Schwerter Diebe Feinde alle Beschwerden und Geschütze können besprochen werden.

1) Steht stille alle ihr sichtbaren und unsichtbaren Gewehre damit ihr nicht auf mich loß geht, durch die Taufe unseres Herrn Jesus Christus der von Johannes im Flusse Jordan getauft worden ist.

2) Steht stille alle ihr sichtbaren und unsichtbaren Gewehre durch die Angst unseres Herrn Jesum Christum welcher mich und dich erschaffen hat.

3) Steht stille alle ihr sichtbaren und unsichtbaren Gewehre damit ihr nicht auf mich loß geht durch den Befehl des heiligen Geistes.

4) Steht stille alle ihr sichtbaren und unsichtbaren Gewehre und Waffen durch die Taufe des für uns gestorbenen Marters und Allmächtigen Gott, sei uns Gnädig, im Namen Gottes des Vaters † des Sohnes † und des Heiligen Geistes † Amen.

Wer diesen Worten keinen Glauben schenken will darf sie nur auf einen Zettel schreiben, denselben einen Hund um den Hals hängen und danach schießen, er wird ihn nicht treffen in Jesu Namen so wahr wie dieses geschrieben steht, so wahr wie Christus gestorben und auferstanden ist. Wer an diesen Brief glaubt und ihn bei sich trägt wird keinen leiblichen Schaden nehmen.

Ich beschwöre Gewehre und Waffen bei dem lebendigen Gott des Vaters † des Sohnes † und des heiligen Geistes † wie alle Heiligen die mich heute mit einem tödtlichen Gewehre tödten noch verwunden können Gott des Vaters sei uns gnädig † Gott des Sohnes sei mit mir † und Gott des heiligen Geistes zwischen alle Kugeln † Amen.

Graf Fielepp von Flandern, der einen Ritter hatte und diesen wegen eines verbrochenen Vergehens den Kopf abhauen lassen wollte vermochte er es durch seinen Scharfrichter nicht, dieser konnte ihn nicht weder enthaupten noch verwunden, dies machte dem Grafen große Verwunderung und allen anwesenden, der Graf ließ ihn deßhalb vorführen und brachte ihn zum Verständniß mit welchen Dinge es zuginge, worauf er ihn das Leben schenkte als der Ritter ihm diesen Brief mit folgenden Buchstaben verzeichnete. R † K † D † FD † K †. alle seine Diener verwunderten sich sehr der Graf ließ diesen Brief sogleich abschreiben. Wenn jemanden die Nase blutet ober sonst verwundet ist der lege nur diesen Brief darauf und wird sich sogleich das Blut stillen wer es nicht glaubt schreibe vorstehende Buchstaben auf ein Messer und steche ein Thier damit es wird gewiß nicht bluten.

Klaus Bendas Noment
Lesebuch † Eaunoment † Jesus † Maria † Joseph.

Unsere Leser werden nicht verlangen, daß wir die geheimnißvollen Buchstaben und Namen für sie enträthseln. So wollen wir denn hier nur noch bemerken, daß, abgesehen von den leicht verwechselten lateinisch geschriebenen Einzelbuchstaben, vor Allem die Namen in den verschiedenen uns vorliegenden Abschriften des „Schutzbriefes“ verschieden lauten; daß überall die gleichen Namen gemeint sind, ergiebt sich aus den Anklängen. So steht statt des oben erwähnten Grafen „Fielepp“ in einem andern Briefe „Fillp“ und die Worte „Klaus – Bendas – Noment – Lesebuch (!) – Eaunoment“ lauten anderswo: „Bin – Kestus – Normen – Sibusch – Monement.“ Daß der Text hier wie dort „corrumpirt“ ist, liegt auf der Hand, und so wollen wir es dem Scharfsinn eines Gelehrten überlassen, das Richtige herauszuklauben.


Die beiden Winterbilder aus dem Kriege, welche wir heute unseren Lesern vorlegen, erhielten wir leider ohne jede weitere beschreibend Notiz von Seite der beiden Maler zugesandt, so daß wir, da die Fabrication eines romantischen Textes wenig mit unseren sonstigen Bestrebungen in Einklang stehen würde, gezwungen sind, uns nur auf Wiedergabe der von den Malern an Ort und Stelle gegebenen Bilderunterschriften und auf den Abdruck einiger allgemeiner Bemerkungen zu beschränken.

Die eine Illustration, von Christian Sell entworfen, zeigt uns einen französischen Gefangenentransport nach der Capitutation von Mezières, welche bekanntlich Anfang Januar den rechten Flügel der „Festungszone gegen Belgien“ in unsere Hände lieferte. Der Platz hatte nur zwei Tage lang das Bombardement ausgehalten; doch genügte dieses, die halbe Stadt der Zerstörung anheimzugeben. Der Kanonendonner war so furchtbar, daß die ganze Landbevölkerung der Umgegend von Schreck ergriffen wurde und mit Hab und Gut das Weite suchte. Daß die Franzosen auch Mezières, das seiner Lage wegen als ein Platz ersten Ranges anzusehen ist, für uneinnehmbar gehalten haben, bedarf kaum der Erwähnung; doch scheint eben den weit und sicher schießenden schweren Geschützen der preußischen Artillerie nichts widerstehen zu können.

Das zweite Bild führt uns auf die winterlich beschneiten Höhen vor Paris, zu den „nie fehlenden“ Ulanen. Das Bild spricht für sich; die dicke graue Nebelluft, die kahlen, vom Schnee angewehten Bäume, und in dieser öden, frosterfüllten Landschaft die wackeren Lanzenreiter, unbeweglich in den festzugezogenen Mantel gehüllt, den Kragen hinaufgeschlagen und nur mit wachsamem Auge hinüber in die Ferne spähend, wo heute die Forts und vorgeschobenen Verschanzungen der eingeschlossenen Armee kaum sichtbar sind – das ist ein Bild, wie man es in den letzten Wochen vor Paris oft genug erblicken konnte. Doch scheint endlich einmal auch hier das Ende nahe und der Tag nicht fern zu sein, wo unsere Ulanen – bekanntlich der Schrecken aller Franzosen – die Pariser Boulevards hinauftraben, der einziehenden Armee als die Ersten voran, mit flatternder Fahne und die gespannte Pistole in der Rechten.


Kleiner Briefkasten.

W. K. in B-g. Wenn Sie wirklich ein so eifriger und langjähriger Leser der Gartenlaube sind, so sollten Sie doch wissen, daß die Gartenlaube nicht erst den achtzigsten Geburtstag Franz Grillparzer’s abgewartet hat, um dessen hohem Talent gerecht zu werden, sondern daß sie schon vor zehn Jahren eine eingehende Biographie und Charakteristik des österreichischen Dichters gebracht hat. Lesen Sie Nr. 19 vom Jahrgang 1860 nach und Sie werden dort bereits finden, was Sie heute erst von uns erwarten.

Frau J. P–é. in Berlin. Auch wir haben mit großer Theilnahme von dem unglücklichen Schicksale der Tochter Ferdinand Raimund’s vernommen. Ihr Wunsch, das dürftige Loos derselben nach Kräften zu mildern, entspringt einem edlen Herzen und findet gewiß bei den vielen Verehrern des genialen Dichters reiche Nachahmung. Wir bitten Sie übrigens, den kürzesten Weg einzuschlagen und sich direct an „Fräulein Emilie Raimund, Souffleuse am Stadttheater zu Znaim,“ zu wenden.

M. H. M. Ein Herr de D–s ist uns vollständig unbekannt und steht auch mit der Gartenlaube in gar keiner Verbindung.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_087.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)