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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Die Herren Franzosen aber mußten vermuthen, daß sich eine größere Abtheilung von uns in dem Gartenhause festgesetzt habe und daß irgend Etwas im Werke sei; sonst hätte ja der Observationsposten in der Jägermütze seine gefährliche Stellung gewiß nicht so hartnäckig behaupten können!

Binnen Kurzem waren denn auch noch einige Treffer in das Gartenhaus eingeschlagen und dieses selbst total in Trümmer verwandelt.

Unsere Berechnung war richtig gewesen; das Facit stimmte. Wir hatten den Parisern eine gehörige Nase gedreht; sie hatten sich, wie wir es wollten, ihren eigenen Schlupfwinkel zerstört und Monsieur Franzmann konnte unsere Posten hinfort nicht mehr vom Gartenhause aus beunruhigen.

R. L…g.





Goethe in Straßburg. Goethe’s Aufenthalt in Straßburg gehört unstreitig zu den mannigfachen Erinnerungen, welche den Gedanken an das geraubte Elsaß im Herzen des deutschen Volkes nicht sterben ließen.

Seitdem uns der alte Goethe diese unvergeßlichen Tage seines reichen Jugendlebens mit all ihrem Sonnenglanz und Frühlingsduft zu schildern wußte, blieben auch die Augen der Nation auf jene traulichen Stätten des verlorenen Landes gerichtet, wo einst der Fuß ihres Dichters geweilt, wo er denkwürdige Eindrücke empfangen und als ein Zwanzigjähriger schon den Zauber seines Genius und das rastlose Aufstreben eines machtvollen Entwicklungsdranges bekundet hat. Wer kennt Goethe und hat nicht von seinem vielseitigen Bildungsstreben, seinen Münster- und Shakespearestudien in Straßburg, sowie von der Knüpfung des Freundschaftsbundes mit Herder gehört? Wo ist ein gebildeter, der Dichtung nahestehender Kreis, in dem man nicht gern an die bewegte Tischgesellschaft in der Straßburger Krämergasse, an Salzmann und Stilling, an Lenz und Lerse, an die poetischen Spritzfahrten der fröhlichen Genossen, an das liebliche Sesenheimer Idyll und die blauen Augen und blonden Haarzöpfe der lieblichsten aller elsässischen Pfarrertöchter denkt?

Wenn aber alle diese Personen und Vorgänge, diese Beziehungen und Oertlichkeiten seit länger als fünfzig Jahren bei uns mit einer Lebhaftigkeit erörtert und besprochen, erforscht und dargestellt wurden, als handle es sich um Ereignisse des gestrigen Tages, so lag doch der Grund dieser Vorliebe nicht allein in dem biographischen Interesse und nicht blos in dem poetischen Reize des Gegenstandes. Für Unzählige hatte es vielmehr auch etwas Anheimelndes, sich mit einer Zeit zu beschäftigen, in der die politische Abtrennung jener deutschen Landstriche noch keineswegs zu einer nationalen Entfremdung ausgeartet und das geistige Band zwischen dem Elsaß und Deutschland noch nicht durch planmäßige Machinationen gelockert und zerrissen war. Wie durchaus deutsch diese Bevölkerung vor nunmehr hundert Jahren noch gewesen ist, wird uns weniger in direkten Bemerkungen Goethe’s, als durch die ganze Lebensatmosphäre gezeigt, in welcher der junge Frankfurter sich dort bewegte und heimisch fühlte, als ob er zu Hause sei. Allerdings sieht sich sein reiner und kräftiger Sinn hie und da schon durch die beginnende Nachäffung französischer Sitten und Trachten verletzt, aber aus der Denkungsart der Menschen, aus dem Innersten der Herzen und Häuser gähnte ihn noch nicht die abstoßende Armseligkeit eines lügenhaften Zwitterwesens an.

Das ist seitdem anders geworden, und deutsche Treue und Anhänglichkeit strecken jetzt dort einem uns feindselig abgewendeten, einem zum großen Theile verwälschten und verfälschten Volksthume die brüderliche Hand entgegen. Aus den früher so kerndeutschen Bewohnern des Elsaß hat sich ein Geschlecht herausgebildet, das seit Jahren in der ebenso verzweifelten als erfolglosen Anstrengung begriffen ist, seine nationalen Erinnerungen zu vergessen und seinen nationalen Charakter abzustreifen wie ein altes Kleid, das in Art und Sitte nicht deutsch bleiben will und französisch doch nicht werden konnte, in dem der Sinn wider die Natur, die Natur sich wider den Sinn empört. Wird es möglich sein, einen solchen Zwiespalt, eine so verderblich wirkende Entartung des Stammgefühls zu heilen und die Elsässer zu gesunder und glücklicher Entfaltung ihrer Eigenthümlichkeit wieder auf sich selbst zu stellen? Wir hoffen es, wenn wir bedenken, daß im Grunde ja nur ein kurzer Zeitraum zwischen heute und jenen Tagen liegt, wo Straßburg noch eine deutsche Hochschule von Bedeutung und eine hervorragende Stätte deutscher Bildung war, wo junge und ältere Männer noch aus allen Gegenden unseres Vaterlandes nach Straßburg zogen, um dort ihr Wissen zu erweitern und ihre geistigen und geselligen Anregungen zu suchen. Hat uns also ein Rückblick auf jene Goethe’sche Jugendepoche schon immer beschäftigt, so ist er sicher in diesem Augenblicke von so erheblichem Interesse, daß es uns zu doppelter Freude gereicht, unsere Leser auf ein speciell diesem Gegenstande gewidmetes Werkchen verweisen zu können, das erst soeben erschienen ist und den Titel führt: „Goethe zu Straßburg, ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Dichters von J. Leyser“ (Neustadt a. d. H., Gottschick-Witter’s Verlag).

Diese Arbeit Leyser’s ist nicht etwa ein flüchtiges zusammengeschriebenes Erzeugniß der Verhältnisse, sie war beim Ausbruche des Krieges schon vollendet. Was dem Verfasser in friedlichen Tagen auf wiederholten Wanderungen durch das schöne Elsaß, auf des Münsters Plattform und im stillen Dörfchen Sesenheim die Seele bewegte, das hat er den Freunden und Freundinnen unseres großen Dichters zu friedlichem Genusse darreichen wollen. Es sollte aber anders kommen, und in einem Nachtrage zu seinem Vorworte konnte er schon von einem wiedergewonnenen Elsaß sprechen, freilich auch von dem wehmütigen Eindrucke erzählen, den er empfand, als er vor Kurzem in Straßburg vergebens die Stätte suchte, wo er noch an einem sonnigen Nachmittage des vorigen Jahres im stillen Lesezimmer der Straßburger Bibliothek den handschriftlichen Nachlaß des guten Actuarius Salzmann durchblättert hatte. Alle diese Briefe, die Goethe aus Sesenheim und Frankfurt an seinen treuen Führer schrieb, alle die vergilbten Blättchen des unglücklichen Lenz, sowie der Originaldruck der Thesen bei Goethe’s Doctorpromotion sind jetzt als Asche im Winde verweht. Es ist schmerzlich; aber mögen die Blätter immerhin verloren sein, wenn auf Straßburgischem Boden nur ein Rest jenes warmen deutschen Wesens und Strebens geblieben, von denen sie durchweht und beseelt waren!

Goethe’s Selbstbiographie geht bekanntlich schweigend oder nur leise andeutend über manche wichtige Beziehungen hinweg und macht auf historische Genauigkeit der mitgetheilten Thatsachen keinen Anspruch. Eine beträchtliche Menge voll Fragen, welche sich für die Biographien aus diesen Bekenntnissen ergaben, blieben entweder als solche bestehen, oder konnten nur auf dem Wege emsigster Nachforschungen gelöst werden. So namentlich in Betreff der Straßburger Erlebnisse, über die eine ganze Literatur geschrieben wurde. Leyser’s Buch hat nun das Verdienst, alle diese zerstreuten Ermittelungen zu einem lebens- und eindrucksvollen Gesammtgebilde verarbeitet, sie zugleich aber hin und wieder auf Grund eigener Forschungen berichtigt und auch neue Aufschlüsse von wesentlichem Interesse hinzugethan zu haben. Möchte es auch im Elsaß zahlreiche Leser finden!

A. Fr.






Graf Moltke als Lieutenant. Die Jugend des berühmten Mannes fiel in jene lange Friedenszeit, die für einen Lieutenant wie ein undurchdringlicher Vorhang alle Aussichten auf Ruhm und Avancement verhüllte. Der elegante, feine, schlanke Gardeofficier, ausgestattet mit dem herkömmlichen Hochmuth eines solchen, war in dem töchterreichen Geheimerathsviertel von Berlin eine sehr beliebte Erscheinung, aber Moltke blieb kalt und schweigsam bei allen Versuchen sein Herz zu erobern, da er wohl wußte, wie wenig seine Lieutenantsgage ausreichen würde, um die zarten unhäuslichen Damen in den Hafen der Ehe zu führen. Um sich gegen sie und gegen sich selbst zu waffnen, hatte er eine satirische Haltung in der Gesellschaft angenommen und ließ nicht leicht eine Gelegenheit vorübergehen, wo er eine Neckerei anbringen konnte.

So war er einmal bei einem Abendessen gegenwärtig, bei dem eine der Töchter des Hauses ihre Kochkunst zeigen wollte. Sie brachte eine ganz appetitlich und stattlich aussehende Sülze auf den Tisch und schnitt sie mit ersichtlicher Mühe in Stücke, die sie dann stolz herumreichte; aber jeder Gast legte entsetzt die Gabel wieder aus der Hand und ließ die Speise unberührt aus dem Teller liegen. Der Grund ward alsbald entdeckt: es war ein sehr kalter Winter und die Sülze war in Folge dessen steinhart gefroren! Alles lachte. Vierzehn Tage später führte der Weihnachtsabend dieselbe Gesellschaft wieder zusammen. Lieutenant von Moltke überreichte schalkhaft der betreffenden jungen Dame eine große Düte mit Zuckerwerk – sie greift erfreut hinein und findet zu ihrem Schrecken einen kalten Stein darin, der mosaikartig glänzt. Bei näherer Besichtigung ist es das noch immer hartgefrorene Stückchen Sülze, welches er damals sorgfältig aufbewahrt hatte und nun aus Scherz wieder mitbrachte. Er hatte die Lacher auf seiner Seite, aber die jungen Damen fanden heimlich etwas Symbolisches in dem Stückchen Eis und gewöhnten sich sein Herz damit zu vergleichen. Er fand nicht als Lieutenant und nicht als Hauptmann Gelegenheit, sie eines Besseren zu überzeugen: erst als General und schon ziemlich bejahrt gelangte er dazu, sich zu verheirathen, und zwar mit einem viel jüngeren Mädchen, der Stieftochter seiner Schwester. Die liebenswürdige Frau wußte sich ganz in ihn zu finden; sie schrieb Kriegsstudien nach seinen Diktaten und ritt wie ein guter Cavallerist stundenlang an seiner Seite bei Wind und Wetter. Nach einem solchen forcirten Ritt erkrankte sie einmal an einer heftigen Erkältung und starb ganz plötzlich. Seit zwei Jahren betrauert sie der verwittwete General. Er ist gänzlich kinderlos und hat auch sonst keine näheren Verwandten, die seine Reichtümer erben könnten. Daher ist er noch immer der Gegenstand von Heirathsplänen, und Fama strebt darnach, ihm zum Lorbeer die Myrthe zu verschaffen, alle Augenblicke bringt sie Verlobungsgerüchte über ihn in Umlauf, ja sie erfand sogar das Märchen, seine Braut sei in Paris, und darum hätte er so lange mit dem Bombardement gezögert. Wir glauben, daß heute nur Bellona das Herz Moltke’s besitzt.




Kleiner Briefkasten.



Max Weil in New-Orleans. Danken freundlichst für Ihre Mittheilungen, die uns indeß nicht ganz neu waren. Die englisch-amerikanische Presse hat bereits seit Anfang August vorigen Jahres unsere Schilderungen vom Kriegsschauplatze theils wörtlich übersetzt, theils im Auszug ihren Spalten einverleibt, und wenn dabei die „New-Orleans-Times“ so ehrlich war, stets die Quelle zu nennen, so ist dies, wie Sie ganz richtig bemerken, nur der Beweis, daß das Ansehen der deutschen Presse – der französischen gegenüber – im Wachsen begriffen ist. Vor Jahresfrist hätte man es nicht der Mühe werth gehalten, deutsche Berichte in’s Englische zu übersetzen und heute schon prangen die deutschen Quellen obenan. „Sie können sich kaum denken,“ schreiben Sie weiter, „wie wohltuend dies auf ein deutsches Herz hier wirkt, namentlich nach den Ausfällen der amerikanischen Presse beim Beginn des Krieges.“ Wir meinen, die deutsche Nation wird sich drüben in Amerika in den nächsten Jahren auf friedlichem Wege nicht weniger Lorbeeren pflücken, als unsere braven Soldaten auf den Schlachtfeldern von Frankreich.

H. V. in Naumburg a. S. Auch Ihnen müssen wir die schon vielfach ausgesprochene Bitte um Separatabdrücke der in Nr. 3 unseres Blattes abgedruckten Illustration „Für die Feldpost“ abschlagen. Die Kosten derartiger Separatabdrücke sind so bedeutend, daß zur Deckung derselben bei dem angegebenen Preise des Exemplars mindestens eine Bestellung von fünf- bis sechshundert Exemplaren nöthig würde.

R. I. in Kl. Wie Sie aus der heutigen Nummer ersehen, hat sich Fr. Gerstäcker glücklich eingefunden, und unsere neuliche Voraussage, daß seine Berichte vom Kriegsschauplatz für uns schon unterwegs seien, hat sich als richtig erwiesen. Dagegen hat F. Hofmann in Folge der Beunruhigung der Gegend um Orleans und Nanzig durch Franctireurs mancherlei Hemmnisse auf seiner Reise zu bestehen gehabt, die ihm, wie er uns schreibt, für den Augenblick sowohl das Arbeiten wie die Zurückkehr unmöglich machen. Doch wird er das Versäumte demnächst nachholen.

Dem jungen Thüringer Bauer bei Sömmerda zur Nachricht, daß wir zwar seine Gedichte nicht abdrucken, uns aber über seinen Brief und die ganze Art seiner Mittheilungen sehr gefreut haben. Wer so klar und verständig über seinen Bildungsgang und über die Tendenzen der Gartenlaube zu schreiben vermag, ist kein „dummer Bauer“ mehr, wie Sie sich bescheiden selbst nennen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_120.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2022)