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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Haar war in kunstreiche Zöpfe geflochten, welche sich breit an die vollen rothen Wangen anschlossen und dann umgeschlagen und unter dem Hute festgesteckt waren, dessen breite, inwendig mit blaßrother Seide gefältelte Krempe keck auf dem wohlgerundeten Kopfe saß und das leicht beschattete Gesicht mit einem gefälligen Widerscheine überzog, von welchem wieder die breiten, rückwärts herabhängenden und dann nach vorn gezogenen Bänder mit ihrem frischen Grasgrün und den Goldfransen sich angenehm abhoben. Das schwarze mit glänzenden Silberketten reichverschnürte Mieder ließ durch seine Knappheit ebenso die Schlankheit des Wuchses, als die anmuthige Fülle der Gestalt erkennen, und die weißen bis an die Mitte des Oberarmes reichenden Aermel dienten mit ihren breiten Falten ebenfalls dazu, die kräftige Rundung der Arme hervortreten zu lassen, welche der feinsten Städterin nicht zur Unehre gereicht hätten, wenn auch die Farbe die arbeitsgewohnte Tochter der Berge nicht verkennen ließ.

„No’, was ist’s, Vater?“ fragte sie wieder, als der Bauer noch immer nicht die rechten Worte zu finden schien, die angedrohten Vorwürfe darin zu kleiden. „Gewiß hat mich die Mahm’ (Base) wieder bei Dir verklamperlt!“

„Ach, was braucht’s da zu verklamperln,“ rief der Bauer, „wo man selber Ohren hat? Ich hab’ die Schüssel klappern und die Thür zufliegen hören, daß das ganze Haus gezittert hat. Du solltest schon lang unterwegs sein, und jetzt hast die Schüssel mit der Weih’ zerschlagen …“

„Ich, Vater?“ unterbrach ihn das Mädchen, über dessen reizende Züge ein trüber Schatten flog, wie Regenschauer über eine blühende Landschaft. „Ich soll die Schüssel zerschlagen haben? Na, was wird man mir noch Alles aufhalsen! Kann ich dafür, daß die Schüssel nichtsnutzig war? Ich hab’ sie nur ein Bissel fest auf den Herd hingestellt, da ist sie gleich auseinandergegangen.“

„Nit wahr ist’s,“ fiel ihr die Frau von der Ofenbank her in’s Wort. „Eine eiserne Schüssel mußt’ brechen, wenn man sie so aus Leibeskräften aufstoßt, wie Du in Deinem Zorn gethan hast.“

„So?“ entgegnete das Mädchen, dessen blaue Augen in unheimlichem Lichte zu funkeln begannen. „Da soll ich wohl nit in Zorn kommen? Ich soll wohl ein Stock sein und still halten und auf mir trommeln lassen? Kann ich dafür, wenn mich die Mahm’ alleweil zum Zorn reizt?“

„Kreuz Birnbaum!“ rief der Bauer dazwischen. „Werdet Ihr bald still sein und mich auch zum Wort kommen lassen? Die Schwester hat ganz Recht! Was brauchst Du darüber so aus’m Häusel z’kommen? Sie hat nichts Unrecht’s verlangt, wenn sie sagt, daß Du die Weih’ in die Kirch’ tragen sollst – davon wär’ Dir kein’ Perl’ aus der Kron’ gefall’n; das thut überall die Frau oder die Tochter oder sonst die Fürnehmst’ im Haus.“

„Meinetweg’n!“ rief Stasi, deren Wangen sich immer mehr rötheten und deren Stimme immer schärfer klang, „und wenn’s überall so der Brauch ist, so seh’ ich noch lang’ nit ein, warum ich ’was darnach fragen soll! Ich sag’: Der Dirn’ oder Magd kommt’s zu, die schwere Schüssel zu schleppen auf dem weiten Weg’ in die Kirch’ hinunter – und ich will nit, und ich mag nit, und wenn ich’s einmal sag’, so geschieht’s auch nit! Ich will’s nit riskir’n, daß mich das rußige G’selchte oder die schmierigen Eier an mein schön’s Corset’l hinkommen und mir Flecken hineinmachen.“

Die Frau war von der Ofenbank aufgestanden, hatte beide Arme in die Hüften gestemmt und sah nun den allerdings etwas verblüfft dastehenden Bauer mit mitleidigen Blicken an. „No’, was stehst jetz’ da, wie ein Spatzenschrecker, und hörst zu und sagst kein Wort? Du sollt’st Lapp heißen, anstatt Lipp. – Ist dies das Donnerwetter, mit dem Du dem Madl den Kopf zurecht setzen willst?“

„No ja,“ antwortete der Bauer, „ich kann ihr den Kopf doch nit gleich abreißen deswegen! Wenn sie halt die Schüssel durchaus nit tragen will, so ist ja der Welt auch noch nit der Boden aus! Könnt’ ja auch sein, daß sie sich schmutzig macht, und dann weiß ich wirklich nit, warum die Gretl oder die Ursch die Geschicht’ nit auch hinuntertragen kann in die Kirch’!“

„Aha, blast der Wind schon daher?“ rief die Frau. „Hab’ mir’s zuvor eingebildet – aber ich will mich nimmer dareinmischen; ich weiß deswegen doch, was Brauch ist in einem richtigen Jachenauer Bauernhaus! Ich gehör’ auch zum Haus, Gott sei Dank, und solang ich hergehöre, soll beim Kurz am Berg auch geschehn, was da Brauch ist!“

Sie verließ eiligen Schrittes die Stube; das Mädchen aber nahm ihre Stelle auf der Ofenbank ein, als wäre sie angegriffen, und hielt die Schürze vor die Augen, wie wenn sie bitterlich weinte.

„Geh’ doch, Stasi, sei gescheidt!“ sagte der Vater, indem er hinzutrat und ihr begütigend die Hand auf die Schulter legte. „Thu’ Dich nit kränken derentwegen!“

„No’ ja, da sieht’s der Vater,“ schluchzte das Mädchen, „wie die Mahm’ mit mir umgeht! Ich bin die gute Stund selber; aber sie giebt nit eher nach, als bis sie mich auseinander bringt.“

„Laß’ es nur gut sein,“ sagte der Vater und streichelte der verzogenen Tochter die Wange. „Du kennst sie ja, wie sie ist; sie meint halt, es muß Alles nach ihrem Kopf gehen – sonst aber ist sie auch seelengut und thät’ für Dich in’s Feuer gehen. D’rum thu’ Dich nit ärgern deswegen! Die Weih’ wird schon hinunterkommen in die Kirch’, und ich werd’ schauen, wie ich Dir dafür wieder einmal eine Freud’ machen kann.“

Stasi schwieg. Weder das Zureden, noch die Liebkosungen des Vaters waren vermögend, ihren schmollenden Trotz zu entwaffnen.

„Geh’, red’! Sei nicht so bockisch!“ fuhr er wieder fort. „Sag’, was Du willst, sag’, mit was ich Dir eine Freud’ machen kann, und hör’ mir nur mit dem dummen Geflenn auf! Du hast neulich einmal an dem grünseid’nen Fürtuch so ein’ Wohlgefallen gehabt –“

„O nein, Vater,“ erwiderte das Mädchen etwas umgestimmt und trocknete die Augen, die in Wirklichkeit kaum naß geworden waren. „Was liegt mir an dem Fürtuch! Ich hab’ nit mehr d’ran denkt, und es ist mir selbiges Mal nur so durch den Kopf gegangen, wie ich in Tölz gewesen bin und beim Seidenkramer gesehen hab’, daß der Wirth vom Fall seiner Tochter gerade einen solchen grünen Zeug gekauft hat. Das dumme Ding bildet sich ein, daß ihr die Farb’ gut stehen thät’ zu ihrem gelben Gesicht! Da hab’ ich mir freilich denkt: Was die Wirthstochter vom Fall haben kann, könnt’s der einzigen Tochter vom Kurz am Berg auch leiden … aber ich hab’ mir’s schon lang’ wieder aus’m Sinn geschlagen.“

„Brauchst Dir’s nit aus dem Sinn zu schlagen, Stasi,“ rief der Bauer vergnügt; „sollst es haben! Gleich morgen spannen wir ein und fahren nach Tölz hinein zum Seidenkramer und kaufen einen solchen Zeug zu einem Fürtuch und zu einem Corset noch dazu! Wenn’s der Wirth vom Fall zahlen kann, werd’ ich mich auch nit spotten lassen. Aber jetz’ mach’, Stasi, daß wir weiter kommen! – sei gut, thu’ in Dein Tüchl hauchen und druck’s an die Aug’n, daß die Leut’ nit sehn, daß Du geweint hast, die bilden sich sonst gleich allerhand ein. Machen wir uns auf den Weg, die Schwester wird schon nachkommen.“

Endlich schien es dem schönen Trotzkopf gefällig, sein Spiel zu enden; sie schob das Thränentüchlein in die Schürzentasche, strich mit der einen Hand die Fransen des buntseidenen Tuches, das ihren Hals bedeckte, zurecht und drückte mit der anderen den Hut, indem sie einen Blick in den kleinen Spiegel warf, der neben dem Wandkästchen am Eingang unter dem Weihbrunnkesselchen hing. Sie schien mit dem Gesehenen zufrieden zu sein und trat eben mit dem Vater in’s Fletz, als durch dasselbe die Mahm’ geschritten kam, nun auch mit dem grünen Hute bedeckt, begleitet von ein paar ebenfalls aufgeputzten Mägden, in den beiden Händen eine mächtige Schüssel tragend, in welcher, zierlich geordnet und mit Blumen besteckt, die Gegenstände aufgeschichtet lagen, welche die österliche Weihe erhalten sollten. Von einem Kranze roth gefärbter Eier wie von Rosen umgeben, ruhte im Grunde der Schüssel ein mächtiger Laib weißen Brodes, auf welchem sich ein Stück Rauchfleisch, ein Paar Speckseiten und geselchte Würste zierlich geschichtet und verschlungen aufthürmten. Ein mächtiger Schinken, am Knochen mit einer Papierkrause geschmückt, ließ unter der zurückgeschlagenen Schwarte die lockende Rosenröthe seines Anschnitts erblicken, denn das mußte sein, damit nach dem Volksglauben die Weihe im Stande sei, in das Innere einzudringen. Hoch über Allem, wie die siegende Unschuld über dem Laster, thronte ein schneeweißes, aus Butter geformtes Osterlamm in ruhig kauernder Stellung, ein kleines Kreuzlein in den Klauen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_123.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)