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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


her bin, und doch ist’s an einem Kleinen gestanden, daß ich mich verrechnet hätte … ich hab’ gemeint gehabt, ich würde bis vor acht Tagen fertig werden, und habe noch die ganze heilige Zeit dranstücken müssen … gestern Abend hab’ ich die letzte Klafter aufgescheitert; dafür ist aber der ganze Schlag geräumt wie ein Schachterl, daß der Forstner nit aufgehalten ist und jede Stund’ anfangen kann mit dem Aufforsten!“

„Ja, ja, ich sag’s allemal,“ rief der Wirth lachend, „der Flößermartl ist ein Mordsbursch’, und wer was richtig geschehen haben will, der darf nur bei Dir anklopfen – Du bist der riegelsamste Arbeiter, der beste Schütz und der feinste Citherspieler, und wenn ich ein Dirndl wär’, Dich müßt’ ich zu meinem Buben haben, da setzet’ ich meinen Kopf drauf!“

„Ho, ich denk nit dran,“ rief Martl hinwider und rückte lustig sein durchlöchertes Hütchen auf’s andere Ohr. „Die Weibeten wollen von einem armen Burschen nichts wissen, und ich kränk’ mich nit viel drum. … Meine Cithern, meine Büchs’ und meine Hack’, das sind meine drei Schätz’, und ich hab’ noch das Gute dabei, daß sie niemals miteinander streiten, welche ich am liebsten hab’! So für mich als ein Einschichtiger hab’ ich nach kein’ bösen Wort zu fragen und nach kein’ schiefen Geschau – ich bin mein eigner Herr; heut’ geh’ ich noch hinaus in die Wegscheid zu meinem alten Mutterl und morgen, hat der Forstner versprochen, morgen kommt er zu mir hinaus und zahlt mir die fünfzig Gulden auf den Tisch; nachher heißt’s am Abend aufgerebellt bei der Musik und beim Tanz; nachher heißt’s,“ schloß er, indem er den Hut schwenkte und zu singen anfing:

„Von Länggries bin i außa,
Der Floßer Martl;
Wenn d’ Thaler rebell’n,
Red’ i a a Wartl!“

„Teufelsbub!“ rief der Wirth und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Wie er nur so in der G’schwindigkeit die Trutzg’sangeln zuwegen bringt, es ist gerad’ als wenn s’ ihm wer einsagen thät’! Aber wenn Du heut’ nimmer weiter willst, als bis an die Wegscheid hinaus, dann brauchst ja nit zu eilen, dann kannst Du über Mittag da bleiben oder doch bis der Bocktanz vorüber ist … es wird Dich Niemand drum schief anschaun, weil Du im Arbeitsgewand bist, kannst auch gar nimmer recht fort, denn sie blasen schon den Kirchenweg herunter …“

Er trat gegen die Ecke, von Martl gefolgt, als der Zug wirklich bereits um das Haus hervorschwenkte, voran die Musikanten, stattlich ausgerüstet mit Geige, Clarinette und Horn, deren Töne soeben in der Kirche zur Erhöhung der Feier das Ihrige beigetragen, und nun, wie von einem Alp befreit, in ihrem eigentlichen, lustigen Bereich so wohlig durcheinanderschossen, wie Fische, die in frisches Wasser gesetzt worden. Hinter ihnen, umringt von einer Schaar jauchzender Kinder, kam der tannengrüne Karren mit dem gebratenen Widder herangerollt, wieder gefolgt von dem Kurzenbauer, der als Bestgeber mit der Schwester im ganzen Gefühle seiner bäuerlichen Würde einherschritt; Bursche und Mädchen in bunter Unordnung durcheinanderdrängend bildeten den fröhlichen Schluß. Auch Stasi war unter ihnen, widerwillig und verdrossenen Angesichts; es war ihr unangenehm, wie sie eigentlich sollte, neben dem Vater zu gehen, sie blieb unmerklich immer weiter zurück und schien nicht übel Lust zu haben, sich ganz aus dem Staube zu machen.

Martl war erst nicht gesonnen gewesen, der Einladung des Wirthes zu folgen, er gedachte, sich im Gewühl unbemerkt verlieren zu können, mußte aber, um keine Störung zu machen, am Hause stehen bleiben und den Zug an sich vorüberlassen; der Vorsatz blieb aber unausgeführt. Als er unerwartet Stasi gewahrte und ganz nahe vorbeischreiten sah, war Alles vergessen; er wußte nicht, wie ihm geschah, aber als der Zug zu Ende und der Weg in das Thal hin frei und offen war, schlug er doch die entgegengesetzte Richtung ein. Den Bocktanz, dachte er entschuldigend, kann ich mir ja doch mit ansehn, den kriegt man nirgends zu sehn, als in der Jachenau … er dachte es aber nicht zu Ende, sondern brummte, auf etwas Anderes überspringend, halblaut in sich hinein: „Ein fuchswildes Gesicht macht das Madel, aber das gefallt mir gerad’ … wie müßt das trutzige Göschel erst schön sein, wenn’s Einen anlachen thät’!“

Der Karren war inzwischen auf dem Rasenplatz vor dem Hause aufgestellt worden und der Augenblick der Vertheilung war da; die Mahm vom Kurzenhofe vollzog dieselbe mit nicht geringer Würde und Wichtigkeit und Alles ging prächtig von Statten, denn Jedes erhielt reichlich und erhielt das Rechte. Nichts blieb übrig als der blumenbekränzte Kopf mit den vergoldeten Hörnern, der immer dem Wirthe verblieb; die Scherz liebende Sitte verlangte aber, daß er ihn keineswegs einfach zu sich nehmen und forttragen durfte; er mußte mit dem Widderkopf in der Hand ganz allein einen Ringelreihn tanzen, zu welchem die Musik eine ausgelassene Weise spielte und die ganze Versammlung, Jung und Alt, schreiend und juchzend im Knäuel um ihn herumsprang, bis es ihm glückte, eine Lücke zu erwischen und sich und seine Beute im Hause zu verbergen. Hierauf begann der eigentliche Tanz; ehe man an Essen und Trinken dachte, mußte die aufbrausende Jugendlust gebüßt sein, und bald drehten sich auf dem zerstampften Rasen zum Klang eines lebfrischen Ländlers die jauchzenden und jodelnden Paare, wie Wahl oder Zufall sie zu einander gesellt.

Auch Stasi konnte den Tanz nicht verweigern; schon war sie einigen bekannten Burschen gefolgt und kam eben hochaufathmend neben Martl zu stehen, den sie nicht mit einem Blicke beachtete, wenn sie überhaupt seine Anwesenheit gewahr geworden war. Desto mehr war der Bursche mit ihr beschäftigt, er vermochte nicht aus ihrer Nähe loszukommen und konnte sich selbst nicht deuten, warum es so war. Er grollte ihr im Grunde seines Herzens und doch fühlte er sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen – er kämpfte mit sich selbst, um sich loszureißen, mitten in diesem Kampfe aber vergaß er, daß er ihr völlig fremd war, daß er ihr nicht im Feiertagsstaat, nicht im schmucken Schützenanzug gegenüber stand, sondern als schmutziger Holzknecht, und trat vor die Ueberraschte, sie anzureden und aufzufordern.

„Wie haben’s wir zwei miteinander, Dirndl?“ sagte er. „Wir haben heut’ schon einen Tanz gemacht … wollen wir nit noch einmal …“

„Was willst von mir, Du – Du …“ rief Stasi im Zorne auffahrend. „Was kommst mir nochmal in den Weg? Aber ich kann mir’s wohl einbilden, was Du willst,“ fuhr sie, wie sich besinnend fort, indem ein Lächeln des offenbarsten Hohns den schönen Mund umzog. „Du willst Dir’s zu Nutzen machen, daß ich Dir begegnet bin … meinetwegen, da hast etwas, laß Dir eine Maß einschenken.“ …

Damit hatte sie in die Tasche gegriffen und legte ihm ein kleines Geldstück in die ihr offen dargebotene Hand.

Martl zuckte zusammen, ein glühendes Roth überflog sein Gesicht, und seine Brust arbeitete, als stünde er im Holzschlag und als gelte es, eine ungeheure Last zu bewältigen. Es gelang ihm, er überwand das Gelüsten, das ihn anwandelte, der Uebermüthigen die Münze vor die Füße oder in’s Gesicht zu schleudern; wie krampfhaft schloß und ballte er die Hand und brach in wildes Lachen aus. „Ich dank’ Dir, schönes Dirndl,“ rief er, „ich dank’ Dir, weil Du so lieb und freundlich bist und weil Du’s gar so gut im Sinn hast mit mir! Den Sechser aber, den vertrink’ ich nit, den behalt’ ich und laß mir ihn in ein Amulet einnähen, als ein Andenken an den heutigen Ostertag! Den häng’ ich mir um den Hals und denk’ mir, es kommt für Alles eine zahlende Zeit – vielleicht thät’st Du Dich’s einmal viel kosten lassen, wenn Du ihn wieder einlösen könntest.“ …

Stasi hörte ihn nicht, sie hatte sich augenblicklich Bahn im Gedränge gemacht und war verschwunden; auch Martl stürmte in wilder Erregtheit dem Hause zu, an seinen alten Platz. Auf Einen Zug leerte er seinen Krug, ließ ungestüm den Deckel klappen und rief unter lautem erzwungenem Gelächter: „Aufgerebellt, Ihr Jachenauer Buben – setzt Euch her zu mir, heut’ wollen wir lustig sein, heut’ zahl’ ich Alles, ich kann’s ja, heut’ bin ich reich! Schenk’ ein, Kellnerin, und bring’ die Cithern heraus – mich juckt’s in den Fingern, ich muß ihnen was zu tun geben, damit sie mir nicht ausrutschen.“ …

Die Aufforderung war nicht vergeblich; droben im oberen Stockwerk hatte der Tanz noch nicht begonnen, es war nichts zu versäumen, Viele blieben daher stehen und sammelten sich im Kreise, denn Vielen war Martl bekannt und Alle waren begierig, den geschickten Citherschläger zu hören. Andere verweilten aus Theilnahme, denn das kurze Gespräch mit Stasi war nicht ungehört geblieben und unter den Burschen war Mancher, dem es ähnlich ergangen und der auch zu erzählen wußte von dem übermüthig spöttischen Wesen der schönen Bäuerin. Bald war die Cither gebracht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_143.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)