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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

1) Der Magazinwagen, der, wie bereits bemerkt, seinen Platz neben dem Küchenwagen einnimmt. Er hat zu beiden Seiten des (zweiundeinhalben Fuß weiten) Durchgangs vier Kammern, die verschließbar und mit festen Gestellen versehen sind, um mit Sicherheit während der Fahrt die in Säcken, Kisten, Fässern, Flaschen und Gläsern aufbewahrten Vorräthe aller Art zu lagern. Zwei dieser Kammern enthalten sämmtliche Leinen- und Wollensachen, die zur Ausrüstung des Zugs, zur Bekleidung und Pflege der Kranken etc. aufgespeichert sind, ingleichen das Reservegeschirr für dieselben. – In den beiden anderen Kammern sind sämmtliche Materialwaaren und Getränke, wie sie zur Speisung und Verpflegung der Kranken erforderlich sind, angehäuft. Von der speciellen „Nachweisung“ dieser „Ausrüstungsgegenstände“ theilen wir nur einige Hauptzahlen mit, um unsern Lesern einen Begriff von der Reichhaltigkeit derselben zu geben. Im Verzeichniß zerfallen sie in A. Oekonomie-Utensilien, B. Chirurgische Utensilien und Bandagen und C. Materialien.

Zu A gehören unter Anderem zweihundertzwanzig Leib-Matratzen zu acht Pfund Füllung, vierzig Kopfmatratzen von Roßhaar zu drei Pfund Füllung, sechshundertsechszig wollene Bettdecken, vierhundertsiebenzig ordinäre Bettlaken, zweihundertzwanzig Halstücher, zweihundertachtzig ordinäre Handtücher, zweihundertzwanzig Hemden, zweihundert Paar wollene Socken, ebensoviel wollene Jacken und Taschentücher, fünfundsiebenzig Leibbinden, sechszig Ellen Wachsleinwand, vierzig Schlummerrollen, zwanzig Sitzkissen (für Kranke, die sich durchgelegen haben), fünfzehn Armkissen, vierzig Steckbecken und in entsprechender Zahl Krankenröcke und -Hosen, Flanellmäntel, Arm- und Fußbadewannen, Wärmflaschen, Waschbecken und alle zur Reinigung der Menschen, der Zimmer und der Geschirre nöthigen Schwämme, Besen, Lappen etc. – Zu B gehören zwanzig graduirte (das heißt nach einhalb, ein bis vier Theelöffel und einhalb bis ein Eßlöffel Inhalt durch Querstriche bezeichnete) Porcellanbecher, eine reichliche Menge Verbandzeug, Schwämme, Spritzen, Eiterbecken, die Apparate zum Gypsverbande und alle nothwendigen chirurgischen Instrumente. Daran schließen sich Apparate an, um Desinfektionen vorzunehmen. – C endlich enthält einen Vorrath von je fünfzig Pfund Hafergrütze, gebranntem Kaffee, Weizengries, Salz, Butter, Backpflaumen, weißem Zucker und Cacaomasse, je 25 Pfund Zwieback, englisches Biscuit, condensirte Milch, präservirtes Ochsenfleisch, Kalbsbraten, Kalbscarbonnade und Fleischextract, die entsprechenden Vorräthe von Reis, Thee, Schinken, Kartoffeln, Sago, Eiern, Citronen, comprimirtem Gemüse, Gewürz, zweihundertfünfzig Flaschen Bordeauxwein, ingleichen Cognac, Jamaica-Rum, Capwein, sechshundert Siebenachtel-Quart baierisch Bier, zweihundert Halbe Selterwasser und endlich Waschseife, Lichte, Wachsstöcke, kurz ein ziemlich vollständiges Materialwaarengewölbe, wie es vielleicht manche kleine Stadt nicht aufzuweisen hat.

2) Zur Ergänzung dieses Magazinwagens, namentlich um alle größeren Raum in Anspruch nehmende Kisten und Fässer und für längere Fahrzeit aufgenommene Vorräthe unterzubringen, sind dem Sanitätszuge noch zwei Depôtwagen beigegeben, wozu man gewöhnliche Güterwagen benutzt. Gegenwärtig sind in denselben etwa noch zweihundert Wolldecken, vierzig Matratzen, zwanzig Tragbahren, sechszig Gummiringe und dergleichen placirt; außerdem dienen sie zur Aufnahme der schmutzigen Wäsche und des nothwendigen Materials zur Ergänzung der einzelnen Theile der Eisenbahnwagen in einem Werkzeugs- und Reserve-Werkzeugskasten; auch finden sich da ein Paar Wagenwinden, Taue, Leinen und Leitern, um bei einem etwaigen Unglücksfall sofort das nöthige Rettungsmaterial bei der Hand zu haben.

Diesen Depôtwagen schließt sich der Kohlenwagen an, der mit Steinkohlen, Koaks und gespaltenem Holz für den Bedarf sämmtlicher Wagen beladen ist. –

Auf dem einen Flügel der Krankenwagenreihe befindet sich der Wagen der Diaconissinnen. Auch er hat zwei Ein- und Ausgänge für den allgemeinen Durchgang durch die ganze Wagenreihe, ist aber durch eine Bretterwand mit Schiebthür in zwei Abtheilungen geschieden, von welchen die eine als Wohn-, die andere als Schlafzimmer dient, und die beide mit dem nöthigen Comfort ausgestattet sind. Das Wohnzimmer hat einen Ofen, zwei Tische und vier Stühle, das Schlafzimmer zwei Betten, zwei verschließbare Wandschränke, eine Waschtoilette und das Closet.

Den andern Flügel der Krankenwagenreihe bildet der Wagen des zugführenden Arztes, ein bequemer Salonwagen, dessen innerer Raum in drei Abtheilungen geschieden ist: ein Wohnzimmer mit Sophas, Schreibtisch, Ofen und Stühlen, ein Schlafzimmer mit zwei Divans, die als Lagerstätten dienen, und zwischen beiden, durch Schiebthüren getrennt, auf der einen Seite die Waschtoilette, auf der andern Seite das Closet.

Neben dem Küchenwagen finden wir endlich den Wagen des Verwalters, der zugleich die Apotheke und die chirurgischen Instrumente des Zugs enthält. Derselbe ist eingetheilt: in das Wohnzimmer, welches mit einem Kochofen, einem Bureau, einem Regal, einem Tisch und vier Stühlen versehen ist; – in das Schlafzimmer, welches durch eine hölzerne Wand mit verschiebbarer Thür vom Wohnzimmer getrennt und mit zwei Betten (Eisengestelle mit Matratzen und Wollendecken), zwei verschließbaren Wandschränken und einem Waschtisch ausgestattet ist; – und einem Vorraum, welcher auf der einen Seite zu einem Closet führt, auf der andern eine Bank für den dienstthuenden Wärter hat. – Dieser Wagen wird gewöhnlich zugleich als Aufenthalt der Herren Aerzte und des Verwalters benützt, weil von ihm aus, als im Mittelpunkt des ganzen Zugs befindlich, sämmtliche Wagen leicht zu controliren sind.

Und am Schreibtische eines solchen Wagens saß ich im Bahnhof zu Orleans, um den Lesern der Gartenlaube diesen Artikel zu liefern; sie werden mir nun gern erlauben, ihnen auch Einiges von der Her- und hauptsächlich von der Heimfahrt mit den Verwundeten und Kranken zu erzählen.




Blätter und Blüthen.

Ein Veteran der Freiheit. An demselben Tage, an welchem wir die vorletzte Nummer der Gartenlaube mit dem Artikel „Wie Mühlhausen französisch wurde“ herausgaben, erhielten wir die betrübende Nachricht, daß dessen Verfasser, Jakob Venedey, unser langjähriger, treuer Mitarbeiter, nach kurzer Krankheit aus dem Leben geschieden sei. Zwar daß sein Zustand bedenklich gewesen, war uns schon vorher bekannt geworden: die Gattin Venedey’s hatte uns geschrieben, daß unsere letzten Briefe diesem nicht mehr übergeben worden seien wegen seiner schweren Erkrankung. Er selbst hatte in den letzten Wochen in den Briefen an uns wiederholt geklagt und eine zweite Reise, die er auf unsern Wunsch nach Straßburg unternehmen sollte, wegen Unwohlseins stets auf’s Neue hinausgeschoben – dennoch war es unmöglich, auch nur zu ahnen, daß der Hintritt eines Mannes so nahe sein sollte, der sich eben noch mit den weitgreifendsten Plänen und mit Arbeiten trug, die auf Jahre hinaus seine ganze Thätigkeit reichlich in Anspruch genommen hätten.

Wie Jakob Venedey mitten in Sorge und Arbeit dem Leben entrissen wurde, so war dieses auch in seiner ganzen Dauer nur Sorge und Arbeit gewesen; aber beide hatten nur Einem Ziele, Einem Preise gegolten: der Freiheit des von ihm über Alles geliebten Vaterlandes. Mit Venedey ist wieder einer jener wackern Schaar in das Grab gesunken, welche, die Seele mit den Idealen der Freiheitskriege genährt, gegen den Despotismus, die Reaction und die Polizeiherrschaft angekämpft haben bis auf’s Blut, mit dem Einsatz der persönlichen Freiheit und unermattet, bis jene finsteren Mächte zu Boden gerungen sein würden. Diesen Kampf hielt Venedey für den Zweck seines Lebens und ihm ist er, ein ehrlicher, begeisterter Streiter, ein fest in sich gegründeter, unwandelbarer Charakter, treu geblieben bis an sein Ende. Lehrend und streitend, so ist er seinem Volke immer vorangewandelt und so wird er auch in dessen dankbarem Gedächtniß fortleben.

Es ist wohl anzunehmen, daß sich in Venedey’s Nachlaß zahlreiches, werthvolles Manuscript vorfindet, wie auch eine Correspondenz, deren Reichhaltigkeit noch dadurch an Werth gewinnt, daß Venedey mit den bedeutendsten Staatsmännern und Schriftstellern Frankreichs wie Deutschlands in dauerndem Verkehr stand. Der Vollendung nahe dürfte die Arbeit sein, welche, hervorgerufen durch die großen Ereignisse der Gegenwart, ihn in der letzten Zeit am lebhaftesten beschäftigte, und die unter dem Titel „Ein dreißigjähriger Federkrieg um den Rhein, gegen Freund und Feind“ schon demnächst an die Oeffentlichkeit treten sollte. Ebenso reifte in Venedey während der letzten Monate der Gedanke, eine Darstellung der Erlebnisse von 1830–1848 in Paris zu schreiben, welche ähnlich wie die „deutschen Republikaner unter der französischen Republik“ die deutschen Freiheitsbestrebungen von 1830–1848 umfassen und dann auch unter dem Titel „die deutschen Republikaner unter dem Julikönigthum“ ein Ganzes bilden sollten. Es ist tief zu bedauern, daß es Venedey nicht mehr vergönnt war, Hand an dieses Werk zu legen, das eine reiche Fundgrube für den Historiker zu werden versprach. Um so mehr aber muß der Wunsch rege werden, daß wenigstens das vorhandene und, wie es scheint, bereits geordnete Material dem deutschen Volke nicht verloren gehe, das auch das Unfertige und Unvollendete als ein theueres Vermächtniß begrüßen wird.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_171.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)