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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

habe ich dabei in keinem Falle meinen Gegner getödtet oder lebensgefährlich verletzt und ich selber bin auch immer leidlich heil aus ihnen hervorgegangen. Und es ist mir jedesmal gelungen, von meinem Feinde versöhnt zu scheiden, bis auf einen Fall. Es stand mir ein höherer Officier gegenüber, der mich in den Zeitungen öffentlich herausgefordert hatte, weil er mich anders nirgends finden konnte. Ich hatte ihn, ich muß es gestehen, in meinen Schriften etwas scharf exponirt und trug allerdings insofern die Schuld. Als mir seine Herausforderung zu Gesicht kam, suchte ich ihn auf und stellte mich ihm. Er war gerade in der Nähe. Wir schossen uns mit unerheblichen gegenseitigen Erfolgen, aber er wollte meine Hand nicht nehmen und ging grollend von mir. Erst nach Jahren fand ich ihn in Berlin in den königlichen Gemächern wieder. Wir mußten uns Beide besinnen und der König dazu kommen, bevor wir uns erkannten. Der König drohte uns – da reichten wir uns denn die Hände.“

Die Kritik hat die Werke des Fürsten einer etwas kecken Sprache bezichtigt. Er wußte darum und äußerte sich dahin:

„Es mag sein, daß ich hin und wieder etwas schonungslos verfahren bin, aber das lag so in den Zeitverhältnissen und in meiner Natur. Ich habe es auch später nicht bedauert, bis auf meine Schilderungen Goethe’s. Der Altmeister zürnte mir deswegen, als ich das nächste Mal mit ihm zusammentraf. Ich besuchte ihn in Weimar, ich hatte ihn sehr lieb. Als er mich empfing, drohte er mir halb im Scherz und halb im Ernst: ‚Sie haben mich doch etwas zu sehr im Negligé gezeichnet!‘“

Von Goethe war der Fürst voll: „Ich will hoffen, daß Napoleon nicht, um ihm zu schmeicheln, sondern aufrichtig sprach, als er ihn zum ersten Mal sah: ‚c’est un homme!‘ – Goethe war es wirklich. Er bestärkte mich in meiner Liebe zur Natur und regte mich am ersten zu meinen späteren Parkschöpfungen an. Er hatte einige kleinere Proben darin von mir gesehen und sich darüber gefreut. Mit Bezug darauf sagte er, als wir von einander gingen, zu mir: ‚Verfolgen Sie diese Richtung, Sie scheinen Talent dafür zu haben; die Natur ist das dankbarste, wenn auch unergründlichste Studium, denn sie macht den Menschen glücklich, der es sein will!‘ – Und ich bin ihm gefolgt und bereue es nicht. Auch in anderer Beziehung nicht – ich habe mir Goethe’s ‚ganzen Menschen‘ zum Vorbild genommen.“

Wir verstanden den Fürsten. In der That hat Goethe ihm auf seinen Lebenswegen vorgeleuchtet, denn er war, wie dieser, stets objectiv in Wort und Handlungsweise, human gegen Jedermann, mild in seinem Urtheil, bescheiden, erhaben über jede kleinliche Eitelkeit. Er verachtete den Weihrauch der Menge und alle Lorbeeren, aber er verachtete keinen Menschen! – „Ich habe das von Goethe gelernt,“ pflegte er dann zu.sagen, wenn das Gespräch auf den Werth der Menschen als solche kam. „Goethe meinte immer, der Mensch könne nicht auslernen, am Erhabensten nicht und nicht am Geringsten!“

So war der Fürst eingenommen gegen die Träger des Adelstitels, welche ihn nur führen, um ihn zu weltlichen Vortheilen auszubeuten. Er war frei von Selbstgefälligkeit und Ruhmsucht, er betrachtete eine Sache nur als solche und nicht in ihrer Beziehung zu dem Urheber. Man war erstaunt, ihn feiernden Bemerkungen seiner Biographen lachend widersprechen zu hören. So, was seine Thaten im Freiheitskriege betraf, von denen wohl außerdem genug rühmliche überliefert sind. Als wir einmal auch darauf kamen, sagte er: „Ich habe mich nie vor der Front der beiderseitigen Truppen und in ihrem abwartenden Zusehen mit einem französischen Husarenobersten herumgehauen. Die Franzosen waren einfach auf der Flucht und der Oberst stürzte, als ich ihn verfolgte, vom Pferde, aber ich habe ihn weder niedergeschlagen, noch gefangen genommen; und daß ich dem Feinde einige Kanonen abgenommen, ist zwar richtig, aber das hat nicht viel zu bedeuten, denn ich fand sie vernagelt und verlassen in einem Hohlwege stehen und ließ sie von meinen Leuten als Beute mit fortnehmen.“ Im Anschluß hieran fuhr er nach einer Weile fort: „Die Blätter schreiben oft zuviel“ (und er lachte) – „da soll ich mit einer Luftschifferin Reichard aufgestiegen sein, und doch ist es in Wahrheit ihr Mann gewesen ich hatte den Ballon aus eigenen Mitteln ausgerüstet, um mich auch auf diesem Felde einmal zu versuchen.“

Es wurde von der altgriechischen Bildhauerkunst gesprochen. Beim Vergleiche mit den Erzeugnissen der Deutschen seit Anfang dieses Jahrhunderts meinte der Fürst: „Wenn die alten griechischen Meister heut’ aufstünden und Rauch’s Sarkophage im Mausoleum zu Charlottenburg, oder die Statue Friedrich’s des Großen unter den Linden in Berlin, oder Rietschl’s Goethe-Schiller-Monument in Weimar sähen, sie würden sie unbedingt für Werke ihrer Zeit erklären, ein vollkommenerer Faltenwurf läßt sich nicht denken.“

Hieran knüpfte der Fürst Betrachtungen über die Baukunst. Er kam auf Schinkel und sagte: „Sehen Sie seine Bauten! wie echt classisch, wie edel und einfach, wie rein und erhaben! Ich interessirte mich immer für diesen Meister und nahm ihn mit mir nach Muskau, wo er mein Schloß restaurirte. Damals war auch noch der Clemens Brentano bei mir und der Leopold Schefer: sie waren immer um mich – waren, jawohl!“ setzte der Fürst hinzu, indem er traurig das Haupt neigte; „sie sind Alle todt, auch der Houwald und der Contessa, die ich Beide in Halle so lieb gewonnen – das waren Alle Menschen, auf die der Himmel seine besten Geistesfunken versprüht; sie sind mir lange voran geeilt, nur ich bin übrig geblieben! Welche schönen Träume von dem uns noch bevorstehenden Leben habe ich mit ihnen geträumt! Ob sie ihnen Wort gehalten – ich weiß es nicht, aber ich für meine Person kann wohl gestehen, daß sie mich nicht ganz betrogen haben. Ich bin dem Lenker der Welten dankbar und erwarte nur noch seinen letzten Spruch!“ –

Und er war vor wenig Tagen gesprochen worden, dieser letzte Spruch, welchen der Fürst meinte!

Diesen Erinnerungen an den Geschiedenen nachhängend, hatten wir unvermerkt den Rückweg aus dem Parke angetreten und standen bei einer Biegung des Weges plötzlich wieder den Pyramiden gegenüber. Der Tumulus, welcher die fürstliche Leiche aufgenommen, hatte wieder ganz sein früheres Aussehen. Nichts außer der mit Erde vermischten Schneedecke seines Fußes verrieth, daß er sich geöffnet hatte.

Wir nahmen Abschied von dem so winterlichen wie traurigen Bilde vor uns. Es war Hochmittag. Die Sonne strahlte freundlich vom Himmel nieder. Von der Spitze der mittelsten Pyramide, der höchsten von den dreien, wehte wie grüßend das fürstliche Banner. Es umhüllte zeitweise das eiserne Gitterwerk, zu welchem hinauf eine Treppe führt. Auf der dort oben von einer Hellebarde getragenen eisernen Tafel flammte ein goldener Schein: es waren die Lettern des Hoffnung erweckenden Koranspruches, welchen der Fürst einst darauf hatte eingraben lassen als sein Glaubensbekenntniß:

„Gräber sind die Bergspitzen einer fernen schönern Welt.“

Hoffen wir wie er! –

Der Fürst starb, wie er es sich gewünscht, schmerzlos, an Altersschwäche. Nachdem ihn die Besinnung einige Tage vorher verlassen, kehrte dieselbe in der Nacht seines Todes noch einmal zurück. Er empfahl seiner Umgebung noch einen Gruß an sein Lieblingsroß, und im Gefühl seiner herannahenden Auflösung rief er:

„Man ebne mir den Weg zum Tumulus.“

Bald darauf, in der ersten Stunde des fünften Februars, eines Sonntags, hauchte er seinen Geist aus. Sein Geburtstag, der dreißigste Oktober des Jahres siebenzehnhundertfünfundachtzig, war gleichfalls ein Sonntag gewesen. Vier Tage nach seinem Tode erfolgte seine Beisetzung. –

Sein erfinderischer Geist wirkt nun nicht mehr in den für ihn engbemessen gewesenen Grenzen seines Parks. Wird dieser letztere erhalten bleiben zur Freude jedes Fremden und Einheimischen? Wir wissen es nicht, aber wir hoffen es mit Allen, welche ihn kennen gelernt haben. Die Herrschaft ist ein Majorat. Möchte der Nachfolger des Fürsten, der Graf Heinrich von Pückler, derzeit Commandeur der preußischen Gardelandwehrcavallerie in Frankreich, diesen lauten und allgemeinen Wunsch bestätigen!

Nach dem Testamente des Fürsten ist eine Frau von Pachelbe-Gehag, Marie geborene Gräfin von Seydewitz, in Ansehung seiner übrigen Nachlassenschaft, einige Legate abgerechnet, seine Universalerbin. Sie ist des Verstorbenen Nichte von der Seite einer Schwester. Es befinden sich in dem Nachlasse selbstverständlich die merkwürdigsten, seltensten und wunderlichsten Dinge, die der Fürst während seines langen Lebens zusammengetragen hat, vielfach von unschätzbarem Werth. Wir erwähnen außer einer Locke Napoleon’s des Ersten unter Glas und Rahmen und den vielen kostbaren orientalischen Sätteln, Reitzeugen anderer Art und Geschirren, sowie einer Masse prächtigen chinesischen Porcellans und Vasen aus

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_182.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)