Seite:Die Gartenlaube (1871) 208.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


dieses Denkmal ihre Cameraden und Landsleute, die Kriegsbesatzung und die deutschen Beamten. 2. Bataillon (Jülich) 5. Rhein. Landwehr-Regt. Nr. 65. – Escadron des Pommerschen Ulanen-Regt. Nr. 9. Bar le Duc. Im Januar 1871.“ Die Pyramide selbst ist zu beiden Seiten mit dem Lorbeerkranz und vorn mit dem Eisernen Kreuz vom 1870 geschmückt.

Die braven Wehrleute arbeiteten so rüstig, daß das von vier, durch schwere Eisenketten miteinander verbundenen Ecksteinen umgebene Monument schon Mitte Januar im Beisein der Garnison und der deutschen Beamten von dem evangelischen Pastor Frommholz und dem katholischen Pfarrer Schmitz aus Toul eingeweiht werden konnte. Als aber die schwermüthigen Klänge der Bataillonsmusik auf dem Friedhofe verhallt waren, sorgte Premierlieutenant Daun auch noch dafür, daß geeignete photographische Aufnahmen des Denkmals hergestellt und durch die entsprechenden Regimenter den Verwandten jedes in Bar le Duc ruhenden Soldaten zugeschickt wurden. Das aber dünkt uns das Schönste an der Sache und deshalb haben wir auch unseren Lesern eine Abbildung des Denkmals gebracht. Denn mitten im tiefsten Schmerz muß es den Hinterbliebenen kein geringer Trost sein, im Gegensatz zu vielen tausend Anderen wenigstens die Stätte sich vorstellen zu können und wenigstens ein Abbild von ihr zu besitzen, an welcher der theure Gefallene ruht.


Nachtrag zu Moltke’s Liebes- und Eheleben. Als der berühmte General in Constantinopel verweilte, um dem türkischen Cabinet die Vorzüge der preußischen Militärinstitute darlegen zu helfen, war er noch Hauptmann im Generalstabe, dieser „Geniefabrik“, wie eine geistreiche Dame in Berlin es nennt. Moltke schrieb dort sehr interessante Reisenotizen, die er in Briefform in die Heimath schickte, namentlich an seine Schwester, welche mit einem reichen Engländer, Sir John Burt, verheirathet war und in Holstein lebte. Sie war die zweite Frau ihres Gemahls und fand schon drei Kinder erster Ehe bei ihm vor, wovon eine Tochter an Herrn Baron v. Brockdorff in Holstein verheirathet ist, ein Sohn hat als Dichter sich einen Namen erworben, starb aber früh, und endlich eine Tochter Mary wurde die Gattin des berühmten Moltke. Die Briefe, welche er aus Constantinopel schrieb, las das fünfzehnjährige Mädchen mit Begeisterung und schöpfte daraus ein lebhaftes Interesse für den fernen Bruder ihrer Stiefmutter. Als er dann später persönlich erschien, steigerte sich dasselbe zu einer warmen Herzensneigung, die den ernsten ältlichen Mann tief rührte und zu Gegenliebe entflammte. Es ward ein sehr glückliches Ehepaar aus Stiefnichte und Stiefonkel; die Hochzeitsreise wurde nach Italien gemacht, Herr v. Moltke versah nämlich einige Zeit den Dienst als Adjutant des preußischen Prinzen Heinrich in Rom, die junge Frau erlangte einen ungewöhnlichen Bildungsgrad durch diesen römischen Aufenthalt und hätte wohl in jeder Hinsicht in den Berliner Gesellschaften glänzen können, aber sie verschmähte es und namentlich verachtete sie auch alle Toilettenkünste. Die unscheinbarste Dame in nächster Nähe der Kaiserin-Königin und ganz besonders von ihr ausgezeichnet war die Gattin Moltke’s; ihr kühnes Reiten paßte eigentlich nicht zu ihrer durchaus sanften weiblichen Art und Weise. In der Weihnachtszeit von 1868 erlag ihre blühende Gesundheit ganz plötzlich einem Erkältungfieber.


Plonplon’s Lieblingssitz. Halben Wegs zwischen Versailles und der „Enceinte“ von Paris giebt es an der Eisenbahn des linken Seine-Ufers eine Station Meudon. Dort stand bis vor wenigen Wochen ein schönes und durch seine denkwürdigen Bewohner berühmtes Schloß. Jetzt ist’s im Innern vollständig ausgebrannt. Einige Tage nach dem Ende des großen Bombardements brach darin eine Feuersbrunst aus, deren Entstehung noch unklar ist. – Es ist schade um den Bau und um den lieblichen Platz, den es zierte. Von der Terrasse, auf welcher es lag, erfreut sich jedes Auge an dem großartigen Landschaftsbilde der Seine, des Boulogner Waldes und des Pariser Häusermeers. Das Wäldchen von Meudon ist noch leidlich erhalten und kann auch künftig zur Erfrischung der Jugend des „Quartier latin“ dienen. – Da ragen die stattlichen Trümmer, wo die Ludwige vom Vierzehnten bis zum Siebenzehnten ihre königlichen Freuden genossen, wo die erste, große Revolution ihre Luftballons anfertigen und aufsteigen ließ, wo der König von Rom der Schicksalsvorfahr Lulu’s war und wo nun mit Plonplon der letzte Napoleonide aus Frankreich hinausgemaßregelt ist, wenn die Republik ehrlich bleibt.


Literarische Pionniere. Es wird unsere Leser interessiren zu erfahren, daß sich in Metz, nachdem kaum der französische Adler mit lahmen Flügeln aus dessen Mauern vertrieben worden war, zwei deutsche Buchhandlungen aufgethan haben, als Verbreiter deutschen Wissens, deutschen Denkens und deutscher Sitte. Hoffen wir, daß sich die Macht der Idee auch hier unwiderstehlich beweisen und, getragen und gefördert von tüchtigen Männern, auch in dem neugewonnenen Lothringen die Herzen und Geister bald dem deutschen Mutterlande ganz wieder zuführen werde.


Für die Verwundeten und die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute

gingen wieder ein: Gesammelt auf dem Friedens-Commerse der Nichtverbindungs-Studenten Leipzigs am 25. März 29 Thlr. 8 Ngr.; sechster Beitrag von einigen Deutschen und Freunden deutscher Sache 50 Thlr. 10 Ngr.; erste Knabenschule in Straußfurt 2 Thlr.; von E. G. R. A. und C. Bfd. in Rittersgrün mit herzlichen Gegengrüßen nach Prag 7 Thlr.; Ertrag einer Theatervorstellung des dramatischen Lesekränzchens in Dresden 17 Thlr.; vom Stammtisch in Oscar Renner’s Marquise in Dresden, mit der Devise „Wir kennen Sie nicht, überhaupt Sie“ 12 Thlr.; N. N. in Butzbach 5 Thlr.; Whistclub in Höringhausen 6 Thlr. 20 Ngr.; H. F. in E. 2 Thlr.; H. F. in Ebersdorf 7 Thlr. 15 Ngr.; dritte Sendung deutscher Zecher der Locomotivenfabrik in Wiener Neustadt 16 fl.; aus der Sparbüchse von Wilhelmine und Max 4 fl.; zweite Sammlung unter deutschen Bürgern in Großschenk 15 fl. 24 kr. und 1 Duc., vom Kaffeeclub bei Schatter 7 fl. 19 kr., Kaffeeclub bei Lipp 3 fl. 40 kr., Biergesellschaft bei Schatter 1 fl. 30 kr., Gemeinde Rohrbach bei Großschenk 2 fl., zusammen 29 fl. 13 kr. und 1 Duc.; gesammelt bei der Friedensfeier in Glashütte 10 Thlr.; Sammlung des constitutionellen Casinos in Eibenschütz 68 fl., Sparpfennige von Molly, Franziska und Adolph 2 fl. rh. u. 1 Thlr.; sechsundzwanzigste Sammlung der Klinkhardt’schen Buchdruckerei 3 Thlr. 18 Ngr.; Sammlung des deutschen Vereins in Amsterdam 100 fl. holl. (57 Thlr.); Ein wahrer Deutscher in Stepanie (Südrußland) 5 Rubel; Sammlung von Henry Keller in Elkader (Iowa) 68 Thlr.; aus Jübar 2 Thlr.; Prof. O. L. in Ungar. Altenburg 15 fl.; Turnverein „Wüstenbrand“ 6 Thlr.; H. Schr. 5 fl.; J. Sp. in D. 1 Thlr.; H. Müller in Apolda 3 Thlr.; zweiter Ertrag des Kutschke-Marsches von Peter 10 Thlr.; Frau E. S. in Barcelona 30 Thlr.; H. G. in L....p 1 Thlr.; gesammelt von den Kindern einer Armenschule in Brighton (durch Arn. Ruge) 10 Schill.; gesammelt von sechs Deutschen in Gorodischtsche (bei Kiew) 5 Duc. und 1 Halbimperial; Redaction der Gartenlaube 100 Thlr.


Der große Krieg ist zu Ende, wir feiern die Feste des Friedens, und bald werden unsere Landwehrmänner, die nicht ein Grab in fremder Erde gefunden, zu ihren Lieben zurückkehren. Ist uns die Sorge für letztere dadurch erleichtert, so tritt dafür die nicht weniger dringende für die Tausende ein, welche als Verwundete, als Krüppel und Kranke die Heimath wiedersehen. Ihnen dürfen wir unsere Hülfe so lange nicht entziehen, bis der Staat die Erfüllung der Ehrenpflicht gegen sie übernommen hat. Lassen wir in der Opferfreudigkeit nicht nach! Verdienen sich unsere Leser auch von ihnen den Dank, den ihre bisherige Theilnahme für die armen Wittwen und Waisen unserer Landwehrmänner ihnen so reichlich eingebracht hat.

Die Gaben der Leser der Gartenlaube haben bisher hingereicht, nicht weniger als vierzehnhundert Frauen und Wittwen mit allwöchentlichen Unterstützungen zu bedenken, und diese, wie viele einmalige Unterstützungen an Verwundete und Wittwen gingen in die verschiedensten Gaue des Vaterlandes ab, wie nach Friedland und Nürnberg, nach Seebach und Graudenz, nach Zeitz, Berent, Fulda und Oberkaufungen, nach Schmiedefeld, Baireuth, Michelsdorf etc.

Wie können wir unsern Lesern besser darthun, welche Segensquelle aus den Gaben geworden ist, die sie als freiwillige Steuern ihrer Vaterlandsliebe für die Frauen und Kinder unserer Wehrmänner im Kriege uns anvertrauten, als wenn wir ihnen wenigstens einige von den Worten des Danks mittheilen, die uns von den unterstützten Frauen zugekommen sind? Diese Briefe lassen zugleich einen Einblick in den Jammer zu, welcher durch den so entsetzlich „männerfressenden“ Krieg in so viele vorher in ihren bescheidenen Verhältnissen frohe und glückliche Familien gebracht worden ist, – und sind auch deshalb geeignet, an die deutschen Herzen zu pochen, denen der Himmel es verliehen hat, ohne Klage sich des herrlichen Sieges zu freuen.

Eine Frau Mathilde N. schreibt: „Die Freude über die fünf Thaler kann ich Ihnen nicht beschreiben. Gerade war mein Herz centnerschwer; weil mein kleinstes Kind so nervenschwach und krank ist, so konnte ich diese Woche mein bischen Arbeit nicht liefern und wußte vor Angst nicht, wie ich sollte mein Brod und Lebensmittel bezahlen; ich wußte keinen Ausweg, und meine größeren Kinder weinten mit mir. Da kam das Geld von der Gartenlaube und rettete mich aus der tiefsten Noth und aller meiner Betrübniß. … Gott der Allmächtige segne Sie dafür, und das schöne Bewußtsein, edel gehandelt zu haben, erfülle Ihr Inneres mit himmlischer Freude! …“

Eine Frau Henriette L. schreibt: „Dank ist das erste Wort, welches ich Ihnen zuflüstere. Es hat mich zu sehr gefreut, ich hab’s vor Freude meinem Mann geschrieben, weil dieser so große Bange um uns trug. … Der gute Gott wird der rechte Vergelter sein. …“

In einem Briefe von Frau Wilhelmine L. in K. lesen wir: „Welche Freude, als ich Ihren Brief erblickte! Ich hatte schon einige Tage mit den lieben Kindern keinen Bissen Brod und keine Feuerung gehabt, da waren mir diese 4 Thaler ein großer Beistand. Ja, es bleibt ein wahres Wort: Wenn die Noth am größten, ist Gottes Hülfe am nächsten. …“

Eine Frau aus demselben Orte schreibt: „Ich bedanke mich recht höflich für die freundliche Liebesgabe, welche mir die Gartenlaube am 24. Februar zu Theil werden ließ. Ich wußte mir mit meinen drei armen Kindern keinen Rath mehr, denn auf meinen lieben Mann seinen Namen borgte mir Niemand mehr, da er am 30. August in der Schlacht bei Sedan ein Opfer des schrecklichen Krieges werden mußte und nicht mehr in die Heimath zu seinen drei armen Kindern zurückkehren kann. …“

Diese, wie noch Hunderte von Briefen, alle bezeugen, wie groß die Noth unter der Mehrzahl der Landwehrfrauen war; sie bezeugen aber auch, daß mit dem Krieg die Noth nicht aufgehört hat und daß der Friede uns nicht von der Pflicht entbindet, in gleicher Weise für die noch lebenden Opfer unserer Siege zu sorgen.

Möge jedes deutsche Herz seine Pflicht thun, Mann und Weib und Kind, alle, alle!

Ernst Keil.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_208.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)