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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Morgenröthe bürgerlicher Freiheit brach sich allmählich sichere Bahnen. Einundfünfzig freie Reichsstädte am Rhein, darunter das nun so vielgenannte, vielbeklagte Straßburg, verbanden sich mit den ehrenfesten und kernigen Städten der heutigen Eidgenossenschaft, mit Zürich, Bern, Zug, Solothurn und indirect auch mit der alten Laternenstadt, Luzern. Es entwickelte sich immer mehr und mehr der gewaltige Kampf, der noch heute nicht allüberall ausgekämpft in in Europas Gefilden, der Kampf zwischen Ritter und Bürger, zwischen Burg und Stadt. Ehrliche, aber freiheitsliebende Bürger sowohl, wie Raubrittersitze wurden von den „währschaften Burgern“ erstürmt, Ritter, Zwingherren, Vasallen und Knechte erschlagen, von den freien Städten und freien Bauern der Herren Länder annectirt, Unterthanenland daraus gemacht, dessen Bewohner nach einigen Jahrhunderten wiederum das neuerstandene Junkerthum der Städte zu überwältigen hatten im blutigen oder unblutigen Kampfe, bis endlich und endlich die wahre, auf Bildung, Sitte und Gesetz begründete bürgerliche Freiheit heraufdämmerte.

Damals, um das Jahr 1386, war aber dennoch eine schöne und große Zeit. Luzerns „Jungen“ hatten auf eigene Faust mit den Zollwächtern und Burgleuten Oesterreichs zu Rothenburg – eine Stunde von der Stadt – Händel angefangen, die Beamten fortgejagt, die Burg demolirt. Da die „Alten“ sie nicht bändigen konnten, blieb nichts Anderes übrig, als mitzuthun und nachzufahren. Es ging nun auf Eine Rechnung. Burgen wurden geschleift, Vögte verjagt weit und breit, ganze österreichische Amteien annectirt, die Bauern Entlebuchs, ein kriegerisches Völklein und das Städtchen Sempach in’s Burgrecht aufgenommen. Das warf natürlich Staub auf. Herzog Leopold von Oesterreich zog heran mit vielen Tausend Rittern; er wollte Luzern und die Bauern der Waldstädte züchtigen, sie wiederum zu Unterthanen machen. Luzerner und die Waldstädter rückten dem Leopold entgegen bis vor Sempach am schönen lieblichen See. Dort kam’s, wie männiglich bekannt, am 9. Juli 1386 zur weltberühmten Schlacht. Winkelried’s weltkundig gewordenes „Der Freiheit eine Gasse“ durchbrach die Phalanx des österreichischen Heeres. Herzog Leopold fiel, mit ihm die Blüthe seiner Ritter. Oesterreichs Herrschaft war in jenen Gegenden gebrochen für immer.

Die deutschen Mannen aber trugen den deutschen Herzog, ihren Feldherrn, als Leiche hinauf gegen das uralte Chorherrenstift zum heiligen Michael in Beromünster, eine starke Stunde vom blutgetränkten Schlachtfelde. Dort, nahe am Stifte, legten sie den todten Leopold auf einen großen Findling (Alpenstein) und baten die Stiftsherren um eine Ruhestätte für den gefallenen Bedränger der Eidgenossen. Die Stiftsherren aber, sonst Oesterreichs Freunde, schlossen ihre Pforte, schüttelten ihr Haupt; die treuen Mannen aber trugen den Todten noch weiter hinab bis zu den herrlichen Gestaden der Aare, da wo das Kloster Königsfelden sich in den Wellen spiegelte und unfern deren das alte Stammschloß Habsburg trauernd auf den von Bauernhand erschlagenen Habsburger herniedersah.

Doch meine Erzählung gilt nicht der Verherrlichung jenes Herzoges, des Besiegten, nicht den Siegern, sie gilt einer guten alten, frommen und schönen Sitte der katholischen Völker. Diese gedenken nicht mehr des Uebels, das der Lebende ihnen thun wollte, wenn er todt ist; sie setzen dem armen Verunglückten dem nun Heimgegangenen, dem Seligen ein freundlich Denkmal, am Weg, da wo er todt gelegen, ein Kreuzlein oder auch ein Kirchlein, das den Vorüberwandelnden mahne an das:

„Rasch tritt der Tod den Menschen an,
Es ist ihm keine Frist gegeben!“

So bauten denn auch fromme Hände dem gefallenen Feinde auf jenem Stein, wo der todte Herzog ausgeruht, eine kleine freundliche Capelle, an der alten Straße von Sempach nach Münster, am Fuße eines leider dermalen etwas vernachlässigten Buchenhaines, aus welchem vor alten Zeiten ein „Schlößli“ ins weite Land hinausgelacht haben soll, hinab zum himmelblauen Auge des Hallwylersees, weit hinüber zum rebenumkränzten Heideggschloß am waldgekrönten Lindenberg und weit, weit nach Süden, hinein in die majestätische eis- und schneeumpanzerte Alpenwelt, vom zackigen Sentis bis zum Silbersattel des breitgeschulterten Titlis.

„Da steht die Kapelle so still und klein,
Und ladet den Pilger zum Beten ein.“

Mitten in einem blühenden Obstwalde, „wenn der Frühling seine Blumen streut.“

Jahrhunderte lang hat sich hier das Andenken an Herzog Leopold erhalten durch diesen Stein, und lange, lange Jahre mag wohl auch das schmucke Kirchlein prangen, mit Altar und Bild, als Leopoldscapelle. Jener Stein, worauf es steht, hat, nebenbei bemerkt, viele Aehnlichkeit mit Gustav Adolph’s Stein bei Lützen. Die Männer, von denen beide Steine erzählen, ähnelten sich wenig.

An der blüthenweißen Wand des Kirchleins gegen Nordosten aber giebt der biderbe Vers eines Beromünsterer Dichters dem Denkmal seine Deutung:

„Eine deutsche edle Eiche
Ruhte einst auf diesem Stein.
Herzog Leopoldens Leiche
Soll allhie gerastet sein.“

In demselben Flecken Beromünster, Canton Luzerns, bei welchem das älteste Denkmal eines flüchtenden Deutschen steht, in Gestalt der Leopoldscapelle, wurde nicht ganz hundert Jahre nach der Schlacht bei Sempach und vierhundert Jahre vor dem denkwürdigen Jahre 1870 die erste Buchdruckerei in der Schweiz errichtet. Wohl auch ein deutsches Denkmal, jedwede Buchdruckerei! Das vierhundertjährige Jubiläum, das das lebensfrische und freie Münster in diesem Jahre abzuhalten gedachte, ward durch den Krieg wider die Franzosen von der Tagesordnung verdrängt. Hoffen wir, es werde im nächsten Jahre um so herzlicher gefeiert. Ich skizzire Ihnen diese erste Buchdruckerei, in dem thurmartigen „Schlößli“, von einem Priester etablirt, so gut es ein Autodidakt vermag. Das Gebäude hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten.

Der Begründer dieser Druckerei war ein Chorherr des Stiftes zum heiligen Michael von Beromünster, das noch heute existirt. Er war aber in erster Linie ein Luzerner und hieß Elias Elie von Laufen. Seine Voreltern stammten aus Basel, seine Ahnen aber jedenfalls aus dem Städtchen Laufen im Birsthale. Der alte gelehrte Herr erlernte, trotz seiner siebenzig Jahre, die Buchdruckerei noch selbst und gab im Verein mit dem Magister Ulrich Gering, als erstes Werk heraus: „Primicerus et imprimendi“ etc. Von Laufen starb 1475. Wohin die Buchdruckerei gerathen, weiß man nicht. Das erste Druckwerk existirt noch in der Bibliothek des obengenannten Stiftes.

Magister Ulrich Gering, ebenfalls ein Luzerner, hatte die genannte Buchdruckerei einge- und den Chorherrn von Laufen unterrichtet. Interessant ist es, daß der damalige Rector der Universität zu Paris, Wilhelm Fichet, den Gering noch im Jahre 1470 nach Paris berief und so die edle Buchdruckerkunst aus einem winzigen Flecken der Schweiz nach Paris verpflanzte. Gering starb erst 1510, nachdem er vierzig Jahre in Paris gelebt und sich dort, an der Sorbonne, wo noch heute sein Gedächtniß alle Jahre gefeiert wird, sehr großen Ruf erworben hatte.

Kein Wunder, wenn schon Beromünster von Zeit zu Zeit einen unverkennbaren Anstrich, etwa wie Kleinparis, annimmt. Ganz besonders, wenn es nationale Feste feiert.

Friedrich Alpland.




Die Zuwider-Wurzen.
Eine Geschichte aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


4.

Die ganze Jachenau hatte noch einmal ihr schönstglänzendes Festgewand angezogen, als das Schweizerwägelchen vom Kurzenhofe durch dieselbe dahinrollte. Obwohl Nachts schon Reif gefallen war und die geschorenen Halme gebräunt hatte, leuchteten die Matten und Hänge noch einmal auf mit einem Schimmer von Grün, als sollten eben die ersten Spitzen keimen, und als wären

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_254.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)