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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


aufgestellt und konnte wegen ihrer Position uns nicht unterstützen. So mußten unsere beiden Batterien allein den ganzen Tag bis zum hereinbrechenden Abend das heftigste Feuer aushalten und so gut wie möglich erwidern. Wir standen auf zwei Anhöhen uns gegenüber; unsere Reiterei konnte uns so wenig wie unsere Infanterie helfen, denn das Zündnadelgewehr konnte den Feind nicht erreichen, während wir fortwährend den Kugeln der Chassepots ausgesetzt waren.

Da kam der Befehl vom General von Werder, uns zurückzuziehen und zwar nach einer Richtung, die offenbar nur zur Täuschung des Feindes eingeschlagen war, denn gleich darauf mußten wir eine Schwenkung in ganz anderer Richtung machen und wieder Posto fassen, um sofort an die rührigste Arbeit zu gehen. Hier wurden die Anhöhen verschanzt, mit schwerem Geschütz besetzt, Bäume gefällt, um die Wege unzugänglich zu machen, kurz Alles gethan, um einem mächtigen Feinde, und das war damals für uns noch die Bourbaki’sche Armee, alle nur menschenmöglichen Hindernisse für einen Durchbruch auf dieser Seite entgegenzustellen.

An demselben Abend war bei Belfort, auf beiden Seiten, der französischen wie der deutschen, das allerheftigste Feuer seit der ganzen Belagerung. Daß das eine Bedeutung hatte, die mit unserer schweren Arbeit zusammenhing, konnte man sich wohl denken. Das sollte uns für diese Nacht noch deutlicher werden. Wir erhielten den Befehl, auf der Stelle, wo wir standen, zu bivouakiren; aber zugleich ward uns streng verboten, Feuer anzuzünden, ja nicht einmal Tabak sollten wir rauchen, um unsere Stellung nicht zu verrathen. Und es waren siebenzehn Grad Kälte, und wir, lauter Landwehr, waren doch auch keine Jünglinge mehr. Aber da kam der General von Werder selber zu uns und sagte: „Meine alte Landwehr, haltet’s nur diesmal so aus, es wird schon einmal gehen. Es geschäh’ ja nicht, wenn’s nicht sein müßte, wenn nicht so viel davon abhinge. Haltet fest, verzagt nicht, morgen bekommen wir Hülfe.“ So ein Wort, das das Herz warm macht, hilft wahrlich auch für die Glieder. Aber eine schreckliche Nacht war’s denn doch, von der Mancher für’s ganze Leben was davongetragen hat.

Am Siebenzehnten früh halbfünf wurde das Lager verlassen und Position genommen. Eine Stunde später überraschte uns schon eine Abtheilung badischer Infanterie mit einer Morgenbescheerung. Sie waren auf ihrem Streifmarsch an eine Kirche gekommen, vor welcher sie vierhundert Chassepots in Pyramiden aufgestellt sahen, und zwar ohne Schildwache. Die ganze Mannschaft dazu lag in der Kirche im schönsten Schlaf. Natürlich nahmen die braven Badenser das Nest aus und brachten uns die gefangenen Vögel als Frühstücksvergnügen.

Leider endete der Tag gerade für diese Tapferen nicht so freudig, wenn auch siegreich. Zur Eiskälte gesellte sich bei Tagesanbruch ein furchtbarer Nebel, und trotz desselben begann das heftigste Infanteriefeuer, dem die Badenser ohne Deckung bloßgestellt waren, ohne doch vom Platze weichen zu dürfen. Als um neun Uhr die Sonne durch den Nebel brach, beschien sie ein Leichenfeld – schon um acht Uhr hatten die Badenser keinen einzigen Subalternofficier mehr, alle lagen verwundet oder todt da; dennoch hielt die Mannschaft heldenmüthig Stand; unsere Batterien redeten ihr scharfes Wort mit drein, und um Mittag löste die Ordnung in den Reihen des Feindes sich auf, er begann zu weichen, und wir verließen unsere mit Ehren behauptete Stellung nur, um ihn Schritt für Schritt auf seinem eiligen Rückzug zu verfolgen.

Die Verfolgung wurde am Achtzehnten fortgesetzt, und zwar nicht nur blind dem Feinde nach, wohin er wollte, sondern nach dem Plane des Generals von Werder so, daß die Franzosen dem hinter Besançon ihrer harrenden General von Manteuffel, fortan Oberfeldherr der vereinigten deutschen „Südarmee“, hübsch in die offenen Arme getrieben wurden. Unterwegs machten wir noch viele der Ausreißer, die sich in Schluchten und Wäldern versteckt hatten und nur selten Widerstand versuchten, zu Gefangenen.

Schon am Zwanzigsten sprach der Kaiser in einem Tagesbefehl seinen Dank aus gegen den General von Werder und seine tapferen Soldaten, und am Einundzwanzigsten erhielten wir zum ersten Male wieder Brod, während auch bis dahin Fleisch und Wein uns niemals ausgegangen war. Welche Freude dies war, begreift freilich nur, wer es so lange wie wir hat entbehren müssen.

Während nun die Südarmee ihre siegreichen Kämpfe fortsetzte, bis Bourbaki’s Armee in die Schweiz getrieben und Belfort übergeben war, gingen wir auf der alten Landstraße in der Richtung nach Vesoul wieder zurück und bestraften dabei die Bürger und Bauern, welche in der Zeit ihres Uebermuths wegen Bourbaki’s und Garibaldi’s Verheißungen und unserer Bedrängniß auf die Unseren geschossen hatten, so namentlich Lure, das uns fünfundachtzigtausend Franken und alle Waffen auf die Mairie abliefern mußte, Port-sur-Saone etc. Und schließlich hielt unser General von Werder auch uns Wort, indem er „seiner alten Landwehr“ nach so schweren Schlachten und Strapazen Ruhe vergönnte. Wir hatten nur noch den üblichen Dienst, Patrouilliren und dergleichen zu leisten, bis uns am 2. April gestattet wurde, Frankreich zu verlassen und in die liebe Heimath zurückzukehren.

Von den fünfzehnhundert Todten und Verwundeten, welche dieser so kurze und doch so glorreiche Feldzug des Werder’schen Corps gekostet hat, traf auf unsere Batteriemannschaft ein Verlust von sieben Verwundeten und einem Todten. Letzterer, der Oberkanonier Seidel, starb an der Amputation eines Armes, der ursprünglich nur leicht verwundet und erst durch den Transport so schlimm geworden war. Dagegen erhielt Unterofficier Schaufuß noch beim Zurückgehen am Sechszehnten, einen Schuß durch die Lunge und befindet sich trotzdem ganz wohl. Alle übrigen Verwundeten sind ebenfalls wieder geheilt. Gewiß nach solchen Kämpfen und Gefahren unserer Batterie eine große Gnade Gottes!

Ich für meine Person habe mir von Frahier die Patrontasche eines Mitrailleusenkanoniers mitgenommen; sie und das Bewußtsein, dem Vaterlande redlich gedient zu haben, ist mein Andenken an diesen Krieg.




Blätter und Blüthen.

Das neue Hoftheater in Altenburg. (Mit Abbildung.) Wer auf der von Penig herführenden, nach den Münsaer Linden benannten Landstraße in den Kessel hinuntersteigt, in welchem Altenburg liegt, hat im Sommer einen überraschend schönen Anblick. Rechts von ihm liegt auf gewaltigem steilabfallendem Felsblock das Schloß mit seinem kleinen, aber auf das Sorgfältigste unterhaltenen Park, und ihm zu Füßen sind bergauf, bergab die Straßen der häuserreichen Stadt ausgebreitet. Daß ihr Terrain ein so hügeliges ist, giebt dem Ganzen eine gefällige Bewegung in der Ruhe, und daß die letzten Häuser auf dem Höhenrücken drüben sich zwischen Bäumen und Gärten verlieren, vollendet das Malerische des Eindrucks. In neuerer Zeit nun ist für die Stadt zu diesem Allem ein neuer Reiz gekommen: ein schönes stattliches Theater, das sich dem Schlosse schräg gegenüber erhebt, auf dem Josephsplatze und der Straße rechts zur Seite, welche an freundlichen Villen vorüber vom Bahnhofe aus in das Innere der Stadt führt.

Man hat bekanntlich eine gewisse Durchschnittssumme von Jahren ausgerechnet, wenn wir nicht irren, dreißig, welche im Allgemeinen die Lebensdauer eines Theaters bilden, das alsdann durch Brand zu Grunde zu gehen pflegt. Das herzogliche Hoftheater in Altenburg hatte in dieser Hinsicht ein seltenes glückliches Geschick. Obgleich früher erbaut, als die meisten Schauspielhäuser Deutschlands, ist es doch bis auf den heutigen Tag noch nicht abgebrannt. Aber schon vor Jahren zeigte es eine derartige Altersschwäche und Hinfälligkeit, daß seine fernere Benutzung lebensgefährlich erschien und daß vom Herzog der Schluß des Hauses angeordnet wurde.

Natürlich machte sich alsbald das Bedürfniß nach einem neuen Theater geltend, und nachdem nur einmal die Landschaft die zum Bau nöthige Summe bewilligt hatte, fand man auch alsbald die richtigen Männer, deren Händen man das Unternehmen anvertrauen konnte. Schon am 1. Juli 1869 wurde mit dem Bau, der nach dem Plane des Baurath Enge in Altenburg und unter der Leitung des vom Architekten Feller unterstützten Baumeisters Otto Brückwald in Leipzig ausgeführt werden sollte, begonnen und schon gegen Weihnachten desselben Jahres konnte das Haus unter den üblichen Feierlichkeiten gerichtet werden.

Das neue Theater liegt, wie schon gesagt, dem schönen herzoglichen Residenzschlosse gegenüber. Wer von den Münsaer Linden kommt, hat das stattliche Haus gleich vor sich, die Stadt als wirksamen Hintergrund. Eine völlige Freistellung auch mit der Rückseite gestattete der Platz nicht, doch ist das Gebäude hinter der Bühne stylistisch abgeschlossen und nur durch ein niedrigeres, feuersicher gewölbtes Magazin mit der Häuserreihe der Burgstraße in Verbindung gebracht.

Ueber die äußere Ausstattung giebt unsere Abbildung hinreichende Auskunft. Sämmtliche Gesimse der durchaus massiven Mauern sind in Pirnaer Sandstein ausgeführt. Die obere Balustrade und die dahinter liegenden Felder der jetzt noch kahlen Wandfläche sollen später noch ihre entsprechende Ausschmückung erhalten und zwar die Balustrade mit Figuren und Vasen, die Wandfelder mit Malereien in Sgraffitomanier.

Ueber die breite Freitreppe tritt man in das untere Foyer. Links und rechts sind dem Logenhause Treppenhäuser angebaut. Jede der beiden breiten und hellen Treppen führt in das sehr schöne obere Foyer. Höher

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_307.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)