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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


No. 21.   1871.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Ein Held der Feder.
Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Henry machte eine Bewegung, wie um an den Wagen zu stürzen, aber er hielt plötzlich inne. Schämte er sich der unfreiwilligen Regung, oder war es die Erinnerung an das letzte Zusammentreffen, das ihn auf einmal abkühlte, genug, er bezwang sich, der Wagen blieb unbeachtet, und mit einer Ruhe, die allzu gleichgültig war, um natürlich zu sein, wendete er sich von Neuem zu Atkins.

„Und wie kommen Sie, und vor Allem Miss Forest hierher auf den Kriegsschauplatz?“

Atkins hatte die Frage kommen sehen, er war darauf gefaßt. „Wie? Nun, wir wollten uns dies jedenfalls interessante Kriegsgewühl einmal in der Nähe ansehen, haben aber bereits in acht Tagen die Sache satt bekommen und sind, wie Sie sehen, jetzt auf der Rückkehr begriffen. Mr. und Mrs. Stephan werden triumphiren, sie geriethen außer sich über die sogenannte Laune und Excentricität Miss Jane’s, und über meine Nachgiebigkeit.“

Ein kaltes, hohnvolles Lächeln umspielte Alison’s Lippen. „Ich möchte Sie denn doch ersuchen, mich in Bezug auf die Leichtgläubigkeit nicht auf eine Stufe mit Mr. und Mrs. Stephan zu stellen. Wenn ihnen der Vorwand genügte, ich kenne Miß Forest zu gut, um ihr eine so zwecklose, romantische Abenteuersucht zuzutrauen. Sie wäre die Letzte, dergleichen zu unternehmen, und auch Sie hätten sich darin schwerlich zu ihrem gehorsamen Diener gemacht.“

Atkins biß sich auf die Lippen, die Antwort wäre auch vorherzusehen gewesen.

„Wollen Sie jetzt die Güte haben, mir den Grund zu nennen, der Miß Forest herführt?“ fragte Alison noch schärfer als vorhin.

„Fragen Sie sie selbst!“ rief Atkins ärgerlich, der es vorzog, die ganze Verantwortung auf Jane zu werfen, ehe er ihrer etwaigen Entschließung vorgriff.

„Das werde ich!“ sagten Henry finster und trat an den Wagen.

Für Jane war sein Erscheinen keine Ueberraschung mehr, sie hatte ihn bereits aus dem Hause treten und mit Atkins sprechen sehen. Es war diesem endlich doch gelungen, sie von der Unmöglichkeit ihres Vorhabens zu überzeugen und zur Rückkehr zu bewegen, wenigstens zur Rückkehr bis an die nächste deutsche Grenzstation, von wo aus man die weiteren Schritte unternehmen konnte. Sie hatten N. bereits am nächsten Tage verlassen, als eine gleichzeitige Vorwärtsbewegung der sämmtlichen aus Deutschland nachrückenden Truppen sie zwang, von der Hauptstraße abzuweichen, auf der jetzt kein Vorwärtskommen möglich war, und einen anderen Weg zu nehmen, wo der Zufall sie mit Alison zusammenführen mußte, der sich im gleichen Falle befand.

Jane hatte schnell genug die Herrschaft über sich selber wieder zurückgewonnen. Was seit jener verhängnißvollen Stunde in ihrem Innern auch zucken und wühlen mochte, ihr Begleiter sah nur ein völlig unbewegtes Antlitz, das ihn endlich über jenen ihm noch immer unerklärlichen Ausbruch von Leidenschaftlichkeit beruhigte. Sie hatte sich wieder in den Eispanzer gehüllt, der sie in B. so unnahbar gemacht, und dies Eis starrte jetzt auch Henry entgegen, als er an den Wagen trat, sie zu begrüßen. Es entschied die ganze Begegnung; Alison konnte zur Noth einen Besitz erzwingen, der, wie er bereits argwohnte, nur seinem Rechte noch zugestanden ward, aber eine Neigung zu verrathen, solcher Kälte gegenüber, dazu war er zu stolz.

Mit kühler Artigkeit hob er sie aus dem Wagen, bot ihr den Arm und führte sie zu der vor dem Wirthshause befindlichen Bank, indem er sie und Atkins mit kurzen Worten unterrichtete, daß die streitige Angelegenheit bereits dem betreffenden Officier gemeldet sei, und daß er hoffe, man werde nach Durchsicht der Papiere ihrer allseitigen Weiterreise kein Hinderniß mehr in den Weg legen.

Atkins zeigte sich einverstanden, er ging zu dem Wagen zurück, um dem Kutscher einige Anweisungen zu geben; die Beiden waren allein.

Jane hatte sich auf die Bank niedergelassen, sie wußte, jetzt würde eine Erklärung von ihr verlangt werden wegen ihres Hierseins. Ob sie auch geneigt war, sie zu geben? Es sah nicht so aus.

Henry schien indessen keine Eile mit seiner Frage zu haben, nur sein Blick forschte in ihren Zügen, aber vergebens, sie hielt diesem Blicke fest und ruhig Stand.

„Es war eine grenzenlose Ueberraschung für mich, Sie hier zu finden, Jane!“ hob er endlich an.

„Auch für mich! Ich erwartete ebensowenig ein solches Zusammentreffen.“

Meine Rückkehr stand unter diesen Verhältnissen wohl zu erwarten. Ich hatte die Absicht, mich direct nach B. zu begeben, wo ich Sie sicher zu finden hoffte, es scheint aber, als besitze der Ort nur wenig Anziehungskraft für Sie?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_341.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)