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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Um zur Belebung dieses flüssigen Ackerbaues gerade für Forellenzucht beizutragen, wollen wir hier die Erfahrungen und Lehren eines der ersten und sorgfältigsten Forellenzüchter im Wesentlichen mittheilen.

Unter dem wissenschaftlichen Beistande Brehm’s legte der unternehmende Berliner Capitalist Herr Stahlschmidt vor etwa drei Jahren eine künstliche Forellenzuchtanstalt in den Teichen und Flüssen zwischen Kämmerswalde und Sayda in Schlesien an und gewann für die praktische Ausführung und Leitung den Lehrer Herrn Ernst Maier zu Neuwernsdorf. Dieser nun schickte unlängst an Brehm einen Bericht über seine Erfahrungen und Beobachtungen, aus welchem wir hier für weitere Anregung und für den praktischen Gebrauch folgende wesentliche Thatsachen zum Besten geben.

Um die Forellenzucht wissenschaftlich und mit Erfolg zu betreiben, ist künstliche Befruchtung unerläßlich. Die Forellen laichen mit herannahendem Winter, und dies ist die Zeit, wo ihnen die Kunst zu Hülfe kommen muß. Diese ist nicht leicht auszuüben, da es gilt, die streichfähigen Exemplare gegen das Wasser schwimmend aus ihren Schlupfwinkeln im kalten Wasser, vielleicht gar unter dem Eise hervor herauszufischen. Besser ist es daher, sie schon vorher gelegentlich abzufangen und sie in größeren Behältern mit gekochten Blutkuchen, gewiegtem Fleisch, Quark oder noch besser mit kleinen Elritzen und Schmerlen zu füttern. Da sie sehr gefräßig sind und selbst kleinere unter sich nicht schonen, muß man sie so sortiren, daß möglichst gleiche zusammenkommen. Auch ist Trennung nach dem Geschlecht unerläßlich, wenn das künstliche Streichen gelingen soll. Ferner ist Classification nach der Verschiedenheit erlangter Reife sehr zu empfehlen. Diese ist an der Entwickelung der Farben zu erkennen. Je näher der Laichzeit, desto prächtiger entwickelt sich bei dem Männchen die dunkelnde Farbe, die zuletzt fast rußig überhaucht wird. Der sonst silberne oder gelblichweiße Bauch wird bläulichgrau. Die Weibchen sehen geschwollen aus, und die dunkelrothe Scheide tritt mehr und mehr heraus. Den Rogen fühlt man bei vollkommener Reife im Bauche wie Erbsen in einem Säckchen.

Jetzt ist die Zeit zum künstlichen Streichen gekommen. Die ausersehenen Fische bringe man einige Stunden vor der Handlung in das Wasser, in welches der Laich während und nach der Befruchtung kommen soll. Bei dem Streichacte sind zwei Personen nöthig. Man greift zuerst mit beiden Händen nach der ausersehenen Forelle, faßt sie mit dem Zeigefinger und Daumen der linken Hand dicht hinter den Kiemen und drückt nur wenig mit dem Mittelfinger unterhalb des Schlunges. Der Gehülfe hat inzwischen zur Verhütung des Schnellens den Schwanztheil fest gepackt und etwas nach oben gebogen. Jetzt streicht man mit der freigebliebenen rechten Hand durch leisen Druck mit Daumen und Zeigefinger, womit man die Forelle ringförmig umspannt, von oben nach unten, zuerst in der Nähe des Afters, dann immer weiter von vorn her, bis aller Laich zwanglos zu Tage gefördert ist. Werden dabei die Eier noch vom Netze zusammengehalten, so gebe man die Sache sofort auf, denn es würden keine reifen Eier zum Vorschein kommen. Dasselbe gilt von den Milchnern. Beide Geschlechter behalten oft nach dem Streichen noch etwas Laich zurück, so daß man nach drei, vier Tagen neue Versuche machen kann. Die Milch ist desto besser, je ähnlicher sie der einer gemolkenen Kuh herausstrahlt.

Zu dieser künstlichen Befruchtung sind terrinenähnliche Gefäße je nach der Zahl der zu behandelnden Forellen so in Größe zu wählen, daß sie ziemlich mit Wasser gefüllt und mit der Milch zweier Männchen gemischt eine weißliche Flüssigkeit geben. Zur Mischung dient die Fahne einer Feder oder ein weicher Pinsel. In dieses Gemenge streicht man so schnell wie möglich den Rogen von sechs bis acht Forellen. Die befruchtenden Keime der Milch werden nun rasch von den Eiern aufgesogen, und die künstliche Befruchtung kann nach etwa fünfzehn Minuten als vollendet gelten. Die leicht getrübten Eier erscheinen jetzt in der gequollenen Milch wie mit weißen Ringen umgeben. Man muß nun das ganze Gemisch ohne Verzug in den bereitgehaltenen Brutapparat mit fließendem Wasser bringen. Man lasse sich nicht durch die verschiedene Färbung der Eier, vom citronengelben bis zum rothweinfarbigen und fast ganz farblosen, stören. Nur die undurchsichtige weiße, käsige Farbe ist ein Zeichen der Unfruchtbarkeit oder Krankheit, und Eier dieser Art müssen möglichst durch tägliche genaue Untersuchung, am besten mit einer federnden Zwinge, deren Schenkelspitzen einer ausgehöhlten Halbkugel gleichen, entfernt werden. Auch kann man mit Vorsicht gewöhnliche Pincetten brauchen.

Die Zeit bis zum Auskriechen der jungen Fischchen ist die wichtigste. Man darf sich deshalb die Mühe nicht verdrießen lassen, die Keime gehörig zu schützen und zu pflegen. Hauptsache ist, daß stets reines Quell- oder Waldbachwasser von vier bis acht Grad R. durch den Brutapparat fließe und dieser gegen grelles Licht und sonstige Feinde möglichst geschützt sei und bleibe. Zu letzteren gehört besonders der Schimmel an unbefruchteten und verwesenden Eiern, welche, wenn nicht immer rechtzeitig entfernt, auch die andern anstecken und verderben. Man mache deshalb nur alle Tage einmal mit einer guten Lupe Jagd auf diese blassen und undurchsichtigen Leichen. Mit gutem Auge und einiger Uebung und in einem geeigneten Brutapparate braucht man dazu nicht mehr als zehn bis fünfzehn Minuten.

Je nach der Wärme brauchen die befruchteten Eier zwölf bis sechszehn Wochen, um die darin schlummernden Fischkeime bis zum Durchbruche und Entschlüpfen zu bringen. Man glaube aber nicht, daß, je größer die Wärme, desto schneller die Entwickelung sei. Alle Lachsarten, wozu die Forellen gehören, laichen im kalten Herbst und Winter; sie lieben die Frische und Kühle, also ein Wasser von vier bis sieben Grad Réaumur.

Nicht blos der Naturforscher, auch der gebildete Liebhaber wird Freude daran finden, die langsame Entwickelung der Eier bis zu den zartesten Fischchen und dieser bis zu den kühnen Raubrittern, die sie sind, mit scharfem Auge und vergrößerndem Glase zu verfolgen. Nach sechs, sieben Wochen werden die Augen im Eie sichtbar und gleich darauf rothe Aederchen gleichsam als künftiges Knochengerüst. Wer befruchtete Eier versenden will, thue es jetzt, aber nur in guter Verpackung zwischen sorgfältig gereinigten Moosschichten in fein durchlöcherten Schachteln.[1]

Die durchsichtigen, kaum mit bloßen Augen bemerkbaren Fischchen, die aus den Eiern entschlüpfen, liegen zunächst mit ihrem harztropfenähnlichen Dottersacke, ihrer Speisekammer für die nächsten sechs Wochen, wie todt auf einem Flecke. Erst später lernen sie munter umherfahren und Versuche zum Entwischen machen. Dagegen muß man sie überall durch fein durchgitterten Verschluß bewahren, da sie sonst allen möglichen lauernden Feinden zum Opfer fallen würden. Man bringe sie später in größere, lebhaft durchflossene Behälter und füttere sie mit den feinsten Leckerbissen von staubartig zermalmtem Fleisch, Eiern, Blut, Quark und sonstiger Kost thierischen Ursprungs, bis sie stark genug sind, sich selber zu schützen und zu nähren. Wer diese Sorge und Mühe scheut, bringe sie in einen sandigen, ruhig fließenden, im Zickzack laufenden, flachen, mit Gittern sorgsam verwahrten Bach oder Graben möglichst unter dichte Wasserpflanzen, von wo ihnen Nahrung herabfällt und sie sich vor Feinden flüchten und verstecken können.

Nimmt man Gelegenheit, sie hier zu beobachten, so wird man sehen, wie ängstlich sie am Rande umherschießen, theils um zu rauben, theils um Räubern zu entschlüpfen. Sie unterscheiden sich vorläufig von Elritzen und Schmerlen hauptsächlich nur durch ihre schnellere, gegen und nicht miteinander schwimmende muntere, furchtlose Beweglichkeit. Nur später und in der Nähe merkt man die röthlichen Fleckchen und rothen Punkte, die ihnen eigen sind. In ihrer Flinkigkeit und Verschmitztheit geberden sie sich trotz des ihnen noch anhängenden Zulpes im Vergleich zu anderen Fischen wie Ritter ohne Furcht und Tadel, stehen hin- und herwackelnd, und zielen und schießen blitzartig auf Alles, was ihrer Gefräßigkeit zu Gute kommen könnte. Dabei behauptet jeder dieser Räuber gern ein eigenes Jagdgebiet und kennt keine Freundschaft.

Will man sie schnell wachsen und gedeihen lassen, so ist es gut, sie ziemlich regelmäßig mit zerhackten Fleisch- und Fischabfällen zu unterstützen und später in größeren Flußausweitungen oder Teichen dafür zu sorgen, daß schlammige Bodensätze nicht überhand nehmen.

Ist die Brut ein Jahr alt, so setze man sie, nach der Größe geschieden, in gut durchflossene und umschattete Teiche, wo sie bald gewitzigt genug sind, sich selbst zu schützen und zu nähren. Da sie sich freilich leicht fangen lassen und Diebe selten fehlen, sind für gedeihliche und lohnende Zucht sicher umhegte und bewachte

  1. Herr Maier versendet befruchtete Forelleneier.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_355.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)