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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


vorstand. Fast gleichzeitig knüpfte der Prinz ein interessantes Verhältniß mit der abenteuerlichen Sängerin Eleonore Gordon an, die eine höchst wichtige Rolle bei seinem Straßburger Unternehmen spielte.

Sie war die Tocher eines in Spanien gefallenen Officiers und selbst eine begeisterte Verehrerin des ersten Napoleon, zugleich für den Onkel schwärmend und den Neffen liebend. Die ebenso schöne als geistreiche Primadonna, welche sich damals in Baden-Baden aufhielt, besaß eine ausgebreitete Bekanntschaft unter den jungen Officieren der Straßburger Garnison, die zu ihren Füßen lagen. Mit ihrer Hülfe gelang es dem Prinzen, einige Anhänger zu werben und eine Verschwörung einzuleiten, deren Fäden durch ihre Hände gingen. Sie war seine Vertraute und stand als politische Egeria dem modernen Cäsar zur Seite, der von jeher seine Freundinnen und Gehülfinnen aus den Reihen der Demimonde zu nehmen pflegte. Nicht ohne Ehrgeiz träumte die Theaterprinzessin wohl von einer wirklichen Krone, während sie mit ihrem Geliebten gegen Louis Philipp conspirirte.

In jener Nacht, da die Theilnehmer des Attentats das Programm des verhängnißvollen Morgens feststellten, war auch Eleonore zugegen, die einzige Frau unter den vielen Männern, die sie durch Muth und Geistesgegenwart bei Weitem übertraf und beschämte. Während der Prinz mit seinen Genossen in der „Finkmatten-Caserne“ eine schmähliche Niederlage erlitt, rettete die Sängerin die ihr anvertrauten Papiere, indem sie der nachforschendem Polizei einen entschlossenen Widerstand entgegensetzte. Statt den pochenden Beamten ihre Wohnung zu öffnen, verbarricadirte sie die Thür mit einem Schrank, wodurch sie die Verfolger so lange aufhielt, bis es ihr gelungen war, alle compromitirenden Schriftstücke zu vernichten. Als endlich die Polizei eindrang, fand sie nur noch die verbrannte Asche im Kamin und die kühne Sängerin, die allen Drohungen trotzte. Einzig und allein ihrem Muthe verdankten die Angeklagten ihre Freisprechung vor den Geschworenen, da die gravirenden Beweise fehlten.

Nach dem Scheitern seiner Pläne überließ sich Louis Napoleon in London, wo er von 1838–40 lebte, rücksichtslos dem Strudel der Vergnügungen, durch die er wahrscheinlich den Verdruß über seine unglücklichen Unternehmungen zu betäuben suchte. Unter den Damen, welche der Prinz in England mit seiner Neigung beehrte, zeichnete sich vor allen die reizende Lady Seymour durch ihren Rang und ihre bezaubernde Schönheit aus. Ihr zu Ehren trug er auf dem Turnier, das Lord Eglinton in Ayrshire gab, die Farben der hohen Frau. Bei dieser festlichen Gelegenheit erschien Louis Napoleon mit seinem Gefolge in dem Costüme Wilhelm des Dritten von Oranien, den er als sein Vorbild verehrte, indem er durch diese Wahl darauf anspielte, daß, wie dieser die Stuarts, er die verhaßten Orleans vom Throne stürzen wollte.

Die Verehrung für die stolze Lady Seymour hinderte ihn nicht, ein weniger platonisches Verhältniß mit einer andern englischen Dame, Miß Howard, anzuknüpfen. Dieselbe war eine Schönheit im Style von Rubens, groß und stark, hochblond und rosig, mit üppigen, fast kolossalen Reizen von der Natur ausgestattet. Außerdem erwarb sie sich noch ganz besondere Verdienste um ihren damals sehr verschuldeten Geliebten, den sie mehr als ein Mal mit ihrem nicht unbedeutenden Vermögen unterstützte und vor der Bekanntschaft mit dem Schuldgefängnisse bewahrte. Zum Dank dafür erhob sie Louis Napoleon, sobald er Kaiser geworden war, zur Gräfin von Beauregard; außerdem schenkte er ihr noch eine der schönsten Besitzungen in der Nähe von Paris. Trotzdem war Miß Howard nicht damit zufrieden, da sie mindestens darauf gerechnet hatte, nach so großen Opfern den Thron mit ihrem Anbeter zu theilen. Sie beneidete ihre glücklichere Nebenbuhlerin und forderte dieselbe durch öffentliche Beleidigungen heraus. Mit echt englischer Unverschämtheit lorgnettirte sie eines Abends von ihrer Loge aus die ihr gegenübersitzende Kaiserin Eugenie in so auffallender Weise, daß diese voll Entrüstung aufstand und das Theater verließ. Die Folge war eine überaus heftige eheliche Scene, welche damit endete, daß die Kaiserin sich auf längere Zeit von ihrem Gatten trennte und eine Reise nach dem schottischen Hochgebirge antrat und zwar, wie der „Moniteur“ meldete – aus Gesundheitsrücksichten.

Nach dem Staatsstreich beschäftigte sich der Erwählte des Volkes ernstlich mit dem Gedanken, durch eine ebenbürtige Verbindung die Fortdauer seiner Dynastie zu sichern. Seine Gesandten erhielten den Auftrag, die verschiedenen Höfe zu sondiren und auf eine passende Partie Jagd zu machen. Man traute jedoch dem Kaiserschwindel nicht und selbst die kleinen Fürsten verweigerten dem gekrönten Abenteurer die Hand ihrer Töchter. Die Prinzessin von Hohenzollern, welche später Königin von Portugal wurde, und selbst die damals vermögenslose Prinzessin Wasa gaben ihm Körbe, so daß er sich gezwungen sah, auf eine standesgemäße Heirath zu verzichten und einige Stufen herabzusteigen.

Unter den Damen, welche die Gesellschaften im Elysée besuchten, glänzte vor Allen die spanische Gräfin Eugenie von Montijo durch ihre Schönheit und den Glanz ihrer Toilette. Sie besaß den blendendsten Teint, dessen Reinheit mit dem frisch gefallenen Schnee wetteiferte, eine Fülle blonder, wie Gold schimmernder Haare, anmuthige und ausdrucksvolle Züge, obgleich Kenner ihre Augen zu klein und geschlitzt, ihre Stirn nicht untadelig fanden. Der Schnitt ihres Gesichts und ihr ganzes Wesen erinnerte vielfach an die bekannten Bilder der unglücklichen Maria Stuart, mit der Eugenie eine große Aehnlichkeit zeigte.

Ihre Mutter stammte aus der angesehenen schottischen Familie der Kirkpatriks, die vor langer Zeit nach Spanien ausgewandert waren und daselbst einen einträglichen Handel trieben. Sie selbst galt für eine galante Dame, die viel auf Reisen war und ein abenteuerliches Leben führte, so daß ihr Ruf nicht der beste war. Ihr Gatte soll ein verdienstvoller spanischer Officier gewesen sein, mit dem sie jedoch nicht glücklich lebte. Sie besaß zwei Töchter, die unter der Aufsicht einer solchen Mutter aufwuchsen und die galanten Neigungen derselben theilten. Leider fehlte es nicht an zahlreichen Anbetern, unter denen besonders der Herzog Alba, ein Nachkomme des berüchtigten Feldherrn unter Philipp dem Zweiten, bevorzugt wurde.

Als sich derselbe für die ältere Schwester entschied, nahm sich die verschmähte Eugenie, die ihren Schwager leidenschaftlich liebte, diese Täuschung so sehr zu Herzen, daß sie einen Selbstmordversuch machte. Da das von ihr zu diesem Zweck genommene Gift jedoch nicht stark genug war, um sie zu tödten, so gelang es den schnell herbeigerufenen Aerzten, ihr das Leben zu retten. Von ihrer unglücklichen Liebe geheilt, stürzte sie sich in den Strudel der Zerstreuungen; sie besuchte die Theater, alle öffentlichen Vergnügen und wurde eine besonders eifrige Zuschauerin der landesüblichen Stiergefechte. Außerdem ließ sich die schöne Gräfin von angesehenen Männern, Prinzen, Herzögen und Grafen stark den Hof machen. Da sich aber keiner derselben ernstlich um ihre Hand bewarb, so verließ Eugenie, entrüstet über die Treulosigkeit ihrer Anbeter, das undankbare Madrid, um ihr Glück im Auslande, wo sie nicht bekannt war, mit besserem Erfolge zu versuchen.

Einen Augenblick soll sie sogar, wie behauptet wird, ernstlich daran gedacht haben, der Welt zu entsagen und sich in ein Kloster zurückzuziehen. Nur die Prophezeiung einer alten, halb blödsinnigen Nonne, daß Eugenie bestimmt sei, einen Thron zu zieren, hielt sie zurück, ihren schon gefaßten Entschluß auszuführen. Statt des Klosters besuchte die schöne Eugenie in Gesellschaft ihrer Mutter die vorzüglichsten Hauptstädte und Modebäder, wo sich um Beide die elegante Herrenwelt schaarte. Im Jahre 1848, da sie in London verweilte, machte sie die Bekanntschaft Louis Napoleon’s, mit dem sie bald so vertraut wurde, daß er ihr seine Hand anbot. Sie schlug jedoch damals die ihr zugedachte Ehre aus, weil ihr die Lage des verschuldeten Prinzen nicht die nöthige Garantie zu bieten schien.

„Sie werden,“ schrieb sie ihm bei dieser Gelegenheit, „nach Paris gehen und darnach streben, in Frankreich zur Gewalt zu kommen, Consul, Präsident und vielleicht Dictator werden. Gesetzt nun, Sie haben Ihr erstes Ziel erreicht, werden Sie dabei stehen bleiben wollen? Wird dies Ihrem Ehrgeiz genügen? Werden Sie nicht mehr erlangen wollen? Gewiß werden Sie das. Wie lästig aber würde Ihnen eine Frau sein! Wenn man, wie Sie, Kaiser werden will, muß man sich die Wahl einer Kaiserin offen halten. Wenn Sie aber unglücklich sein sollten in Ihren Plänen, wenn es Ihnen nicht nach Wunsch ergehen, Frankreich Ihnen nicht das bieten sollte, was Sie von ihm erwarten, dann, aber auch nur dann kommen Sie wieder und ich will Ihnen Antwort geben auf Ihren Antrag. Dann erinnern Sie sich, daß ein Herz in meiner Brust schlägt, stark genug, um Sie für allen Kummer, für alle getäuschten Hoffnungen zu entschädigen.“

Mit diesem Briefe soll Eugenie zugleich die Uebersendung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_363.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)