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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

mehrere Bilder in musikalische Formen – in die vier Sätze einer Symphonie: Introduction, Adagio, Allegro und Rondo – eingekleidet. Vergessen darf ich auch nit, wie viel ich den wackern Künstlern Niederer, Kupelwieser und Führich zu verdanken habe, durch welche beide Letzteren ich auf die kirchlich-religiöse Darstellung ’kommen bin. Nicht wenig Anregung hab’ ich auch in der Ludlamshöhle gefunden; Sie wissen, das ist eine Gesellschaft, in welcher Ernst und Scherz, Witz und fröhliche Laune ungenirt herrschte und Dichtkunst, Malerei und Tonkunst auf Alle wirkte. Am allermeisten verdank’ ich aber den Minnesingern. Diese hab’ ich redlich studirt und durch sie mich in die romantische Zeit hineingelebt.

Eh’ ich aber das Alles zu Papier und auf Leinewand bringen konnte, hat’s einen riesenhaften Kampf gekostet. Tag und Nacht hat mir’s keine Ruh’ gelassen. Es kam das Fieber der Aufregung über mich, das jeden schaffenden Künstler befällt, wenn die Ideen in seinem Kopfe sich drängen. Zuerst bildeten sich die mittelalterlichen Gestalten von wallendem Nebel umflossen, darnach wurden sie immer klarer und durchsichtiger. Zu nachtschlafender Zeit sind sie an mein Bett gekommen und haben mich umtanzt und haben gebeten: ‚Hauch’ uns eine lebendige Seele ein!‘ und haben nit eher geruht, bis ich sie auf’s Papier gebracht hab’. So hab’ ich sie denn zuerst scharf gezeichnet und dann in Farben hell ausgemalt, und zwar so, daß im Leben und Ringen der Einzelnen wie in einem Spiegelbild der Charakter der ganzen Zeit sich dargestellt hat. So entstanden – ich war dazumal neunzehn Jahre alt – meine ersten Bilder: ‚Lust und Leid eines Sängers im Mittelalter‘, ‚Das ganze Ritterleben daheim und im Krieg‘, ‚Die verschiedenen Momente ritterlicher Liebeswerbung bis zum Hochzeitsgang nach der Kirche‘ etc.

Im Jahre 1828 ist Meister Schnorr als Historienmaler nach München berufen wurden und da bin ich halt mit ihm auf die Kunstakademie übergesiedelt. Als ich dem großen Cornelius vorgestellt wurde, hab’ ich ihm meine Aquarellbilder vorgelegt, namentlich auch den ,wunderlichen Heiligen’, und als er den ansah, hat er beifällig mit dem Kopfe genickt. Bald darauf hat er auch mein erstes größeres Bild im altdeutschen Gepräge, ‚David und Abigail‘, gesehen und mich darauf der Königin zur Ausmalung ihres Bibliothekzimmers im neuen Königsbau empfohlen. Darauf hat der König mich im Saalbau der Residenz einen Fries malen lassen, in dem ich das Volksleben unter Kaiser Rudolph darstellen sollte. Da ließ ich denn meinem Humor den Zügel schießen, indem ich Kindergestalten zu Trägern der Cultur wählte, und so entstand denn die gar lustige Kinderkomödie. Gleich nach Vollendung dieser Arbeit hat mich der damalige Kronprinz Maximilian beauftragt, Hohenschwangau mit Bildern auszuschmücken. Was ich dort Alles gemalt habe, brauche ich so gescheidten Leuten wohl nicht erst zu sagen. – Dem Humor diente ich alle Zeit am liebsten, und in meinen Beiträgen für die ‚Fliegenden Blätter‘ und in meinen ‚Thierfabeln‘ hab’ ich sogar dem deutschen Volk verständlicher Weise Moral gepredigt; wenn’s nur was helfen thät’!

Nachdem ich im Jahre 1837 noch dem Professor Dr. Curtius auf seinem Schlosse Rüdigsdorf bei Leipzig die Mythe von Amor und Psyche in einer Reihe von Bildern in Fresco gemalt hatte, bin ich nach Rom gereist, wo ich mit Cornelius sehr schöne und lehrreiche Tage verlebt habe. Von da ging ich nach meinem lieben Wien und habe dort mit meinen treuen Jugendfreunden, insbesondere mit Bauernfeld, ein gemüthliches Leben geführt. Und das hat mich denn dazu animirt, daß ich des ‚Ritter Kurt Brautfahrt‘, um mich auch an der Romantik einmal ein Bissel zu reiben, mit dem Pinsel geschrieben habe. Ich las, ehe ich an die Arbeit ging, fleißig in des großen Cornelius ‚Nibelungen‘ und glaube, daß dadurch der altgermanische Geist hineingekommen ist. Der König von Würtemberg hat dieselbe Meinung gehabt, denn er hat mir, als ich ihm das Bild zum Kauf anbieten ließ, antworten lassen: ‚Das deutsche Element sei zu stark darin betont‘, was mich gar sehr gefreut hat.

Erwähnen muß ich mit Dank des echt deutschen Fürsten, durch dessen beharrliche, von einem seltenen Verständniß getragene Liebe und Aufopferung das deutsche Volk in den kostbaren Besitz der neuen Kunstblüthe gekommen ist: des Königs Ludwig. Er hat die Anfeindungen Unwissender und Böswilliger nicht geachtet, sondern Raum und Mittel genug geboten, damit die Künstler die Schwingen ihres Genies entfalten konnten. Viel hätte verkümmern müssen, wenn er nicht gewesen wäre.

Doch nun noch kurz von meinen Lebensumständen bis zu dem heutigen Tage. Ich krieg’s wirklich satt, so lange allein zu plaudern. – Also im Jahre 1839 wurde ich, nachdem ich vorher den Kinderfries in München vollendet, nach Karlsruhe berufen, wo ich zuerst das neue Akademiegebäude ausschmücken sollte, und dann war ich im Sitzungssaale der ersten Kammer als Maler thätig an einem großen Wandgemälde auf Goldgrund in enkaustischer Weise. Bei dieser Arbeit habe ich mich redlich gelangweilt.“

„Das sieht man,“ sagte Bechstein, „den Gesichtern an, besonders dem der Pietas, die, wie ein Kunstkritiker behauptet, ihrem sauern Gesichtsausdruck nach zu urtheilen, nur deshalb in’s Kloster gegangen sein mag, weil sie keinen Mann bekommen hat.“

„Diese Bemerkung,“ fuhr dann Schwind fort, „erinnert mich daran, wie ich in Karlsruhe mit Hülfe der blauen Wunderblume einen großen Schatz gehoben. Das war mein liebes Fraule[1]; die ist so lieb, so brav, so fromm und gottesfürchtig, wie’s eine Frau sein muß. Von da an lernte ich das Lebensglück eigentlich wohl recht kennen. Jetzt weiß ich, daß ein Leben ohne Frau nur ein halbes Leben ist. Wir Männer sind die ernste Seite des Lebens, die Frauen die wonniglich heitere. Beide gehören zusammen und bilden erst wie die zwei Schalen einer großen Nuß ein Ganzes.

,Wie Haupt und Helm zusammenpassen.
So nie die zwei einander lassen!’

sagt Tegnér in seiner Frithjofssaga.

So war ich denn ein junger glücklicher Ehemann, und als solcher bin ich denn noch einmal so frisch an die Arbeit gegangen. Doch schon hör’ ich, daß die Burguhr Elf schlägt, und muß nun machen, daß ich zu Ende komme.

Im Jahre 1845 wurde ich nach Frankfurt am Main berufen, um im Städel’schen Institut den Sängerkrieg auf der Wartburg in Oel zu malen. Auch habe ich dem Eduard Duller Illustrationen zu seinem ‚Leben des Erzherzogs Karl von Oesterreich‘ gezeichnet, und den ‚Elfentanz im Erlenhain‘ und den ‚Ritter Cuno von Falkenstein‘ in Farbe gesetzt. Viel Spaß hat mir auch die Bande von Musikanten gemacht, die sich auf dem Wege befinden, um bei einer Hochzeit aufzuspielen.

In dieser Zeit hatten sie in München die Akademie umgestaltet und beriefen mich im Herbst 1847 zum Professor dorthin. Das war insofern eine ungünstige Zeit, als damals König Ludwig, von einem Liebeszauber gefesselt, seine Neigung für die Kunst hatte zurücktreten lassen; im nächsten Jahr, als ihm die Märzstürme allzu arg wurden, legte er gar Krone und Scepter nieder.

Im Jahr 1848 war für uns Künstler nichts zu machen. Im Jahr 1849 habe ich eine Symphonie nach einem Meisterwerk Beethoven’s malerisch componirt, über das uralte und doch immer neue Thema von der Liebe.

Im selben Jahr habe ich auch das Märchen von den sieben Raben in Angriff genommen. Dann kam die schöne Zeit, wo unser Großherzog von Weimar, dazumal noch Erbgroßherzog, den Entschluß gefaßt hat, die hochberühmte Burg seiner Vorfahren restauriren zu lassen, und das ist die Schuld daran, daß ich allhier sitze, um das alte Landgrafenhaus mit mittelalterlichen Gestalten zu bevölkern. Veranlaßt hatte den Erbgroßherzog zu diesem Auftrag mein Bild im Städel’schen Museum, das dem hohen Herrn besser gefallen hat, als mir. Und so sitz’ ich denn schon über Jahr und Tag hier, um Alles auszuführen, glaub’ aber, daß der hohe Auftraggeber seinen Schritt bitter bereuen wird. Denn von Allem, was ich gemalt habe, will mir nichts gefallen, und wenn ich dem hohen Herrn einen Rath geben dürfte, so thut er am besten, sobald ich fort bin, einen Tünchermeister kommen zu lassen, der Alles wieder zuschmiert und ad integrum restituirt.“

„Du bist wohl nicht recht gescheidt!“ unterbrach ihn hier Bechstein. „In Beziehung auf den Werth Deines Sängerkrieges will ich nicht mit Dir rechten; was aber die Darstellungen aus dem Leben der heiligen Elisabeth und ihrer von poetischem Hauche durchwehten Legenden betrifft, so hast Du Dich nach dem einstimmigen Urtheil der Kunstkenner durch sie auf die Höhe der

  1. Louise, Tochter des großherzoglich badischen Majors Schwarz, die Schwind im Jahre 1842 heimführte.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_382.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)