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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


der Ufnau ausgewirkt, rüstete er ihn mit allem Nöthigen zur Reise aus, versah ihn mit Büchern und Geld; denn mittellos, von dem Nöthigsten entblößt stand der kranke Dichter da, und selbst der Ort, wo er sein Haupt hinlegen sollte, mußte seinen Feinden abgeklügelt werden, den stolzen Namen Hutten für alle Uneingeweihten verheimlichend.

Im Studienzimmer Hans Schneggen’s verbringt Hutten den größten Theil seiner Zeit; so krank er auch war, rastlos thätig war Geist und Feder. Bei stets frischer Geisteskraft arbeitete er unablässig daran, alle seine Schriften zu verbessern, sie für eine neue Ausgabe vorzubereiten. Neue Werke sind nicht entstanden, wenigstens nicht über den Plan hinaus, und die Beantwortung ihm zukommender Briefe nahm ihm nur wenige Zeit in Anspruch. Freundliche, ermunternde Worte kamen ihm von Zeit zu Zeit von Zwingli zu; aber durch diesen erhielt er auch eine Notiz, welche die Züge des Grams noch tiefer in sein edles Antlitz grub, sein so namenlos leidendes Herz noch mehr quälte und bekümmerte.


Insel Ufnau im Züricher See.


Nicht genug, daß ihn sein einstiger Freund, der große Gelehrte Erasmus, als er in Basel Hülfe suchend bei ihm vorsprechen wollte, aus Feigheit verleugnete und verrieth, trat ihm dieser nun offen als Feind gegenüber, gleichgültig gegen das Urtheil der Freunde und Gesinnungsgenossen, die sein Gebahren des Bittersten rügten und mißbilligten, und nicht ermessend, wie sehr ihn dieser perfide Act als Mensch entwürdigte.

Erasmus hatte sich in einem Schreiben an den Rath von Zürich gewendet, worin er Hutten in schonungsloser Weise angriff und verlangte, man solle ja ein wachsames Auge auf den Dichter haben, sonst könnte dieser die ihm gewährte Freistätte zu böswilligen Schriften mißbrauchen; je energischer man einem solchen Muthwillen Hutten’s entgegentrete, desto größer sei der Dienst, den man der Landschaft und den Wissenschaften leiste.

Wie bitter dieses Schreiben, das ihm auf Verlangen in Abschrift zugestellt wurde, den kranken Dichter berühren mußte, läßt sich denken, obschon der Rat von Zürich, edeldenkender als der große Gelehrte, dasselbe stillschweigend auf die Seite gelegt hatte. Jedenfalls waltete auch hierin Zwingli’s sorgende Hand, und wenn Hutten in einem bezüglichen Schreiben an den Rath sich dahin vertheidigte, daß er ebenso redliche und gute Absichten gegen die Eidgenossenschaft hege, wie er sich stets eines unantastbaren Lebenswandels bewußt sei, so waren jedenfalls alle Bedenken gehoben und Erasmus hatte in seiner Engherzigkeit Niemandem als sich selbst geschadet.

Wie einsam, wie verlassen mag sich doch Hutten oft in seiner Abgeschiedenheit gefühlt haben! Ihm blieb nichts als das erhebende Bewußtsein, stets redlich und ohne Prunk seinem innern hohen Berufe nachgekommen zu sein, mit Feuereifer gekämpft zu haben „für Bildung und Befreiung der Nation von jedem verdumpfenden Joche, mochte es durch den Einfluß der römischen Hierarchie oder durch das verkrüppelte Staatsleben herbeigeführt worden sein“.

Und der Eine, der ihn in diesem Kampfe unterstützt, der treu zu ihm gehalten in jeder Fahr und Noth, Franz von Sickingen, das männlich, ehrlich und trutzig Gemüth, war auch dahin seit wenig Wochen, gefallen, das Schwert in der Hand, unentwegt, trotzig und kühn, festhaltend an der mit Liebe und Ueberzeugung gehegten Idee, Deutschland politisch und kirchlich neugebaut zu sehen.

Trotz des Grams um den verlorenen, trotz des Schmerzes um den gestorbenen Freund, trotz alles niederdrückenden Gefühls ohnmächtiger Kampfeslust, scheint Hutten nie eine Ahnung seines frühen Todes gehabt zu haben; nirgends wenigstens deutet eine Stelle seiner Briefe darauf hin. Ob der stille Frieden seines Zufluchtsortes, ob das Hineinträumen in die schöne Landschaft, die blaue, tiefklare Fluth des Sees, die freundlichen, traulichen Dörfer an beiden Ufern, oder der Blick auf die stolzen Berge, die in ihrer majestätischen, ewigen Ruhe hineinragen in die Aetherbläue des Himmels, ihm jeden solchen Gedanken verschwinden machten oder ob sie der eiserne Wille, „es muß gehn!“ zurückdrängte, wer weiß es?

Aber der eiserne Wille war nicht eisern genug, noch eine belebende Kraft in den von der Krankheit verzehrten Körper zu bringen, ihn zu zwingen, gleichen Schritt mit der feurigen Seele zu halten. Schon am 31. August 1523 erlag Hutten einem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_384.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)