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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

ließ, seiner Kunst sich mit um so beharrlicherem Streben hinzugeben, bezeugt am besten, daß ihm wirklicher Beruf innewohnte.

Gegenwärtig macht Wagner’s neueste Schöpfung, „der Kaisermarsch“, von sich sprechen. Die Urtheile über denselben gehen auseinander. Doch ward gerade durch ihn Schreiber Dieses wieder an des Componisten vor dreißig Jahren aufgeführtes Erstlingswerk erinnert, dessen Schicksal aufzuzeichnen für die Verehrer Wagner’s vielleicht Interesse haben dürfte.

H.


Blätter und Blüthen.

Französische Tornister. Im September 1870, als ich zum ersten Mal den Kriegsschauplatz besuchte und von Corny vor Metz nach Nancy und Toul hinüber wollte, wartete ich noch in Novéant, dem kleinen Corny gerade gegenüber liegenden Städtchen, von wo ab die Eisenbahn nach Pont à Mousson ging, eine Weile auf den Zug und kam auch gerade recht, um einer sehr interessanten Scene beizuwohnen.

Unmittelbar an der Bahn, vom Perron aus, wurden nämlich französische Tornister, die bei Sedan erbeutet worden, aufgeladen, und neun hochgeschichtete Waggons standen schon mit dieser wunderlichen Fracht gefüllt, während noch etwa ein bis zwei Waggons voll auf dem Perron herumlagen, und eben jetzt befördert werden sollten.

Zwölf bis vierzehn Landwehrleute fand ich mit der Arbeit beschäftigt, sind bunt genug sah es dabei aus. Die Tornister waren vorher geleert worden und zahllose offene Briefe, Instructions- und Notizbücher deckten den Grund ringsumher, und ich stöberte eine ganze Weile dazwischen herum. Interesse bot der Inhalt derselben insofern nicht, als ich auch in keinem einzigen nur eine Andeutung über Politik oder den Krieg fand. Es waren fast ausschließlich Familienbriefe, von Vater, Mutter, Schwester oder Braut, allerdings in der großen Mehrzahl unorthographisch, aber doch mit inniger Zärtlichkeit geschrieben. Besonders wurde darin von Familiengliedern und nahen Bekannten Nachricht gegeben, und jedesmal der sehnliche Wunsch ausgesprochen, daß der Adressat recht bald zurückkehren möge. Lieber Gott, wer konnte sagen, in welchem Acker er jetzt, nur flüchtig eingescharrt. moderte, und nie erfahren dann die Seinen, was aus ihm geworden – wo er geblieben!

Es ist überhaupt ein furchtbares Gefühl, wenn man sich denkt, in welch grausamer Weise dieser Krieg von französischer Seite nicht etwa gegen den Feind, nein, gegen die eigenen Landsleute geführt ist, indem gar keine Verlustlisten ausgegeben wurden, und die unglücklichen Familien keine Kunde erhielten, was aus den Hunderttausenden geworden, die entweder auf dem Schlachtfelde geblieben waren, in den zerstreuten Lazarethen lagen, oder in deutsche Gefangenschaft abgeführt worden. Wie viele von den Letzteren konnten dabei nicht einmal schreiben, um den Ihrigen, selbst von Deutschland aus, Nachricht zu geben, von den Turcos gar nicht zu reden, die man aus Afrika herübergeschafft. Das Herz einer Mutter aber bleibt ja dasselbe in der Sorge um ihr Kind, und wie muß darum den Daheimgebliebenen in Afrika zu Muthe sein, wenn sie von den blutigen Schlachten und dazu noch außerdem die Schilderungen hören, die das französische Journalistenpack über die „deutschen Barbaren“ ausgestreut!

Dieser blutige französische Abenteurer, der sich frecher Weise Napoleon den Dritten nannte, hat aber alle seine Kriege mit raffinirter Grausamkeit geführt, und wie er dem Menschenschacherer, dem jetzigen Vicekönig von Aegypten, der trotzdem in Europa fêtirt wurde, wohin er kam, damals im mexicanischen Kriege Tausende von unglücklichen Fellahs abkaufte und in den mexicanischen Bergen niedermetzeln ließ, so spielte er diesmal das nämliche Spiel. Was galten je einem Napoleon Menschenleben, sobald er irgend einen ehrgeizigen Zweck erreichen wollte? Und doch war bei dem mexicanischen Handel der Vicekönig jedenfalls noch der größere …, denn selbst der Ehrgeiz ist ein weniger gemeines Laster, in solcher Weise ausgeübt, als nur die schmutzige Habgier, die den letzteren verleitete, seine unglücklichen Unterthanen für Geld auf die Schlachtbank zu liefern, um mit dem Mammon seinen wahnsinnigen Luxus zu bestreiten und sein Schlaraffenleben fortzuführen. Louise Mühlbach ist übrigens entzückt von ihm.

Doch um auf die dort über den Perron gestreuten Briefe zurückzukommen, so ist es Thatsache, daß die meisten, die ich überlas oder wenigstens flüchtig ansah, ein längst veraltetes Datum trugen und von den Soldaten schon lange als theure Andenken mit herumgetragen sein mußten. Einige datirten monatelang vor dem Kriege und waren ihnen sicher schon in die verschiedenen Cantonnements gesandt worden; aber sie hatten sich nicht von ihnen trennen können und sie wieder und wieder gelesen. Jetzt fegte sie der Wind umher und die Soldaten traten sie unter die Füße – was kümmerten sie die Wische, die sie doch nicht lesen konnten!

Ich hatte mir eine kleine Zahl derselben gesammelt, um sie mitzunehmen und war dadurch in ein Gespräch mit den Landwehrleuten gekommen, die übrigens schon damals einen Grimm auf die ganze „französische Bande“ hatten.

„Das ist das reine Lumpenpack,“ sagte mir ein breitschulteriger, bärtiger und wahrhaft kerniger Landwehrmann, dem Kraft und Gesundheit aus den rothen Backen blitzten; „ein halbes Dutzend kann man in der Hand zerdrücken, und wenn man die Kerle reden hört, so reißt Jeder das Maul auf und ficht mit den Armen herum, daß man glauben sollte, er wolle die Welt fressen.“

Der Mann hatte nicht Unrecht – jeder Franzose ist ein geborener Komödiant, und das amerikanische Sprüchwort: „Bind’ einem Franzosen die Hände auf den Rücken und er bringt kein Wort über die Zunge,“ hat seine Berechtigung.

„Und haben Sie noch viel in den Tornistern gefunden?“ frug ich den Landwehrmann.

„In den Tornistern?“ erwiderte der Mann verächtlich und schleuderte ein paar von ihnen mit dem Fuße dem Haufen zu, der gerade wieder auf einen eben herangeschobenen offenen Güterwagen verstaut werden sollte. – „Nichts, womit ich mich auch nur eine Viertelstunde Wegs bepacken möchte. Verdammtes Lügengesindel; da haben sie immer geschrieen, daß jeder französische Soldat einen Marschallsstab im Tornister trüge – da stehen zehn oder elf Waggons voll davon, und ich will verdammt sein, wenn wir in einem einzigen von ihnen einen Marschallsstab gefunden haben.“

Fr. Gerstäcker.


Deutsche Waisen nach England. Wir erhalten durch die „Lady Superintendent“ des „Evangelical Protestant Diaconesses’ Institute and Training Hospital“ zu Tottenham Green bei London den brieflichen Wunsch eines kinderlosen Ehepaares übermittelt, welches einige deutsche Waisenkinder gebildeter Eltern an Kindesstatt annehmen möchte. Beide Ehegatten geben ihrem Wunsche folgenden bestimmten Ausdruck: „Wir Beide, Besitzer eines mäßigen Vermögens und kinderlos, wünschen uns der Erziehung eines oder einiger Kinder gefallener deutscher Officiere, die einer bewährten Familie protestantischer Religion angehörten und für welche die Mittel zu einer standesgemäßen Erziehung nicht vorhanden sind, zu widmen. Sämmtliche Kosten der Erziehung würden von uns getragen werden. Die Erziehung sollte eine dem gebildeten Stande entsprechende sein, bei welcher besonders deutsche und englische Literatur berücksichtigt würde. Obwohl wir Alles thun würden, den Kindern die Eltern zu ersetzen, so soll ihre Liebe zum deutschen Vaterlande in ihnen nicht erstickt werden. Die Kinder dürfen mit ihren Verwandten Briefe wechseln und zu gelegener Zeit dieselben besuchen. Wir wünschen die Kinder im Alter von zwei und vier Jahren. Sollte in Deutschland eine gerichtliche Adoption Gesetz oder Brauch sein, so sind wir zu derselben gern bereit.“ – Wir theilen dies, als offenbar aus edler Absicht hervorgegangen, hier mit, müssen den Vormündern und Verwandten solcher Waisen es aber zur eigenen Prüfung überlassen, ob sie deutsche Kinder nach England abgeben wollen – in dieser Blüthenzeit eines neuen Deutschlands!


Gefunden! Der von uns als „vermißt“ gesuchte G. H. Oppmann aus Würzburg steht, wie Herr Reimann, Chef eines „Office of the Baltimore homoeopathic Pharmacy“ uns mittheilt, im „Baltimore City Directory“ verzeichnet mit der Wohnungsangabe Nr. 301 West Pratt Str. Eine Bestätigung dieser Nachricht erhalten wir in einem von Herrn John J. Gahde in New-York veranlaßten Briefe des Herrn Henry Sonnemann in Baltimore, welcher schreibt, daß Herr Oppmann dort als Zuschneider lebe, kränklich sei, aus einer ersten Ehe zwei hübsche Mädchen und aus einer zweiten ebenfalls zwei Kinder habe. Warum auch dieser „Sohn“ erst von Fremden gemahnt werden muß, seinen alten trauernden Eltern ein Lebenszeichen zu geben, darüber werden wir hoffentlich das Nöthige in Erfahrung bringen.


Kleiner Briefkasten.

A. B. in Danzig. Allerdings giebt es ein solches Blatt, und zwar ganz wie Sie es wünschen: ein Blatt, in welchem Fabrikanten in ruhiger Weise und mit allem Freimuth mit dem Arbeiter sich auf denselben Standpunkt der Discussion stellen und ihre Ansichten, Wünsche und Forderungen gegenseitig aussprechen. Dies geschieht in dem von Fr. Jacob Müller in Coburg redigirten und herausgegebenen „Sprechsaal, Organ der Porcellan-, Glas-, Thonwaaren- und verwandten Arbeiter.“ Durch die entschiedene Haltung des Herausgebers, der selbst als Porcellandreher viele Jahre lang das Brod des Arbeiters gegessen und durch ein (jetzt schon in fünfter Auflage erschienenes) Bändchen „Poetische Bilder“ gezeigt hat, daß er aus der Trübsal des Alltags sich in die Sphäre geistiger Erhebung zu retten vermochte, ist alle Parteipolitik aus dem Sprechsaal verwiesen; dagegen befindet sich das Blatt in der Hand jedes Fabrikanten der oben genannten Geschäftszweige und die tüchtigsten derselben sind freiwillige Mitarbeiter desselben. Wenn andere Industrie- und Gewerbskreise in ähnlicher Weise sich selbständige Organe schaffen wollen, so dürfen sie den Müller’schen „Sprechsaal“ sich zum Muster nehmen.

R. M. in Liverpool. In Braunschweig würde ohne Zweifel das welfische Fürstenhaus in Hannover erbberechtigt gewesen sein, wenn dasselbe nicht durch seine Welfenlegion in Frankreich zum Verbrecher an Deutschland geworden wäre.

L. Lebach in Mawo (Amerika). Der bäuerische Schriftsteller Felder im Allgäu ist bereits seit zwei Jahren todt.

K. in M. Die mitgetheilte Scene erinnert uns an eine ähnliche, welche man von der Schröder-Devrient erzählt. Einem Kammerherrn, der sie im Jahre 1848 höhnend fragte, warum sie ein rothes Tuch trage, da doch ihr verehrter Freund Robert Blum erschossen sei, antwortete sie mit gewohnter Schlagfertigkeit: „Für Robert Blum trage ich roth, die Farbe meines Herzens; aber Ihnen, mein lieber Kammerherr, verspreche ich, daß ich, wenn Sie gehangen werden, eine schwarze Schleife anstecken will.“

O. S. in Gl. Eine specielle Geschichte der musikalischen Literatur giebt es in der That nicht. Wer eine solche zu schreiben unternähme, müßte eben so umfassende historische, philosophische und philologische Kenntnisse, wie tiefe musikalische Gelehrsamkeit besitzen. In dieser Vereinigung liegt eben die Schwierigkeit der Arbeit. Ein Werk indeß ist im Werden begriffen, welches in nicht unbeträchtlichem Grade Ihrem Ideal zu entsprechen vermöchte, und das ist die „Geschichte der Musik“ von Aug. Wilh. Ambros (Breslau [jetzt Leipzig], bei F. E. C. Leuckart). Drei Bände sind bis jetzt davon erschienen, in welchen der Verfasser bis zu Palestrina gekommen ist. Es sollte uns übrigens wundern, wenn Sie beregtes Werk noch nicht kennen sollten.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_388.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2020)