Seite:Die Gartenlaube (1871) 405.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


No. 25.   1871.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Ein Held der Feder.
Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Zugleich schoß Friedrich sein Gewehr in jener Richtung ab und Jane’s Arm ergreifend riß er sie mit sich fort. Die Warnung hatte das Ohr der Cameraden erreicht, durch die stille Nacht wurde in einiger Entfernung der Ruf deutlich wiederholt und dieser zweite Ruf mußte im Schlosse gehört werden. Aber auch der Feind blieb jetzt nicht länger unthätig, er sah, daß ferneres Verbergen nutzlos war, und ließ es dem kecken Warner entgelten, ein halbes Dutzend Schüsse krachten zu gleicher Zeit, Friedrich achtete nicht darauf, aber Jane sank mit einem leisen Schmerzenslaut in die Kniee.

„Vorwärts, Miß! Vorwärts in die Gebüsche!“

Er riß sie empor, Jane versuchte zu folgen, aber der verwundete Fuß versagte selbst der äußersten Willenskraft den Dienst, sie brach von Neuem zusammen.

„Fliehen Sie!“ stieß sie athemlos hervor. „Rette Dich! Ich muß zurückbleiben!“

Friedrich sah auf sie nieder, aber er sah jetzt nicht das bleiche schöne Antlitz, das jeden Anderen mächtig zur Rettung angespornt hätte, er dachte gar nicht daran, daß es ein hülfloses und verwundetes Weib sei, das er preisgeben mußte, wenn er sich selbst retten wollte; vor seiner Seele stand mit Blitzesklarheit nur eine einzige Erinnerung:

„Sage ihm, Miß Forest sei mir das Liebste gewesen auf der ganzen Welt! Er soll sie schützen – wenn es sein muß, mit seinem Leben!“

Wie ein Kind hob der riesige Mann sie vom Boden empor und trat mit der Last auf den Armen den Rückweg an; Entschluß und Ausführung war nur das Werk eines Augenblicks. Der Feind folgte den Beiden nicht; er wollte augenscheinlich die sichere Deckung nicht verlassen und glaubte, da er den Park bewacht sah, die Hülfe wohl dicht in der Nähe. Aber der ihn verrathen, sollte nicht ungestraft davonkommen. Von Neuem krachten die Schüsse aus der Grotte her und noch immer waren die Flüchtigen auf diesem endlosen Rasen dem hellsten Mondlicht und den Kugeln als Zielpunkt preisgegeben. Friedrich brauchte jetzt die dreifache Zeit zu dem Wege, den er in wenig Secunden zurückgelegt hätte. Jane hatte die Arme um seinen Hals geschlungen, ihre Entschlossenheit verließ sie auch in dieser Lage nicht, sie wußte, daß jede Bewegung ihrerseits seinen Lauf hemmte, daß nur ihre völlige Unbeweglichkeit ihm die Bürde erleichtern konnte, deshalb verharrte sie regungslos. Um sie Beide zischten die Kugeln, aber sie schossen schlecht dort drüben, es traf nicht eine – da auf einmal zuckte Friedrich zusammen und blieb stehen, ein dumpfer Schmerzenslaut brach von seinen Lippen.

„Um Gotteswillen, Sie sind getroffen!“ Jane wollte sich herabwerfen, aber er verhinderte es, mit eiserner Gewalt umschlossen sie seine Arme und hielten sie fest. Es ging von Neuem vorwärts, nur schwerer, langsamer als vorhin. Jane hörte seine Brust schwer und angstvoll keuchen und fühlte es feucht und heiß über ihre jetzt herabhängende Hand niederrieseln, aber vorwärts ging es dennoch. Jane blickte angstvoll in sein vom Monde hell beschienenes Antlitz und es wandelte sie unwillkürlich ein Grauen an, es war ihr, als schaue sie in das Antlitz des todten Vaters. Die plumpen geistlosen Züge Friedrich’s zeigten in diesem Moment eine wahrhaft erschreckende Aehnlichkeit mit den ihren, mit jenen anderen, die längst das Grab deckte. Der Ausdruck war es, der Friedrich’s Züge auf einmal adelte und verwandelte, und diese Aehnlichkeit war es denn auch, die seine Abstammung deutlicher verrieth, als alle anderen Beweise, es war die düstere Energie, die finstere harte Unbeugsamkeit der Forests, es war ihr starrer Trotz selbst gegen das Unmögliche.

Und er erzwang es in der That, dies Unmögliche, er trug sie weg über den Rasen und noch eine Strecke hinein in die Allee, bis in den sichern Schutz der Bäume, und ließ sie dann erst aus seinen Armen gleiten. In der Richtung des Schlosses war es inzwischen lebendig geworden, Stimmen ertönten, Commandorufe wurden laut, mit Blitzesschnelle weitergegeben erscholl das Alarmsignal bereits vom Dorfe her, an der Spitze der mit im Schlosse befindlichen Soldaten stürmte der junge Lieutenant Witte als der Erste die Allee herauf.

„Bei der Grotte sind sie?“ rief er, die Uniform erkennend, Friedrich zu. „Schließ Dich uns an! Vorwärts!“

Er stürmte weiter, die Uebrigen ihm nach, aber Friedrich schloß sich ihnen nicht an und ging auch nicht vorwärts. Er stand noch einen Augenblick aufrecht und stürzte dann schwer zu Boden. Mit einem Schrei der Angst sank Jane an seiner Seite nieder, über das Lederzeug quoll es jetzt dunkelroth – der Bruder hatte mit seinem Lebensblute die Schwester gerettet! –

Eine Stunde war vergangen, der Kampf war unbedeutender und kürzer gewesen, als man es anfangs geglaubt. Die Feinde, die sich vom Walde her in einer nur kleinen Anzahl in der Grotte gesammelt, hatten jedenfalls die Absicht gehabt, das Schloß, in

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_405.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)