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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Der Frankfurter Friede ist Deutschlands Wiedergeburt aus langer politischer Schwäche. Möge der große Act in unserem Nachbarlande als das, was er in der That ist, als eine politische Nothwendigkeit, richtig gewürdigt werden, und mögen unsere Nachbarn nicht mehr von einem „Triumphe“ sprechen, der Revanche erheische. Wir wollen ihnen Revanche geben, aber auf dem Felde des Friedens, und hier blüht wahrlich den Franzosen, den Meistern der freien Gewerbe und gewerblichen Künste, noch mancher glänzende Triumph. Begnügen sie sich mit diesem, so hat es nie einen Frieden gegeben, der so segensreich war als der Frankfurter.




Blätter und Blüthen.


Winke für Reisende, die das Passionsspiel in Oberammergau besuchen wollen. Am 24. Juni begann die Wiederaufnahme der durch den Krieg unterbrochenen Passions-Vorstellungen in Oberammergau. Da wohl mit Recht vorausgesetzt werden darf, daß besonders die aus entlegneren Gegenden nach dem Schauplatz dieses merkwürdigen Kunstphänomens Reisenden sich auch ein wenig in der Umgegend werden umsehen wollen, die diese Mühe übrigens auf das Reichlichste lohnt, so glaubt die Gartenlaube eine angenehme Pflicht zu erfüllen, wenn sie ihren Lesern einige durch reichhaltige Erfahrung erprobte Rathschläge mit auf den Weg giebt, mit denen wir sogleich beginnen wollen. Zuerst versehe sich jeder Reisende mit einem guten Plaid oder einer wollenen Decke; denn die Betten in den bairischen Gebirgswirths- und Privathäusern pflegen, was Wärme und Bequemlichkeit betrifft, auch hinter den bescheidensten Anforderungen zurückzubleiben, die man an dieses für Reisende wichtigste Hausgeräth zu stellen berechtigt ist. Was die Weiterbeförderung überall dort, wo die Eisenbahnen aufhören, anbetrifft, so empfehlen sich ganz besonders zwei Arten derselben: entweder in einer guten Lohnkutsche, die man zu zehn bis zwölf Gulden auf den Tag miethen kann, oder – und das ist das eigentlich Wahre – zu Fuß. Wer aber irgend kann, vermeide es, einen königlich bairischen Postomnibus zu besteigen, der in der That nur alle jene Bedingungen der Reise erfüllt, wie ein Fuhrwerk zur Beförderung von Passagieren nicht beschaffen sein darf.

Den von Norden her Zureisenden werden folgende Touren empfohlen. Erstens: München – Starnberg – Weilheim per Eisenbahn; von Weilheim aus zu Wagen über Murnau und Oberau nach Oberammergau. Dies ist der nächste Weg. Zweitens: von München nach Starnberg auf der Eisenbahn, von da vermittelst Dampfers nach Seeshaupt auf dem herrlichen Starnberger See, von Seeshaupt zu Wagen über Murnau nach dem Ort der Bestimmung. Die Fahrt über den See macht diese Tour zu einer sehr lohnenden. Von hoher Schönheit ist drittens: die Tour München – Starnberg – Weilheim – Penzberg auf der Bahn; von Penzberg über den lieblichen Kochel- nach dem wunderbar wildschönen Walchensee, weiter über Walgau, Krün, Partenkirchen nach Oberau und Oberammergau. Dieser Weg bietet eine fortgesetzte Abwechselung der anmuthigsten, schönsten und erhabensten Hochgebirgslandschaften. Das Essen im Gasthause zu Walchensee ist sehr gut und sehr billig, während die Betten ohne Anwendung der oben angerathenen Vorsichtsmaßregeln absolut unbewohnbar sind.

Für die Reisenden, die aus Oesterreich südlich der Donau kommen, ist der nächste Weg über Salzburg nach München und von dort weiter die erste der von uns angerathenen Touren. Zwischen Salzburg und München ist ein Ausflug nach dem Chiemsee, besonders nach der in ihm gelegenen Fraueninsel dringend zu empfehlen, einem so lieblichen, malerisch schönen Fleckchen der Erde, daß es gegenwärtig keine Kunstausstellung giebt, ohne daß in ihr dort gewonnene Motive ihren künstlerischen Ausdruck fanden. Zu warnen ist auf dieser Route nur vor den gaunerischen Kellnerinnen auf dem Bahnhof zu Rosenheim, die von österreichischem Papiergeld in der Regel zwanzig Procent abziehen, beim Herausgeben auf Thaler und Gulden aber österreichische Scheidemünze mit einem Verlust von oft vierzig Procent für den Empfänger einzuschmuggeln pflegen. Auch rechnen sie mit Vorliebe dem Gaste, welcher daselbst zu Mittag ißt, den Preis für ein Glas Bier noch dann an, wenn derselbe auch gar keins getrunken hat.

Der schönste Weg aber zu Wagen oder zu Fuß in dieser Richtung ist von Salzburg über Schellenberg nach Berchtesgaden mit dem an großartiger Schönheit alle anderen deutschen Seen übertreffenden Königssee, von dort durch die Ramsau mit Abstechern nach der Wimbachklamm und dem Hintersee weiter nach Reichenhall, und von hier aus entweder durch das Inzeller Thal mit dem Mauthhäusel nach der Bahnstation Traunstein, oder von Reichenhall direct mit der Eisenbahn nach München. – Wer über Innsbruck reist, schlägt, wenn er nicht die Eisenbahn benutzen will, am besten den Weg über Zirl unter der Martinswand, Seefeld, Mittenwald unter dem Karwendel und Partenkirchen ein, eine Straße, reich an Wechsel großartiger Gebirgsschönheit. Die Wirthshäuser auf dieser Tour sind meistens gut, besonders aber zeichnet sich die Post in Mittenwald durch die Behandlung der dort einkehrenden Reisenden aus.

Zu längerem Aufenthalte im bairischen Hochgebirge, von dem Gesichtspunkte aus angesehen, daß die Schönheit der Gegend mit der Verpflegung und dem nöthigen Comfort in richtigem Verhältniß stehe, sind in vorderster Linie Garmisch und Partenkirchen zu nennen, in ersterem Ort ganz besonders das Gasthaus „Zum Husaren“ mit einer so vorzüglichen Küche, daß z. B. der Einsender dieses Artikels sich nicht scheute, täglich von seinem Wohnort Partenkirchen nach Garmisch – einen Weg von einer kleinen halben Stunde bei mäßiger Gangart – hinüber zu gehen, um dort zu Mittag zu essen. Vortreffliche Betten, durchweg mit Sprungfedermatratzen ausgerüstet, sichern dem Fremden das Haupterforderniß zu einem fröhlichen Aufenthalt auf der Reise, eine gedeihliche Nachtruhe, zu. Auch recht gute Privatquartiere sind in beiden der genannten Ortschaften zu beziehen. Wer auf seine Casse zu schauen hat, beziehe überhaupt womöglich gleich am Tage seiner Ankunft eine Privatwohnung. – Ein weltverlorenes Plätzchen in entzückend großartiger Alpenwildniß ist das Försterhaus in Vordergrasegg, von beiden oben genannten Ortschaften in fünf Viertel Stunden zu erreichen. Man wähle den Weg durch die kühle wildschöne Partnachklamm, und zwar bezüglich der Zeit so, daß man zum Mittag- oder Nachtessen hinaufkommt, denn eine bessere Küche, verbunden mit einem kühlen vortrefflichen Biere bei geradezu überraschend billigen Preisen, wird der Reisende im ganzen Umkreis des bairischen Gebirges nicht finden, als bei der freundlichen Frau Försterin auf Vordergrasegg. – Auch Mittenwald ist zu einem längeren Sommeraufenthalt durchaus geeignet. Die „Post“ leistet in Bezug auf Comfort Alles, was man unter den gegebenen Verhältnissen nur beanspruchen kann. Sehr beachtenswerth ist die dortige Geigen- und Cithernindustrie, sehenswerth die Instrumentenniederlage von Gebrüder Neuner. Im östlichen Theile des bairischen Hochgebirges sind es vor Allem Berchtesgaden, Ramsau und Frauenchiemsee, die für einen längeren Aufenthalt sich am besten eignen dürften, die Ortschaften um den Tegern- und Schliersee sind nur Vorstädte von München.

Wer in Oberammergau selbst ein für die dortigen Verhältnisse erträgliches Unterkommen finden will, melde sich bei dem Gemeindevorstande bei Zeiten an und vermeide jeden Unterhändler; dieser Anmeldung füge er gleich die Bestellung der Plätze und lege womöglich gleich das Geld – drei Gulden für einen Logenplatz – bei. Zu den anderen Plätzen ist nicht zu rathen, sie bringen zu viele Unbequemlichkeiten mit sich. Auch für leibliche Nahrung, besonders Essen, sorge der Fremdling. Bier ist immer zu haben, und zwar vortreffliches, mit einem Kreuzer Aufschlag auf die Maß. Es kommt aus Ettal, einer ehemaligen großartigen Benedictinerabtei, die kein Fremder zu besuchen verabsäumen möge, denn die dortige Kirche zeigt wundervolle Wandgemälde von Knöller, und das Braustübchen daselbst sorgt für ein Labsal, wie es der Wanderer nur noch selten im Gebirge finden wird.A. M.     


Zum Artikel „Wirthschaftliches Freimaurerthum“. Aus den Wirkungen der „wirthschaftlichen Freimaurerei“ in Nr. 16 der Gartenlaube hat sich in überraschendem Umfange ergeben, daß die Wohnungsnoth in allen großen Städten drückend gefühlt wird und andererseits der alte echte deutsche Sinn für eigenen Herd auf eigenem Grund und Boden nie erstorben war und sich lebhaft wieder geltend macht. Bis zum 26. Juni waren zweihundertundneun Briefe an die Redaction der Gartenlaube, theils an den Verfasser des Artikels, meist aber an den Central-Bauverein in Charlottenburg (H. Quistorp und Dr. E. Wiß, Letzterer ist technischer Director) voller Sehnsucht nach eigenem Haus und Herd, aber auch sehr oft voll von falschen Vorstellungen über die genossenschaftliche Erwerbung desselben eingegangen. Hunderte aus Berlin kamen und kommen persönlich. Deshalb werden hier folgende bestimmtere Rathschläge und Aufklärungen willkommen sein.

Der Central-Bauverein in Charlottenburg ist der Mittelpunkt des Baugenossenschaftswesens und kann nur mit genossenschaftlich zusammenfließenden Geldern wirken, also keinem Einzelnen irgendwo in Böhmen oder Posemuckel ein Haus bauen. Wer sich genossenschaftlich eine schuldenfreie Heimath erwerben will, mag sich zunächst nach Genossen umsehen. Es wird ihm nicht schwer werden, ein paar eben so Strebende zu finden Diese sollten sich dann ebenfalls um weitere Mitglieder bemühen. So finden sich wohl auch in einem kleinen Orte bald zehn Männer zusammen, welche natürlich Frauen mit demselben Sinne nicht ausschließen werden.

Nehmen wir nun an, daß zehn Genossen ein solches Eintausendthalerhaus, wie es in der Gartenlaube abgebildet und geschildert war, Jeder für sich haben möchte. (Es wird, beiläufig gesagt, in wohlfeileren Gegenden mit billigem Baugrunde weniger und in oder an theuren Großstädten etwas mehr kosten, namentlich in Folge des Krieges.) Die zehn Genossen zahlen nun jeder wöchentlich einen Thaler in eine gemeinschaftliche Casse bei einem zuverlässigen Mitbürger oder einem Banquier. In England wird solches Geld einstweilen gegen höheren Zins an Mitglieder oder sonst gegen gute Sicherheit wieder verborgt.

Die von dem einzelnen Genossen während der zehn Jahre eingezahlten fünfhundert Thaler sind während der Zeit mindestens zu sechshundert geworden. Also selbst in dem schlimmsten Falle, daß ihm kein Haus gebaut werden konnte, hat er für sich und seine Erben nicht blos fünfhundert Thaler gespart, sondern auch hundert Thaler erworben. Dieser schlimmste Fall wird aber bei dem Zudrange und dem steigenden Bedürfnisse für eine eigene, billige, schuldenfreie Heimath nie eintreten. Wenn sich daher in einem kleinen Orte auch nur wenige Genossen finden, so können sie leicht durch Bewohner von benachbarten Gegenden zu einer ordentlichen Genossenschaft von dreißig Mitgliedern vereinigt werden. Dreißig kleine zusammenfließende Geldbäche werden nun bald zu einem kräftigen, befruchtenden Strome, auf welchem man viel schneller zum Ziele gerudert werden kann. Die Gelder für einige Häuser sind bald beisammen; dann kommt der eigene Credit zu Hülfe, so daß auf einmal zehn bis fünfzehn Häuser und dann schneller hintereinander die übrigen gebaut werden können. Deshalb braucht kein Mitglied wirklich zehn Jahre zu warten. Das Loos kann ihn ja auch gleich zuerst treffen. Uebrigens findet er, je länger er einzahlen und warten muß, dann sein neues Haus desto abgezahlter, schuldenfreier, heimathlicher. Wer es nicht erlebt, hinterläßt es oder das dafür eingezahlte um Zins und Zinszins vermehrte Geld seinen Erben. Die eingezahlten Gelder liegen also, Zinsen bringend unter jeder Bedingung, in einer guten Sparcasse. Wo nur wenige Genossen zu finden sind, mögen dieselben ihre Einzahlungen zunächst auf hundert Thaler vermehren und diese in guten Werthpapieren anlegen oder gegen gute Zinsen an einen sicheren Genossen oder Mitbürger verborgen. Mit den nächsten hundert Thalern macht man es dann wieder so. Die Zinsen werden immer wieder zum Capital geschlagen und kommen zuletzt, selbst wenn keine gehörige Baugenossenschaft zu Stande

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_479.jpg&oldid=- (Version vom 26.10.2019)