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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


und Schweizer Märkte, über Warschau, Kopenhagen, Amsterdam, Petersburg, Stockholm und Edinburgh ausdehnte, zu schildern. Im Laufe der fünfziger Jahre trugen die Pirmasenzer ihre Schuhe auch über den Ocean und knüpften Handelsverbindungen mit den atlantischen Städten sowohl als mit den Emporien des Mississippi und der Seen an. Gewöhnlich gingen dabei Sendungen von je tausend Dutzend über’s Wasser, bis auch die Damen der Hinterwälder immer lieber ihre Füße mit dem bieg- und schmiegsamen Pirmasenzer Fabrikat bekleideten.


Im Hochsommer.
Für die Gartenlaube gezeichnet von Oscar Pletsch.


Denn dieses sind keine unverwüstlichen Bergschuhe oder Jagdstiefel, sondern leichte Waare für Parquet und Estrich, Haus und Hof: Damenstiefel, Morgenschuhe, Pantoffel für trockene Witterung und zarte Füße und in aller Welt ob ihrer Eleganz und Preiswürdigkeit beliebt.

Daneben fordert aber heute auch noch der Pirmasenzer Bilderhandel alle Beachtung, d. h. das Hausiren mit jenen lithographischen Erzeugnissen des Herrn „Wentzel de Wissembourg“, welche sich heute in den katholischen Alpenländern allüberall eingenistet und schon unserm Ludwig Steub im bairischen Hochlande ästhetisches Grauen erregt haben. Auch der Orgelleute und der „Morithatenmänner“, der Herren Schartenmaier u. Comp., dürfen wir nicht vergessen. Es ist wahrscheinlich, daß der Orgelmann, welcher von Gerstäcker in Chili getroffen worden, ein Pirmasenzer war, wenn er nicht ein Matzenberger gewesen sein sollte.

So sind die Pirmasenzer, welche unter ihrem Landgrafen von aller Welt abgeschlossen der Soldatenspielerei lebten, ein flügges Völkchen geworden, das die halbe Welt durchwandert. Die Nachkommen der Grenadiere des alten Pirmasenzers handeln mit Pantoffeln, Bildern und „Morithaten“ und befinden sich nicht übel dabei. Bei sparsamem Leben draußen kommen sie mit ihren Errungenschaften zu flottem Leben in die Vaterstadt auf den Vogesen zurück, erzählen bei Bier und Wein von ihren Erlebnissen in den großen Städten draußen, und bei den häufigen Tanzbelustigungen, welche den Pirmasenzer Schustern zum Bedürfniß geworden sind, treten dann Paare in die Reihe, die, eben erst von den zwei entgegengesehen Enden Europas kommend, sich hier jubelnd begrüßen. Wie lebhaft dann die Unterhaltung geführt wird, mag der ermessen, der je ein Pirmasenzer Stadtkind „auf dem Handel“ schwatzen hörte und also einen Begriff davon hat, was der Mund auch außer dem Essen und Trinken noch zu leisten vermag.

So wechseln jetzt in derselben Stadt, wo einst eine abgesperrte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 540. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_540.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)