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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Soldatencolonie in der Einförmigkeit des Gamaschendienstes eine langweilige, unnütze, ja gemeinschädliche Existenz führte, Arbeit und Lohn, Handel und Wandel, Anstrengung und heiterer Lebensgenuß in natürlicher und gedeihlicher Weise. Man gedenkt wohl noch der Landgrafenzeit, aber Niemand sehnt sie zurück. Eigenes Verdienst giebt der Stadt eine ruhige Sicherheit für die Gegenwart und Vertrauen in die Zukunft, und solchen Gesinnungen gehört auch die Zukunft. Zum Schlusse können wir nichts Besseres anregen, als den alten Spruch, der für die Stätten des Fleißes, also auch für Pirmasenz gilt:

An allem Ort und Ende
Soll der gesegnet sein,
Den Arbeit seiner Hände
Ernähret still und fein.

A. B. 



Aus dem Gerichtsleben der Magyaren.

Ehe wir die in der heutigen Nummer der Gartenlaube abgebildete „Ungarische Gerichts- und Folterscene“ mit erklärenden Worten begleiten, schicken wir die Bemerkung voraus, daß die ungarischen Justizzustände nicht nach dieser einen ausnahmsweisen Scene beurtheilt werden dürfen. Ungarn ist eben auf dem besten

Eine ungarische Stuhlgerichtsscene aus den fünfziger Jahren.
Originalzeichnung von Fritzmann.

Wege, binnen kürzester Zeit im Criminalwesen wie in allen Zweigen der Rechtspflege sich auf gleiche Linie mit den anderen civilisirten Staaten zu erheben, und selbst die im Augenblick noch bestehenden Uebergangszustände lassen, Dank den in den letzten Jahren getroffenen theils provisorischen, theils definitiven Verfügungen, jene „Romantik“ weit hinter sich zurück, in welcher Motive gefunden werden konnten, wie dasjenige, das der abgebildeten Scene zum Grunde liegt.

Für diese steht übrigens ein Künstler ein, der schon viele Stoffe zu Genrebildern aus dem ungarischen Volksleben geschöpft hat und auch kürzlich wieder mit reich gefüllter Mappe sich bei seinen Freunden in Pest einstellte. Als wir den Inhalt derselben besichtigten, legte er plötzlich die Hand auf eines der Blätter und gewährte uns den Anblick desselben nur gegen das Versprechen, das betreffende Bild für das gelesenste Blatt Deutschlands mit erklärenden Worten zu begleiten, und die verlangte Zusage wurde natürlich bereitwilligst gegeben; war doch hiermit Gelegenheit geboten, irrigen oder übelwollenden Anschauungen vorzubeugen.

Das Bild frappirte uns sofort ebensowohl durch die typische Wahrheit der Gestalten wie durch die Ungewöhnlichkeit der dargestellten Scene. – Zwei Verbrecher, ein Rumäne und ein Magyare, die im Verein mit Anderen einen Raubmord begangen haben, sind eben eingebracht worden und werden vom Stuhlgericht (Bezirksgericht) in’s Verhör genommen. Der Rumäne ist der Erste an der Reihe. Sein Verbrechen ist erwiesen, und die sittliche Entrüstung der Herren vom Gericht wird durch die Hartnäckigkeit gesteigert, mit welcher der Halbwilde die Namen der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_541.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)